112 Zweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. 8 30
Wohnsitzes in Elsaß-Lothringen, die Beendigung der Zugehörigkeit zu der vertretenen
Korporation oder Standesorganisation und bei Mitgliedern der Landwirtschaftskammern
die Aufgabe des landwirtschaftlichen Berufs. Schließlich kann jedes Mitglied noch
ausdrücklich auf die Geltendmachung der Mitgliedschaftsrechte Verzicht leisten. Ein
solcher Verzicht ist für die gewählten Mitglieder ohne weiteres, für die ernannten Mit-
glieder richtiger Ansicht? nach ebenfalls zulässig. Die gesetzlichen Mitglieder können
dagegen nicht verzichten, weil die Abgeordneteneigenschaft ihrem Amte inhärent ist.
Auch bezüglich der Umstände, die ein Aufhören der Mitgliedschaft zur Zweiten
Kammer bewirken, kann grundsätzlich das gleiche wie hinsichtlich der Ersten Kammer
gesagt werden; es kommen hier hauptsächlich Entmündigung und Konkurs (§8 2 III,
4 II Wahlgesetz) in Frage, beides Tatbestände, die übrigens auch von vornherein die
Wählbarkeit des Betreffenden ausschließen.
§ 30. Die Zweite Kammer. Die Bestimmungen über die Wahlen zur Zweiten
Kammer finden sich teils in den §§ 7 und 8 Verfassungsgesetzes, teils im Wahlgesetz.
Während die Bestimmungen des Verfassungsgesetzes nach Art. III des Gesetzes vom
31. Mai 1911 nur durch Reichsgesetz abgeändert werden können, find die hauptsäch-
lichsten Vorschriften über die Wahlen zur Zweiten Kammer in einem Sondergesetz
enthalten, das von dem Landtag selbst jederzeit abgeändert werden kann, weil es nicht
mit den besonderen Garantien des Verfassungsgesetzes umgeben ist. Einen durch-
schlagenden Grund für diese verschiedene sta#otsrechtliche Behandlung der beiden Kammern
wird man schwerlich finden können (Laband II 252), vermutlich sollte dadurch der
besser orientierten Landesregierung die Möglichkeit gegeben werden, bei eventuellen
lokalen Bevölkerungsverschiebungen durch Neueinteilung der Wahlkreise einem, was die
Kopfzahl der Bevölkerung anlangt, gerechteren Wahlergebnis zum Siege zu verhelfen.
Die durch Landesgesetz nicht abänderbaren verfassungsrechtlichen Bestimmungen
lehnen sich an das im Art. 70 Reichsverfassung normierte Reichstagswahlrecht an.
„Die Zweite Kammer geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer
Abstimmung nach Maßgabe eines Wahlgesetzes hervor (§ 7). Die Abgeordneten der
weiten Kammer werden in Zeiträumen von fünf Jahren neu gewählt. Die allgemeinen
Wahlen finden gleichzeitig für sämtliche Abgeordnete an einem Tage statt, der durch
Verordnung des Statthalters festgesetzt und im Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen be-
kanntgemacht wird. Die Eigenschaft als Abgeordneter erlischt, wenn seit dem Tage
der allgemeinen Wahlen fünf Jahre verflossen sind.“ (§ 8.)
„Allgemeines Wahlrecht“ bedeutet, daß jeder Reichsangehörige, der gewisse
Voraussetzungen der Wahlberechtigung (§ 2 I und III Wahlgesetz) erfüllt, wählen
darf. Eine Ausnahme gilt nur für die zum aktiven Heere gehörigen Militärpersonen,
nicht aber für Militärbeamte (§ 2 II Wahlgesetz); für erstere ruht das Wahlrecht 7.
Daß die Wahl eine direkte ist, will besagen, daß im Gegensatz zu den früheren
Landesausschußwahlen die Abgeordneten unmittelbar von den Wählern gewählt werden.
Geheim ist die Abstimmung, weil die Wahl auf Grund von Stimmzetteln
erfolgt, die die Person des Wählenden nicht erkennen lassen. Es sind besondere Vor-
schriften erlassen, welche die Sicherung des Wahlgeheimnisses betreffen. Es kann
auch niemand, auch nicht etwa als Zeuge, gezwungen werden, sein Wahlgeheimnis
preiszugeben; tut er es freiwillig, so kann ihm das natürlich nicht verwehrt werden.
Das ursprünglich in § 3 des Entwurfs zum Wahlgesetz vorgesehene Plural=
wahlrecht ist infolge Streichung der diesbezüglichen Vorschrift durch die Reichstags-
kommission nicht Gesetz geworden. Es gilt also das Prinzip der Gleichheit des
Wahlrechts, und da die einschlägige Bestimmung im Wahlgesetz (§ 3 Satz 1) enthalten
ist, ist die Abänderung des jetzigen Systems und seine Ersetzung etwa durch das
modernere Proportionalwahlrecht im Wege der Landesgesetzgebung ermöglicht.
die schließlich mit dem Verlust des Amtes den Verlust der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen
Rechte aussprechen (§§ 81, 83, 84, 87—91, 94 Str.G. B.).
* Meyer-Anschütz, S. 309 N. 6. Heim, S. 71.
(§ 30] 1 Dies gilt nicht für die Offiziere, Oberwachtmeister und Gendarmen der elf. I. Gendarmerie
brigade, weil sie nicht zum aktiven Heere gehören. Schulzze, Verf.Ges. § 2 W.G. Anm. 8.