Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

8 33 Die formelle Ordnung der Landtagsgeschaͤfte. 131 
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beschränken sich nicht auf die augenblicklich verhandelte Materie, aber sie müssen gerade 
infolgedessen der Regierung vorher mitgeteilt und von ihr genehmigt sein. Sie werden 
entweder zu Beginn oder zu Ende der Sitzung verhandelt, und es haben nur der Frage- 
steller und der Befragte das Wort. 
III. Nach 8 16 III V.G. hat ferner jede Kammer das Recht, an sie gerichtete 
Petitionen der Regierung zu überweisen. Dieses Recht der Kammern ist wohl zu 
unterscheiden von der an keinerlei Voraussetzungen geknüpften Befugnis jedes einzelnen 
Staatsbürgers, Petitionen an eine der Kammern zu richten; diese der natürlichen Hand- 
lungsfähigkeit des Menschen entspringende Befugnis ist indessen kein subjektives Recht des 
Einzelnen 26. Was Gegenstand der Petition sein kann, ist nicht näher bestimmt; es 
kommen also alle Einzel= wie öffentlichen Interessen in Frage, doch wird man grund- 
sätzlich nur Landes angelegenheiten zulassen können. Es muß aber jedenfalls der 
ordentliche Instanzenzug bei den zur Zuständigkeit (der Verwaltung) gehörigen An- 
gelegenheiten erschöpft sein; rechtshängige Sachen dürfen überhaupt nicht zum Gegen- 
stand neuer Petitionen gemacht werden. 
IV. Ein Recht, bei der Instruierung der Bundesratsbevoll- 
mächtigten mitzuwirken, kommt dem Landtag nicht zu. Eine solche Mitwirkung 
könnte auch nicht durch Gesetz zur Vorbedingung der Gültigkeit der Abstimmung im 
Bundesrat gemacht werden. Dagegen bietet das System der Ministerverantwortlichkeit dem 
Landtag eine gewisse Handhabe, auf die Instruktion der Bundesratsbevollmächtigten Ein- 
fluß zu gewinnen, da die Regierung damit rechnen muß, daß sie nachträglich auf Grund 
einer Interpellation über die Instruierung und über die Gründe derselben Aufschluß 
zu geben hat 7. 
E. Die parlamentarische Immunität. 
Kein Mitglied einer Kammer kann ohne deren Genehmigung während der Sitzungs- 
periode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder 
verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächst- 
folgenden Tages ergriffen wird (§ 21 I V. G.). Es handelt sich hier um eine rein 
strafprozessuale Vorschrift 23s, die nur während der Dauer der Sitzungsperiode 2° Geltung 
beanspruchen kann. Solange die Strafverfolgung auf Grund des & 21 nicht begonnen 
oder fortgesetzt werden kann, ruht die Verjährung so. 
Die Genehmigung ist erforderlich, falls der Abgeordnete zur Untersuchung gezogen 
oder verhaftet werden soll. Der Begriff der Untersuchung ist hier weiter auszudehnen 
als nach der Str. P.O.; es gehören hierher alle Maßnahmen der zuständigen Behörde, 
die die Feststellung des Täters und des Tatbestands der strafbaren Handlung betresfen 31; 
weiterhin aber auch nicht bloß Straf-, sondern auch Disziplinaruntersuchungen. Wird 
der Abgeordnete bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden Tages 
ergriffen, so ist keine Genehmigung, auch keine nachträgliche, erforderlich 533; ebensowenig 
zur Fortsetzung einer vor Beginn der Sitzungsperiode eingeleiteten Untersuchung. In- 
S. 125. Die Umwandlung solcher questlons in Interpellationsrecht ist durch parlamentarisches 
Gewohnheitsrecht genau vorgeschrieben. 
Bgl. auch Wagner, Das formelle Recht des Reichstags, in Annal. 1906 S. 42 f. 
tigten v14 g A. Kalisch, Die Landtage und die Instruierung der Bundesratsbevollmäch- 
28 Die zivilprozessualen Bestimmungen des Art. 31 R.V. find weggelassen, weil die C.P.O. 
selbst einen ausreichenden Ersatz bietet. 6 
Die Vorschrift des § 21 V. G. beschränkt sich richtiger Ansicht nach (G. Meyer-Anuschütz 
S. 341; Heim S. 102; Schulze S. 82) auf Elsaß-Lothringen; andere als els.-lothr. Gerichte sind 
#n calfti. grhunden: denn eine allgemeine, die Kammern der Bundesstaaten betreffende einheitliche 
29 D. h. für den Zeitraum zwischen der Eröffnung und Schließung der Kammer. Während 
einer Vertagung dauert die Sitzungsperiode noch fort. Laband I S. 358; vgl. dagegen R. G. 
(Str.) v. 25. Febr. 1892; Reger 12 S. 328. 
20 § 69 Str.G.B.: Ges. v. 26. März 1893 (R.G. Bl. S. 133). 
31 Vgl. R.G. E. (Str.) 24 S. 206. Z. B. Haussuchung, Zustellung einer Privatklage, dagegen 
nicht das Vorbereitungsverfahren, soweit es die Person des Abgeordneten aus dem Spiele läßt. 
G. Meyer-Anschütz S. 455 N. 11. 
2322 G. Meyer-Anschütz S. 455; Seydel, Komm., Bem. III 2 zu Art. 31 R.V. 
9“
	        
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