Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

114 Zuweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. 8 30 
  
die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge haben kann, zu einer Zucht- 
haus= oder Gefängnisstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, für die Dauer von fünf 
Jahren, von dem Tage an gerechnet, an welchem die Strafe verbüßt, verjährt oder 
erlassen ist, sofern nicht der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf eine längere Dauer 
ausgesprochen ist 10. 
5. Personen, welche eine Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln beziehen 
oder in dem letzten der Wahl vorhergegangenen Jahre bezogen haben. 
Als Armenunterstützung sind nicht anzusehen: a) die Krankenunterstützung, b) die 
einem Angehörigen wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen gewährte Anstaltspflege, 
Jpc) Unterstützungen zum Zweck der Jugendfürsorge, der Erziehung oder Ausbildung für 
einen Beruf, d) sonstige Unterstützungen, wenn sie nur in der Form vereinzelter 
Leistungen zur Hebung einer augenblicklichen Notlage gewährt sind, e) Unterstützungen, 
die erstattet sind 11. 
Das Wahlrecht darf nur in der Gemeinde ausgeübt werden, in der der Wahl- 
berechtigte seit mindestens einem Jahre seinen Wohnsitz hat (§ 2 Abs. 6). Jeder 
Wahlberechtigte hat eine Stimme (§ 3) 12. 
II. Die Wählbarkeit. Wählbar sind die männlichen Einwohner Elsaß- 
Lothringens, welche seit mindestens drei Jahren die Reichsangehörigkeit besitzen, eben- 
solange in Elsaß-Lothringen ihren Wohnsitz haben, eine direkte Staatssteuer entrichten 
und das 30. Lebensjahr vollendet haben. Außerdem dürfen die Ausschließungsgründe 
bezüglich der Wahlberechtigung (§ 2 Abs. 3) nicht entgegenstehen ½. 
Die Wahl erfolgt gemeindeweise auf Grund von Listen, welche die Wahl der 
Gemeindeberechtigten enthalten und ihre durch § 2 dieses Gesetzes geforderten Eigen- 
schaften angeben (Wählerlisten) (& 5 I). Wenn aus einer Gemeinde mehrere Wahlkreise 
gebildet sind, so erfolgt die Aufstellung der Wählerliste gesondert für die einzelnen 
Wahlkreise. Die Listen werden von dem Bürgermeister und zwei von dem Gemeinde- 
rat aus seiner Mitte zu bezeichnenden Mitgliedern aufgestellt und spätestens sechs Wochen 
vor dem zur Wahl bestimmten Tage während einer Woche zu jedermanns Einsicht aus- 
gelegt. Spätestens drei Tage vor dem Wahltag ist zur öffentlichen Kenntnis zu bringen, 
wann und wo dies geschehen ist (§ 5 II). 
Für die Entscheidung über Einwendungen gegen die Richtigkeit der Wählerliste 
sind drei Instanzen gegeben. Zunächst sind berufen der Bürgermeister und die beiden 
im § 5 Abs. 2 bezeichneten Gemeinderatsmitglieder, die nach Stimmenmehrheit inner- 
halb fünf Tagen über die Einwendungen zu entscheiden haben. Gegen diese Ent- 
scheidung kann innerhalb drei Tagen nach Zustellung der Entscheidung durch Erklärung 
auf der Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts 14 Beschwerde eingelegt werden, über welche 
das Amtsgericht ebenfalls innerhalb fünf Tagen zu entscheiden hat (§ 5 Abst. 4). 
Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts steht schließlich den Beteiligten weitere Be- 
schwerde an das Landgericht zu, welches endgültig entscheidet. Die Beschwerde ist in 
diesem Falle in der Frist von drei Tagen nach Zustellung der Entscheidung auf der 
  
16 Eine Zusamenstellung der in Betracht kommenden Delikte ist im Zentral= und Bezirks- 
amtsblatt f. E.-L. 1911 Nr. 32 veröffentlicht. Im Ausland erfolgte Verurteilungen haben auf die 
Wahlberechtigung nur dann Einfluß, wenn nachträglich von einem deutschen Gericht auf Grund des 
§ 37 Str.G. B. auf den Verlust der Ehrenrechte erkannt ist. (VglAusführungsbestimmungen.) 
11 Die Bestimmungen sind wörtlich dem R.G. v. 15. März 1909 (R.G.Bl. S. 319) ent- 
nommen, welches dadurch die Zweifel, was als öffentliche Armenunterstützung zu erachten sei, gelöst 
hat. Bgl. auch Rosenmeyer im Off. Arch. Bd. 24 S. 163. 
15 Abgelehnt ist also das im Entwurf (Abs. II) vorgesehene Alterspluralwahlrecht, das 
den Wahlberechtigten im Alter von mindestens 35 Jahren 2, im Alter von mindestens 45 Jahren 
3 Stimmen einräumte. 
ç 158 Wählbar find demnach, weil anderweitige Bestimmungen nicht entgegenstehen, auch die Mit- 
glieder der Ersten Kammer, ferner diejenigen Personen, deren Wahlrecht auf Grund §§ 2 II (Militär- 
personen), 2 V S. 1 (Wohnsitzklausel) u. 5 V.G. (Nichteintragung in die Wählerliste) ruht. Nicht 
wählbar dürfte dagegen der Statthalter als Vollmachtgeber der Bundesratsbevollmächtigten sein. 
(Val. hierzu Laband I1 S. 315.) 
/ Diese Inanspruchnahme der ordentlichen Gerichte geschieht in bewußter Anlehnung an das 
französische Recht, welches Statusklagen vor die ordentlichen Gerichte bringt.
	        
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