122 Zweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. 8 32
IV. Die Wahl kann nur im ganzen für gültig oder ungültig erklärt werden; unzulässig
wäre es, weil Gesetzwidrigkeiten nur in einem bestimmten Abschnitt des Wahlverfahrens vorgekommen
find, oder weil sich dieselben auf einen Ort beschränkt haben, das Verfahren nur bezüglich dieses
Abschnittes oder dieses Ortes zu erneuern.
Die Entscheidung des Gerichts bezieht sich ferner nur auf die Person desjenigen, dessen Wahl
amtlich verkündet worden ist. Das Gericht kann nicht etwa den Gegenkandidaten als gewählt be-
zeichnen 1°.
Trotz des Einspruchsverfahrens ist der formell Gewählte einstweilen berechtigt, Sitzund Stimme
im Landtage auszuüben. Erst mit der Ungültigerklärung der Wahl, die ohne weiteres Rechtskraft
erlangt, fällt das Mandat hinweg 70.
§ 32. Die Voraussetzungen der Tätigkeit des Landtags. Der Landtag
darf sich nur versammeln und seine Tätigkeit beginnen, wenn er vom Kaiser berufen
und von ihm entweder persönlich oder durch einen Stellvertreter eröffnet ist. Die
Berufung der beiden Kammern erfolgt durch Kaiserliche Verordnung, die im Gesetzblatt
für E.-L. bekanntgemacht wird. Die Eröffnung erfolgt regelmäßig im Namen des
Kaisers durch den Statthalter und bei dessen Verhinderung durch den Staatssekretär.
Die Berufung des Landtages findet alljährlich zu der ordentlichen Sitzungsperiode
oder Session statt. Eine mehrmalige Einberufung des Landtags in einem Jahre ist
zwar im Verfassungsgesetz nicht vorgesehen, dürfte aber, ähnlich wie beim Reichstag!
auf Grund allgemeinen Gewohnheitsrechtes anzunehmen sein. Man unterscheidet dem-
zufolge ordentliche und außerordentliche Sessionen. Der Termin zum Beginne einer
Session wird jeweils durch Kaiserliche Verordnung bestimmt.
Auch die Vertagung und Schließung der Kammern steht dem Kaiser zu. Gegen
den Willen des Kaisers darf der Landtag daher weder versammelt bleiben noch seine
Tätigkeit irgendwie fortsetzen (§ 11 V. G.). Durch die Schließung wird die gesamte
Tätigkeit der Kammern beendet; sind Geschäfte nicht erledigt worden, so dürfen sie
nicht einfach in der nächsten Session wieder aufgenommen werden, sie sind vielmehr
wieder wie neue von vorne zu behandeln. Man nennt dies das Prinzip der Dis-
kontinuität. Es bezieht sich dies auch auf die einzelnen Kommissionen, die nach
Schluß der Session ihre vorberatende Tätigkeit nicht fortsetzen können (Laband 1 342).
Durch die Vertagung wird dagegen die Kontinuität der Landtagsgeschäfte nicht unter-
brochen; die Geschäfte sind nur bis zum Wiederzusammentritt des Landtags gehemmt
und werden an dem Punkte wieder aufgenommen, wo sie liegen geblieben sind. Eine
von vornherein bestimmte Dauer der Vertagung braucht nicht angegeben zu werden,
indessen darf sie ohne Zustimmung des Landtags die Frist von 30 Tagen nicht
übersteigen und außerdem während derselben Sitzungsperiode nicht wiederholt werden.
Ist die Vertagung auf bestimmte Zeit erfolgt, so bedarf es einer neuen Einberufung
nicht 2. Während der Vertagung können die Kommissionen Sitzungen abhalten .
Beide Kammern werden gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und geschlossen.
Die Auflösung der Kammern kann ebenfalls nur durch den Kaiser erfolgen #. Auch
die Erste Kammer kann, weil sie teilweise durch Wahlen gebildet wird, aufgelöst
werden, und es verlieren in diesem Falle nicht nur die gewählten, sondern auch die
vom Kaiser ernannten Mitglieder die Mitgliedschaft. Die Auflösung bildet das Ende
der Legislaturperiode und macht daher Neuwahlen notwendig. Dieselben müssen so
½ So auch Heim, S. 78. Eine Abweichung von diesem Grundsatz ist nur insofern zuzu-
lahen, als s sich bei der Feststellung des Wahlergebnisses (Rechenfehler!) um ein formales Vesseten
gehandelt hat.
rAn . Stn% Laband I 341 bezüglich des Reichstages, ferner G. Meyer § 130 N. 6, Seydel
(§ 32) 1 Laband I S. 342.
2 Eine auf bloßen Kammerbeschluß erfolgte „Vertagung“ Einausschiebung) z. B. von einem
Tag auf den andern, ist keine Vertagung im formellen Sinne. Laband, u. a. O., Arndt, R. V.,
zu Art. 26. Ohne Genehmigung des Kaisers darf der Landtag nicht auseinandergehen.
2 Aus den Geschäftsordnungen ersibt sich nichts Gegenteiliges; vgl. Laband 1 343 N. 2.
Sie geschieht durch kaiserliche Verordnung, und zwar — im Gegensatz zur aiufleh des
Reichstags — ohne Zustimmung des Bundesrats. Die Auflösung der einen Kammer hat für die
andere den Schluß der Sitzungsperiode zur Folge.