Full text: Der Friedensvertrag nach der Reichsverfassung

anläßlid) der ftaatsrechtlidyen Behandlung bes Friedensvertrages von 187 
int der ficheren Ueberzeugung, daß Bundesrat und Keichstag mit den filt 
dad Neid vorteilhaften AUbmachungen einverftanben fein iperden, Dir yrfrte- 
gebenden Körperfchaften dem Art. 11 zuiider nidyt hat mitwirken laffen. 
Dai der Neicdystag die Verlegung der Berfafjungsporjdrift damals nidt 
gerügt hat, ift nidyt beweigsträftig. Angejidyt3 der großen Erfolge, Div das 
Reid) feiner unübertroffenen militärijchen und diplomatischen Yeitsiug an 
verdaufen hatte, wäre eine joldye Rüge vielleicht Heinlich erfchienen. Der 
Yriedensvertrag hatte überdies bei Aufftellung der Neichsgeiepe, Die zu 
jeiner Ausführung erlajjen wurden, zu keinerlei Vorftellungen des Nrichs- 
tags Anlaß gegeben, fo daß in dem Schweigen zu der Verfaffungsverlepung 
gewiffernaßen ein Cinverftändnis mit dem geübten Berfahren erblidt 
werden Tann.1?) 
Rad) Erörterung aller Einwendungen ftellen wir den Sa auf, daf 
abgejehen von dem NRedıtsalte der Einftellung der Feindfeligkeiten Der 
Üriedensvertrag denjelben Nedytsregeln unterworfen ift wie jeter andere 
völferrechtlicye Vertrag.2%) Dieje NRecdhtsregeln unter Beziehung auf den 
Sriedensvertrag zu entmwideln, ijt die Aufgabe der folgenden Ausführungen. 
II. Der Friedensvertrag als Staatsvertrag insbejondere. 
1. Beteiligung de Kalfers am Friedensichluffe. 
E3 wird vermutet, daß beim Abjchluß von völkerredytlichen Verträgen 
Da3 Staatsoberhaupt beredytigt und verpflichtet ift, den Staatswillen zu 
vertreten. Sicdyere Auskunft Darüber, wen die Legitimation zur Vertretung 
zulteht, erteilt aber nidht das Völkerrecht, jondern da3 Staatsgrundgeich. 
So jagt icon Hugo Grotius:?1, „Pactiones inire quae bellum finiant 
eorum est quorum est bellum, rei eniı suae quisque moderator. Unde 
sequitur ut in bello utrinque publico hoc eorum sit qui summi impersi 
exercendi ius habent. Regis igitur hoc erit in statu vere regio, modo 
Is rex etiarm ius habeat non impeditum.' PBufendorf jchließt jid) diefer 
Anjiht an.??) 
Art. 11 NB. Hart dem Slaifer das Recht übertragen, das Dentfche 
Reich völkerrechtlic; zu vertreten. Nad) der ridyrigen Auffatiung Yabands 
übt er Dieje Befugnis aus eigenem Ned)te, als das hiezu verfafjungsgemäß 
berufene Organ aus, nicht etwa al3 Präfident d. bh. Beanıter des Nriches 
oder al3 Stolleftivmandatar der verbünderen Negierungen. Legtere Nite 
fit ift von Goriu3?3) entwidelt worden, der aus der Tatfache, dab die 
Souveränität bei dem Bundesrate beruhe, den Sailer al3 defjen Spracd)- 
organ bezeichnet. Der genannte Scriftftelfer überjieht hiebei, daß dann 
ber Saijer zu jedem Wlte der Vertretung des Neiches erft noch einer Boll: 
madht de3 Bundesrat3 bedürfte. Dies entjpricht jedod) weder dem Wort- 
laute der Neichöverfajjung, nod) der tatjächlihen Nebung. Der Kaifer ente 
fheidet vielmehr frei unb unabhängig darüber, ob er die Jeit und 
‚»2) Bgl. Sorius 1875 ©.539, ber ebenfall3 Genehmigung buch Midhtrügen 
annimmt. 
20) Bgl. außer den bereit3 angeführten GSchrififtellen: Broebjit ©. 314j.; 
2abanb II ©. 161; Thubihdum ©. 92 unb 254; Bluntfdli S©.338; Heffter 
©. 380; v. Lifzt ©. 310. 
21) Qugo Grotiu3, De jure belli ac pacis lib. II cap. XX. II. 
22) Bgl. bei Proebit S. 268. 
23) 1875 S. 537.
	        
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