Contents: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Erwerbung des Eigenthums. 523 
§. 538. War die Verjährung durch Nichtgebrauch gegen einen Minderjährigen 
abgelaufen, so können die Erben desselben, auch wenn sie Eion unmündig oder min- 
sich um einen Auspruch des Minderjährigen an seinen eigenen Vater handelt. Pr. des Obertr. 2531, 
v. 14. Juni 1854 (Entsch. Bd. XXVIII, S. 75). Denn bei einer solchen Kollision von Rechten ist 
das in väterlicher Gewalt stehende Kind gleichfalls eine Person, welche mit einem Vormunde (Kura- 
ork) rm da es durch den Bater nur gegen Dritte vertreten werden kann. Oben, 5.525; 
p 18, H. 28. 
44) Dieser §. 537 wiederholt uur den Satz des §. 531. Die Frage ist: ob nicht auch die im 
# 532 angeorduete Wiedereinsetzung in den volgen Stand auf Minderjährige Anwendung finde. 
Wenn eine Sache, in Beziehung aut welche die Verjährung schon seit 27 Jahren angefangen hat, 
also in den letzten 4 Jahren der Verjährung, auf einen zweiundzwanzigjährigen übergeht, solglich die 
Minderjährigken (das Hinderniß) noch vor Ablauf der Verjährungsfrist aufgehoben wird, kommt da 
dem nun Großjährigen leichfalls die 4jährige Restitutionsfrist, vom Tage seiner Majorennität an ge- 
rechnet, zu Statten? rt Anwendung des allgemeinen Grungsatzes aus §. 532 sieh lein Rechts- 
grund entgegen. Zwar das Obertr. hat ausgesorochen- Ist bei einer gegen einen Minderjährigen 
fortgesetzten Extinktivverjährung deren Vollendung erst nach erreichter Großjährigkeit erfolgt, so kann 
derselbe auf die vierjährige Restitution nicht Anspruch machen. Pr. 2184, dom 25. Febr. 1850 
(Emsch. Bd. XIX, S. 134). Dieser Rech'ssatz aber ist falsch, wie die Gründe saktisch und juristisch 
unrichtig sind, auf welchen er ruht. Die Bezugnahme des §. 537 auf den §. 531 bringt den Urtheiler 
in Verlegenheit; er meint: der Zweisel entstehe nur dadurch, daß der §. 537 in der Pareuthese auf 
den §. 531 hinweist, und es frage sich also: welcher Einfluß dem letzteren auf den F. 537 beizulegen 
sei. „Stellt man die Minorenuität einem „Hindernisse“ gleich“ — sagt er —, so würde man frei- 
lich in die Nothwendigkeit konmimen, die Anwendung des §. 537 nach den allgemeinen Grundsätzen, 
insbesondere #§. 531, 532 zu modifiziren.“ Allein über diese Nothwendigkeit setzt er sich leicht hin- 
weg, durch die Behauptung, daß die Minderjährigkeit gar kein Hinderniß im Sinne des §. 531 fei; 
das Gesetz gebe die Restitution allgemein, wo Jemand von dem verlierenden Rechte nicht habe unter- 
richtet sein köunnen, oder dasselbe zu bewahren verhindert worden. (68. 512, 516.) Ein Hinderniß 
dieser Art sei uun aber keineswegs die Minderjährigkeit: — für den Verjährenden sei sie ein Hinderniß; 
in Beziehung auf den Miuderjährigen selbst sei sie kein Hinderniß. Das ist ein vollständiger Irrthum, 
wie aus den Materialien klar erhellet. Der erste umgearbeitete Enrwurf lautete im S. 5: „So lange 
Jemand sein Recht zu gebrauchen oder zu verfolgen verhindert wird, kann ihm die Unterlassung des Ge- 
brauchs nicht nachtheilig werden.' Hierzu find einige Bemerkungen Über den Anfang und die Dauer 
des Hindernisses gemacht, und hinter denselben finden sich solgende §. von Suarez entworfen: 
„Einem Minderjährigen werden nach erlangter Volljährigkeit noch 4 Jahre zur Wiederher- 
stellung gegen alle während seiner Minderjährigkeit absolvirten Verjährungen gestattet. 
Hat er aber alsdann von seinem Rechte keinen Gebrauch gemacht, so wird ihm die Mino- 
rennität nicht zu Gute gerechnet. 
Bei der 40jährigen Präskription wird auf dieses. impedimentum nicht reflektirt.“ (Simon, 
Materialien, S. 457.) 
Hier wird also die Minderjährigkeit ausdrüccklich ein Hinderniß, sein Recht zu gebrauchen, genannt. 
Weiter, bei der Revision der Monita, trägt Suarez vor: „Einige Monenten fragen, ob nicht auch 
Taubstumme, Verschwender, Abwesende, Blinde, pia corpor# mit den Minorennen gleiche Rcchte haben. 
In Ansehung der Taubstummen hat es kein Bedenken. Auf Verschwender paßt ratio legis nicht, weil 
diese von idren Rechten gar wohl haben informirt sein können.“ — — Simon, 
Mat., S. 523. Also werden hier die Minderjährigen unter die Kategorie derjenigen gebracht, „welche 
don ihrem Rechte nicht haben unterrichtet sein können“. Damit übereinstimmend sagt Suarez in 
feinen amtlichen Vorträgen bei der Schlußrevision zu §§5. 593 — 595: „Der Vormund eines Mino- 
rennen kann leicht, aus Mangel an Nachrichten, in der Unwissenheit, was seinem eurando für Rechte 
Iin re aliena kompetiren, erhalten werden. Dies ist der Grund, warum praescriptio extinctive gegen 
den Minorennen nicht anfangen soll.“ (Simon, Materialien, S. 584, und Jahrb. Bd. XI.I, 
S. 14.) Daß also die Minorennität, oder eigentlich der Zustand der Bevormundung im Sinne des 
Gesetzgebers „ein Hinderniß“ ist, ist unbestreitbar. Das Obertr. selbst hat es ausgesprochen: „Der 
5. 535 — ist nur eine Wiederholung des im §. 516 in Bezug auf den Anfang der Verjährung 
überhaupt ausgesprochenen Grundsatzes.“ (Entsch. Bd. XV. S. 121.) Der Zustand der Bevor- 
mundung ist ein Hinderniß, sowohl sein Recht zu gebrauchen und zu verfolgen (§. 516), nämlich in 
Beriehung auf den Bevormundeten, als auch von seinem Rechte unterrichtet sein zu können (§. 512), 
nämlich für Beide, den Bevormundeten, weil er seine Augelegenheiten nicht verwaltet, und den Vor- 
mund, weil er — wenigstens Aufangs — ein Fremder ist. Als zweiter oder vielleicht auch als kein 
Grund ist ein Stückchen Röm. R., nämlich die L. 3 C. quibus objicitur, unter dem ganz unge- 
bräuchlichen Citate: „Lib. VII, Tit. 35“ eingemengt, denn der Inhalt ist für das Recht nach dem 
Allg. L. R. hier völlig gleichgültig; und zuletzt wird noch der faktische Hülfsgrund beigebracht: „Nach 
Suarez.' amtlichen Vorträgen bei der Schlußrevision des A. L. R. sind bei den ##§. 537 und 531
	        
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