Full text: Der Friedensvertrag nach der Reichsverfassung

Nachtrag. 
Borliegende Arbeit, zu der ich von Brofellor Dr. Freudenthal in 
Srankfurt a. M. dankeusiwerte Anregung erhalten hatte, ift im Perbit 
borigen „jahres entftanden; die Verhandlungen von Litauiich-Breft ind 
nacdhträglid, berüdfichtigt worben. Unterdeffen trat in der inneren Politil 
des Deutfchen Reiches mit wachjendem Erfolge da Beftreben nach Parla- 
mentarifierung der Neidjsleitung hervor. Die durd) die Macht der Creig- 
niffe zu falfenden Entfchlüffe waren zu folgenjchwer, als daß der Maifer 
mit ben von ihm beruienen Ratgebern allein die jchiwere Bürde der Ber- 
antivortung hätte tragen können und wollen. Sein Wille war c3 Daher, 
daß jein tapferes Volk, das die Leiden des Krieges in vorbildlicher Weile 
heldenhaft ertragen hatte, aud) an der Regierung im vermehrten Umfange 
folle teilnehmen können. Von der Ermeiterung der Ned)te des Volkes bei 
ber Geftaltung der inneren Bolitif bis zu einer Erweiterung jeiner Rechte 
auch in Beziehung auf die auswärtige Politik war nur ein fleiner Schritt. 
dem aufmerfjamen Beobachter de3 Zeitgeiftes brachte daher das Jteiche- 
geieg vom 28. Dftober 1918 feine Überrajchung. Hiedurd ift unter Ab- 
änderung bes Art. 11 RB. die Mitwirkung des Bundesrars und Reichstags 
an ber Entjcheidung über Krieg und Frieden unzweideutig ausgebrüdt 
worden. Was in vorftehender Abhandlung lediglich jür das Verhältnis de3 
Staates zu ben Untertanen zur Ausjtattung des in bem sriebenspertrage 
enthaltenen Bertragsgefeges mit Befehlsgemalt als richtig erfannt worden 
ift, gilt nunmehr auch für den Abfchluß des völlerredhtlicdyen Vertrages 
felbft. Zu ihm muß tünftighin die erfolgte Zuftimmung ber gefepgebenden 
Körperfchaften, die neben dem Staifer Die Vertragspartei auf deutjcher Seite 
bilden, al3 Vorausfegung fir die Wirkjamteit des Vertrages ausbrüdlid) 
aufgenommen merden. 
Der Rechtsatt der Kinjtellung ber Feindjeligleiten — das Wort 
„Stiedensfchluß” im engeren Sinne aufgefaßt — liegt immerhin nach wie 
vor allein in ber Hand des Kaifers, dejjen auf dem Art. 63 fußenbe Rechte 
unangetajtet geblieben find. Die Anderung erjapt ausjchlieglich nur ben 
Friedensvertrag in feiner Eigenfchaft als Staatövertrag. Sie hat aber für 
denjenigen, der fich auf den Standpunkt der vorliegenden Abhandlung ftellt, 
mehr oder minder rein formale Bedeutung. Denn, wie wir auf S. 7 und 
17 ausgeführt haben, wäre aud) ohne Anderwig de3 Art. 11 der Abfchluß 
eines YJriedensvertrag3 lediglich durch die faiferliche Gewalt, ohne daß jid} 
bieje vorher des Einverjtändnijjes von Bundesrat und Reich3tag verjichert 
hätte, in unferem neuzeitfihen Staat3leben undenkbar germejen. Ob nın 
biefes Cinverjtändnis zum Beftandteil des Wertrags erhoben oder ber 
Außenwelt gegenüber gemwiffermaßen nod) verborgen gehalten wird, ift für
	        
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