132 Zweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. * 34
dessen greift im letzteren Falle ergänzend die Vorschrift des § 21 Abs. 2 V. G. ein.
Danach wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied einer Kammer sowie jede Unter-
suchungshaft für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben, wenn es die Kammer ver-
langt. Die Kammer muß also aus eigenem Entschluß die Unterbrechung des Straf-
verfahrens verlangen 38.
Durch einen Verzicht des Abgeordneten auf seine prozessualen Privilegien kann
die Vorschrift des § 21 V.G. nicht umgangen werden.
Auf die Festnahme eines Abgeordneten zwecks Vollstreckung einer rechtskräftig
erkannten Strafe findet die Vorschrift des § 21 V. G. keine Anwendung, da hier nicht
eine „mit Strafe bedrohte Handlung in Frage kommt s"“; aus dem gleichen Grunde
kann auch nicht eine Unterbrechung der Strafhaft gem. § 21 II V. G. verlangt
werden 55.
F. Die Diäten der Abgeordnetens sind geregelt durch Gesetz vom 16. Juli
1912 (G.Bl. S. 90). Danach erhalten die Mitglieder des Landtags: a) für die Dauer
einer Sitzungsperiode, in welcher der Landeshaushaltsetat vorgelegt wird (ordentliche
Sitzungsperiode) eine Entschädigung, die für die Mitglieder der Ersten Kammer
1250 Mk., für die Mitglieder der Zweiten Kammer 2500 Mk. beträgt. Die Ent-
schädigung ist je bei Ablauf eines Monats, mit dem Tage der Eröffnung des Landtags-
beginnend, in höchstens drei Beträgen von 300 bzw. 600 Mk. und am Schlusse der
Landtagsperiode mit dem Reste zahlbar; b) bei Beginn und am Schlusse der Sitzungs-
periode, bei einer Vertagung sowie für Reisen, die durch Geschäfte im Interesse des
Landtags veranlaßt find, Vergütung der Reisekosten mit 14 Mk. Tagegeld, 6 Mk.
Übernachtungsgeld und mit Fuhrkosten (§ 1).
Tritt ein Mitglied während einer Sitzungsperiode neu in den Landtag ein, so
erhält es einen verhältnismäßigen Teil der Entschädigung (§ 3). Bei sogenannten
Doppelmandaten, d. h. wenn ein Mitglied gleichzeitig Reichstagsabgeordneter ist.
erhält das Miiglied für diejenige Zeit der Sitzungsperiode des Landtags, während
deren der Reichstag nicht versammelt ist, einen verhältnismäßigen Teil der Ent-
schädigung, auf die es Anspruch gehabt haben würde, wenn es nicht auch dem Reichs-
tag angehört hätte (§ 4). Für jeden Tag, an dem ein Mitglied des Landtags der
Plenarsitzung ferngeblieben ist, wird ein Betrag von 20 Mk. von dem nächstfälligen
Entschädigungsbetrag in Abzug gebracht (8 5).
Die Präsidenten der beiden Kammern erhalten eine besondere jährliche Ent-
*5 von je 3000 Mk., die in höchstens vier Beträgen von je 750 Mk. zahlbar
ist (6 8).
Neunter Abschnitt. Die Landesgesetzgebung.
34. Geschichtlicher Überblick!. Man kann in der Entwicklung des Ganges der Gesetz-
gebung in E.-L. sechs Abschnitte unterscheiden. Der erste beginnt mit der Okkupation bes Landes
durch die deutschen Truppen und dauert bis zum Präliminarfrieden von Versailles Srn
Die Gesetzgebung wurde hier durch den „Generalgouverneur im Elsaß“ ausgeübt. Ein Erlaß vom
9. September 1870 (Möller-Samml. Bd. III S. 10) regelte die Verkündung und das Inkrafttreten
der Verordnungen des Generalgonverneurs. Die Verkündung erfolgte in den „Amtlichen Nach-
richten für das Generalgouvernement Elsaß"“, die vom 19. Oktober gleichen Jahres ab unter dem
33 Die Durchsetzung dieses Verlangens erfolgt dann auf Veranlassung der Regierung.
2" Laband 1 S. 358.
75 Weitere Bestimmungen zum Schutze des Abgeordneten sind enthalten in §§ 106, 339 II
Str. G. B. Die Zuwiderhandlung gegen § 21 V.G. ist nach § 341 Str.G.B. strafbar.
Über die Vernehmung von Mitgliebern des Landtets als Zeugen vgl. 88 49, 72 Str. P. O.,
§§ 382, 402 C. P.O., §8 207 II, 208 1 Mil. Str. P. O. — Uber die Berufung zum Amt eines Schöffen
oder Geschworenen §§8 35 Z. 1, 85 II G. V.G.
36 Dieselben sind nicht steuerpflichtig. Vgl. bezüglich der Reichstagsdiäten D.J.Z. 1906 S. 871.
(§34]) 1 Vgl. zum Folgenden: Rosenberg, Reichsgesetze und Landesgesetze in E.-L. (Annal. 1899);
E. Meyer, Staatsgewalt und Gesetzebung in E.-L., in Annal. 1896; G. Jaeckel, Die staats-
rechtliche Natur der Gesetze in E.-L., Diss. 1912.