Reichs Verf.
Art. 70.
Art. 69.
Art. 72.
24 Das Finanzwesen.
Wie daraus zu ersehen ist, entfallen 655% der Ausgaben auf die Kosten der
Kriegsmacht, über deren Bedeutung Näheres S. 30 und 32 zu ersehen ist.
Der Ausgabeposten mag für den ersten Augenblick recht hoch erscheinen,
jedoch zeigt uns ein Vergleich mit anderen Ländern, daß diese noch erheblich
mehr für Heer und Flotte aufwenden. So betrugen 1908 die Ausgaben für
Heer und Flotte in:
Deutschland 1162 Mill. J, oder /7 18,4 pro Kopf der Bevölkerung.
Großbritannien 1165 „ „ „ „ 26,4 „
Frankreich 975 77 777 77 77T 24,8 77 77 77 11
Die geschlossenen Städte bezogen im Mittelalter bis zum Anfang des
19. Jahrhunderts den größten Teil ihrer Einnahmen aus den Abgaben, die
von den in die Stadt eingeführten Waren erhoben wurden (Torsteuer, Akzise.
Gefälle). Die Erhebung war einfach und leicht kontrollierbar. Als die Staaten
die Akzisen beseitigten, verlegten sie gewissermaßen die Zollgrenze ron den
Stadtgrenzen an die äußeren Landesgrenzen, und so enstand dem Staat eine
bedeutende Cinnahmequelle, an die der einzelne bereits seit Jahrhunderten
gewöhnt war, die er daher auch nicht als besondere Belastung empfand. Aus
diesem Grunde ist es erklärlich, daß auch heute noch bei vielen Staaten die
Zölle eine der wichtigsten Einnahmequellen bilden. Ferner kommt hinzu, daß
die kleinen Einkommen von direkten Steuern befreit sind (vgl. S. 9); die
Zölle bilden dann ein Mittel, auch sie in bescheidenem Maße mit zu den Kosten
der Reichserhaltung heranzuziehen.
Unter den Einnahmen stehen bei weitem an erster Stelle die Zölle. Bei
den Aufwandsteuern sind besonders die hohen Beträge für alkoholische Ge-
tränke der Beachtung wert. Zur Deckung außerordentlicher Ausgaben für größere
Anlagen, Kriegsfälle usw. greifen das Reich wie die Einzelstaaten zur Auf-
nahme von Anleihen (vgl. Gr. A. S. 113, Kl. A. S. 146), die Reichsschuld be-
trug 1910 rund 5 Milliarden Mark.
Da einzelne Steuern und Zölle teilweise den Einzelstaaten zufließen, so über-
weist ihnen das Reich diese Beträge; dagegen haben die Bundesstaaten die
Pflicht, die an der Deckung der Ausgaben fehlenden Beträge dem Reiche zu
erstatten (Matrikularbeiträge). Die Verteilung der Beiträge erfolgt nach der
Kopfzahl der Bevölkerung. Der Haushaltsplan wird jährlich durch ein Gesetz
festgestellt, ebenso haben Bundesrat und Reichstag die Verwendung der Ein-
nahmen nachträglich zu prüfen (dies geschieht in erster Linie durch den Rech-
nungshof des Deutschen Reiches) und Entlastung zu erteilen.
Die Gesamtbelastung an Reichs-, Staats= und Gemeindesteuern betrug 1908:
in Deutschland auf den Kopf d. Bevölk. 4 51,2, dav. waren 48 dir. u. 52 1 indir. St.
77 Großbritannien 77 77 77 77 77 77 91,2, 77 77 64 5% !7 „ 36 5% 77 »
« Frankreich 77 „7 77 „ » « 83,7, 77 77 36 5½% 77 77 64 5% 77 77
Das alte Deutsche Reich ist aus Mangel an den nötigen Mitteln
zugrunde gegangen. Daher ist es eine der vornehmsten Aufgaben
der Volksvertretung, dem Reiche die zur Erfüllung seiner Auf-
gaben erforderlichen Mittel zu beschaffen.
77 77 77