114 Zuweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. 8 30
die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge haben kann, zu einer Zucht-
haus= oder Gefängnisstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, für die Dauer von fünf
Jahren, von dem Tage an gerechnet, an welchem die Strafe verbüßt, verjährt oder
erlassen ist, sofern nicht der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf eine längere Dauer
ausgesprochen ist 10.
5. Personen, welche eine Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln beziehen
oder in dem letzten der Wahl vorhergegangenen Jahre bezogen haben.
Als Armenunterstützung sind nicht anzusehen: a) die Krankenunterstützung, b) die
einem Angehörigen wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen gewährte Anstaltspflege,
Jpc) Unterstützungen zum Zweck der Jugendfürsorge, der Erziehung oder Ausbildung für
einen Beruf, d) sonstige Unterstützungen, wenn sie nur in der Form vereinzelter
Leistungen zur Hebung einer augenblicklichen Notlage gewährt sind, e) Unterstützungen,
die erstattet sind 11.
Das Wahlrecht darf nur in der Gemeinde ausgeübt werden, in der der Wahl-
berechtigte seit mindestens einem Jahre seinen Wohnsitz hat (§ 2 Abs. 6). Jeder
Wahlberechtigte hat eine Stimme (§ 3) 12.
II. Die Wählbarkeit. Wählbar sind die männlichen Einwohner Elsaß-
Lothringens, welche seit mindestens drei Jahren die Reichsangehörigkeit besitzen, eben-
solange in Elsaß-Lothringen ihren Wohnsitz haben, eine direkte Staatssteuer entrichten
und das 30. Lebensjahr vollendet haben. Außerdem dürfen die Ausschließungsgründe
bezüglich der Wahlberechtigung (§ 2 Abs. 3) nicht entgegenstehen ½.
Die Wahl erfolgt gemeindeweise auf Grund von Listen, welche die Wahl der
Gemeindeberechtigten enthalten und ihre durch § 2 dieses Gesetzes geforderten Eigen-
schaften angeben (Wählerlisten) (& 5 I). Wenn aus einer Gemeinde mehrere Wahlkreise
gebildet sind, so erfolgt die Aufstellung der Wählerliste gesondert für die einzelnen
Wahlkreise. Die Listen werden von dem Bürgermeister und zwei von dem Gemeinde-
rat aus seiner Mitte zu bezeichnenden Mitgliedern aufgestellt und spätestens sechs Wochen
vor dem zur Wahl bestimmten Tage während einer Woche zu jedermanns Einsicht aus-
gelegt. Spätestens drei Tage vor dem Wahltag ist zur öffentlichen Kenntnis zu bringen,
wann und wo dies geschehen ist (§ 5 II).
Für die Entscheidung über Einwendungen gegen die Richtigkeit der Wählerliste
sind drei Instanzen gegeben. Zunächst sind berufen der Bürgermeister und die beiden
im § 5 Abs. 2 bezeichneten Gemeinderatsmitglieder, die nach Stimmenmehrheit inner-
halb fünf Tagen über die Einwendungen zu entscheiden haben. Gegen diese Ent-
scheidung kann innerhalb drei Tagen nach Zustellung der Entscheidung durch Erklärung
auf der Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts 14 Beschwerde eingelegt werden, über welche
das Amtsgericht ebenfalls innerhalb fünf Tagen zu entscheiden hat (§ 5 Abst. 4).
Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts steht schließlich den Beteiligten weitere Be-
schwerde an das Landgericht zu, welches endgültig entscheidet. Die Beschwerde ist in
diesem Falle in der Frist von drei Tagen nach Zustellung der Entscheidung auf der
16 Eine Zusamenstellung der in Betracht kommenden Delikte ist im Zentral= und Bezirks-
amtsblatt f. E.-L. 1911 Nr. 32 veröffentlicht. Im Ausland erfolgte Verurteilungen haben auf die
Wahlberechtigung nur dann Einfluß, wenn nachträglich von einem deutschen Gericht auf Grund des
§ 37 Str.G. B. auf den Verlust der Ehrenrechte erkannt ist. (VglAusführungsbestimmungen.)
11 Die Bestimmungen sind wörtlich dem R.G. v. 15. März 1909 (R.G.Bl. S. 319) ent-
nommen, welches dadurch die Zweifel, was als öffentliche Armenunterstützung zu erachten sei, gelöst
hat. Bgl. auch Rosenmeyer im Off. Arch. Bd. 24 S. 163.
15 Abgelehnt ist also das im Entwurf (Abs. II) vorgesehene Alterspluralwahlrecht, das
den Wahlberechtigten im Alter von mindestens 35 Jahren 2, im Alter von mindestens 45 Jahren
3 Stimmen einräumte.
ç 158 Wählbar find demnach, weil anderweitige Bestimmungen nicht entgegenstehen, auch die Mit-
glieder der Ersten Kammer, ferner diejenigen Personen, deren Wahlrecht auf Grund §§ 2 II (Militär-
personen), 2 V S. 1 (Wohnsitzklausel) u. 5 V.G. (Nichteintragung in die Wählerliste) ruht. Nicht
wählbar dürfte dagegen der Statthalter als Vollmachtgeber der Bundesratsbevollmächtigten sein.
(Val. hierzu Laband I1 S. 315.)
/ Diese Inanspruchnahme der ordentlichen Gerichte geschieht in bewußter Anlehnung an das
französische Recht, welches Statusklagen vor die ordentlichen Gerichte bringt.