Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

86 Zweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. § 20 
  
Gesetz vom 23. Dezember 1873 (G. Bl. S. 479) erfolgten Einführung des Reichs- 
beamtengesetes vom 31. März 18735 in Elsaß-Lothringen erheblich an Bedeutung 
verloren. 
Durch § 3 des Vereinigungsgesetzes vom 9. Juni 1871 wurde dem Kaiser die 
Ausübung der Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen und damit zugleich die Ernennungs- 
befugnis der Beamten übertragen. An diesem Rechtszustand ist durch das Verfassungs- 
gesetz von 1911 nichts geändert worden. Der Kaiser ist nicht der Landesherr von 
Elsaß-Lothringen, und mithin können auch die reichsländischen Beamten nicht in einem 
Dienstverhältnis zum Kaiser als Landesherrn stehen, sie können also keine eigentlichen 
Landesbeamten sein. Der Umstand, daß sie ihre Besoldung aus der „Landeskasse“ 
beziehen, muß als rechtlich nebensächlich ausscheiden. Auch die Tatsache, daß das 
Reichsbeamtengesetz durch ein besonderes Gesetz in Elsaß-Lothringen eingeführt wurde, 
beweist nichts für das Gegenteil. Die elsaß-lothringischen Beamten wurden durch das 
Inkrafttreten des Reichsbeamtengesetzes deshalb nicht berührt, weil zu jener Zeit die 
Reichsverfassung in Elsaß-Lothringen noch nicht galt. Es erging deshalb ein besonderes 
Gesetz vom 23. Dezember 1873, welches das Reichsbeamtengesetz in Elsaß-Lothringen 
einführte. Die Wirkungen dieser gesetzgeberischen Maßnahmen zeigen sich darin, daß 
Abänderungen des Reichsbeamtengesetzes durch Reichsgesetz auf die elsaß-lothringischen 
Beamten nur dann Anwendung finden, wenn dies ausdrücklich bestimmt wird, und daß 
die Rechtsverhältnisse der elsaß-lothringischen Beamten andrerseits durch Landesgesetz 
geändert werden können, ohne daß auch eine dementsprechende Anderung für die Reichs- 
beamten eintreten muß . Mit Rücksicht auf die sich hieraus ergebenden Unterschiede 
und Unterschiedsmöglichkeiten mag die Fiktion nicht ungerechtfertigt sein, welche die 
elsaß-lothringischen Landes beamten den Reichsbeamten gegenüberstellt, nur darf man 
sich über den wahren staatsrechtlichen Zustand nicht Täuschungen hingeben 7. 
Es wird also unter dem diesem Gesichtspunkt auch im folgenden insoweit von 
elsaß-lothringischen Landesbeamten die Rede sein, als dieselben ihre Besoldung aus der 
Landeskasse beziehen und dienstlich dem Statthalter unterstellt sind. 
III. 1. Das Beamtenverhältnis setzt eine Dienstverpflichtung dem Staate 
gegenüber voraus. Deshalb sind an sich keine Beamten die von den Gemeinden und 
anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (also auch der Kirche) bestellten 
Beamten oder Angestellten, wenn dieselben auch staatliche Aufgaben zu erfüllen haben 
und in dieser Beziehung den Anordnungen der Staatsgewalt Folge zu leisten ver- 
pflichtet sind S. In einem weiteren Sinn begreift man jedoch auch diese Personen 
  
baben, in v. Stengel-Fleischmanns Wörterbuch, vertritt die Anschauung, daß die elsaß-lothr. Be- 
amten keine Reichsbeamten seien. Er verweist in dieser Beziehung insbesondere auf die Begründung 
zum Gesetzentwurf über die Haftung des Reiches für seine Beamten (Verh. d. Reichst. 12. Legisl. Per. 
1. Sess. 1907/09 S. 255, 8231), wo dies ausdrücklich hervorgehoben sei. Indes beweist dies, auch 
abgesehen von der Unmaßgeblichkeit der Motive eines Gesetzes, gar nichts für seine Anficht; denn 
mit den fraglichen Ausführungen hat man offenbar aus praktischen Gründen Rücksicht auf den vom 
Reichsfiskus gesonderten elsaß-lothr. Landesfiskus genommen. 
Z„ 5 Durch Kais. Ver. v. 19. Okt. 1907 (G Bl. S. 113) ist das R.G. v. 17. Mai 1907, betr. 
Anderungen des Reichsbeamtengesetzes (R.G.Bl. S. 201), mit Wirkung v. 1. April 1907 ab in E.-L. 
eingeführt. Vgl. Kais. Ver. v. 28. Aug. 1905 (G.Bl. S. 59). 
* Vgl. die Zusammenstellung der auf elsaß-lothr. Beamte keine Anwendung findenden Be- 
stimmungen des R. B.G. bei Laband II S. 235 A. 1., 4. Aufl. 
' Laband II § 68; Bruck I S. 166. 
6 erntiiche Beamte in diesem weiteren Sinne (im Sinne der §§ 39, 40 A.G. BG B., 5 11 
E.G. G.V. G., § 70 G. V G., § 359 Str. G. B. u. der C. P.O.) sind im Gegensatz zu den Beamten im 
engeren Sinne des Reichs- und Landesbeamtengesetzes v. 3. jede im Dienst des Staates, 
eines Bezirks, einer Gemeinde oder einer öffentlichen Anstalt auf Lebenszeit oder nur vorläufig an- 
gestellte Person, welche in gesetzlicher Weise dazu berufen sind, unter öffentlicher Autorität, aber 
unter eigener Verantwortlichkeit als Organ derser Körperschaft für Herbeiführung der Zwecke der- 
selben tätig zu sein, ohne Unterschied, ob sie einen Diensteid geleistet, eine Bestallung erhalten hat 
oder nicht, ob sie gegen festes Gehalt oder im Taglohn angestellt ist. (Val. R.G. v. 24. Juni 1880, 
Jur.Z. 5 S. 294; O.L.G. Colmar v. 12. Okt. 1892, Jur. Z. 18 S. 87; O.L.G. Colmar v. 10. Dez. 
1907, Jur.z. 33 (1908) S. 633. Molitor-Stieve, Komm. z. elsaß-lothr. A.G. B. G. B. Anm. 
u. 8 zu § 40, § 39 Anm. 5 A.G. B. G. B. 
 
	        
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