Full text: Die Finanz- und Zollpolitik des Deutschen Reiches.

schließen oder gar bereits fließende den Einzelstaaten zu entziehen, 
nicht zugestanden. Das erhellt nicht nur aus Art. 32 und 34 des 
Entwurfs, sondern auch aus den Erklärungen des großherzoglich 
hessischen und des kgl. sächsischen Bundeskommissars geht ein- 
wandfrei hervor, daß das Wort gemeinsame Steuern in Art. 66 
ebenso wie die allgemeine Kompetenzabgrenzung in Art. 4, Abs. 2 
(die für Bundeszwecke zu verwendenden indirekten Steuern) 
nur eine Rückverweisung auf Art. 32 (jetzt 35), nicht aber eine 
Ermächtigung, neue indirekte Steuern in Anspruch zu nehmen, 
sein sollte?). 
Aus den genannten Einnahmen sollte das Bundespräsidium 
die verfassungsmäßig oder gesetzlich festgestellten Ausgaben be- 
streiten, und etwaige Fehlbeträge sollten nach Maßgabe der Be- 
völkerung von den einzelnen Bundesstaaten eingezogen werden. 
Als ganz besonders charakteristisch aber ist hervorzuheben, 
daß zwar eine jährliche Rechnungslegung über die Verwendung 
der gemeinschaftlichen Einnahmen und der Beiträge der Einzel- 
staaten vorgesehen, aber die. in allen konstitutionellen Staaten 
übliche regelmäßige Budgetaufstellung nicht in Aussicht ge- 
nommen war. 
Ein Einnahmebewilligungsrecht war nach dem Vorbild der 
preußischen Verfassung im Gegensatz zum Verfassungsrecht der 
süddeutschen Staaten der Volksvertretung nach keiner Richtung 
hin zugestanden worden. Selbst die Feststellung des durch 
Matrikularbeiträge zu deckenden Fehlbetrages war nicht dem 
Reichstag vorbehalten. Des weiteren war der wichtigste und 
umfangreichste Teil des Budgets, der Militär- und Marineetat, 
durch gesetzliche Festlegung der Bewilligung des Reichstages 
überhaupt gänzlich entzogen. 
Das ganze Budgetrecht des Reichstags sollte sich auf die 
Bewilligung der sonstigen, sehr geringfügig gedachten Ausgaben 
für jede Legislaturperiode, also für je drei Jahre beschränken. 
Auch die Erfurter Unionsverfassung (8 101) hatte im Gegensatz zum 
Frankfurter Verfassungsentwurf ($ 103) dreijährige Bewilligungs- 
perioden vorgesehen. Man ging eben, wie schon dargelegt, von 
der Vorstellung aus oder wollte sie wenigstens bei den Einzel- 
staaten erwecken, daß die ordentlichen Ausgaben sich lediglich 
auf den Aufwand für Heer und Marine beschränken würden. 
Alle sonstigen Ausgaben wurden als so nebensächlich und un- 
!) Verhandlungen des konstituierenden Reichstags, 20. März 1867. S. 274 und 
9. April 1867, S. 649. 
Gerloff, Finanz- und Zollpolitik. 2
	        
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