Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

154 Dritter Teil. Die Selbstverwaltungskörper. 8 39 
  
In den großen Gemeinden wird der Bürgermeister auf Grund eines Vor- 
schlags des Gemeinderats durch landesherrliche Verordnung ernannt (§ 10 Gemeinde- 
ordnung). DTer Vorschlag erfolgt auf Grund ciner in geheimer Wahl getroffenen Ab- 
stimmung, die allenfalls wiederholt werden muß, falls der Regierung der gewählte 
Kandidat nicht genehm ist. Nimmt der Gemeinderat eine zweite Wahl vor, und wird 
auch der hierbei Vorgeschlagene nicht ernannt, oder schlägt der Gemeinderat von 
neuem die durch die erste Wahl bezeichnete Person vor, oder lehnt es der Gemeinderat 
überhaupt ab, einen Vorschlag zu machen, so ist das Ministerium befugt, einen 
Bürgermeistereiverwalter zu ernennen. Derselbe wird auf längstens ein Jahr 
ernannt, die Ernennung kann aber wiederholt werden. Das Amt des Verwalters ist 
ein Provisorium, es endigt mit der Ernennung eines Bürgermeisters. Im übrigen 
hat der Verwalter alle Rechte und Pflichten eines Bürgermeisters". In den kleinen 
Gemeinden werden Bürgermeister und Beigeordnete aus der Zahl der Gemeinderats- 
mitglieder durch den Bezirkspräsidenten ernannt (§ 11). Ausnahmsweise 
kann auch eine dem Gemeinderat nicht angehörige Person durch das Ministerium 
ernannt werden, dieselbe soll aber in der Regel aus den wahlberechtigten Einwohnern 
der Gemeinde entnommen werden. 
Die persönlichen Voraussetzungen zur Erwerbung des Bürgermeisteramts sind, 
abgesehen von dem für jeden Amtsträger vorgeschriebenen Besitz der bürgerlichen Ehren- 
rechte, nur die Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres; weder der Wohnsitz 
in der Gemeinde, noch die Reichs= oder Staats-(Landes-pangehörigkeit 5, noch die 
Eintragung in die Wählerliste oder in die Liste der zur Entrichtung direkter Staats- 
steuern Veranlagten kann verlangt werden. 
Mit gewissen öffentlichen Antern ist das Amt des Bürgermeisters insofern un- 
vereinbar, als der Gewählte zwischen dem Bürgermeisteramt und dem bisher bekleideten 
Amt zu wählen hat 6. Es sind namentlich Beamte und Mitglieder von Behörden, die 
entweder eine gewisse staatliche Aufsicht über die Gemeindeverwaltung ausüben, oder die 
in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnisse zur Gemeinde stehen, nämlich die Beamten 
der direkten Gemeinde-Aufsichtsbehörden, z. B. Kreisdirektoren, Bezirkspräsidenten usw., 
die von der Gemeinde bestellten Gemeindebeamten, ohne Rücksicht darauf, ob sie be- 
soldet sind oder nicht, die Mitglieder der ordentlichen Gerichte und der Staatsanwalt- 
schaft, mit Ausnahme der Handelsrichter und der Ergänzungsrichter, die Beamten der 
Forstverwaltung und die Rentmeister, die Beamten der Reichseisenbahnverwaltung, die 
im Amte befindlichen Religionsdiener und die Lehrer an öffentlichen Elementarschulen, 
schließlich die Polizeibeamten und die Gendarmen. Ferner sind gewisse nahe Verwandt- 
schafts= und Schwägerschaftsgrade zwischen Bürgermeister und Beigeordneten ausgeschlossen. 
Schließlich kann niemand gleichzeitig Bürgermeister oder Beigeordneter in mehreren 
Gemeinden sein. 
Während nach französischem Recht das Amt des Bürgermeisters ein un- 
besoldetes Ehrenamt war, hat die Gemeindeordnung von diesem grundsätzlich 
festgehaltenen Prinzip Ausnahmen zugelassen (Gemeindeordnung § 14). Der Gemeinde- 
rat kann nämlich (eventuell unter Zuziehung der Höchstbesteuerten) die Stelle des 
Bürgermeisters mit einer angemessenen Besoldung ausstatten; auch kann das Ministerium 
nach Anhörung des Gemeinderals eine Besoldung festsetzen für die Bürgermeisterei- 
verwalter der großen Gemeinden und die Bürgermeister derjenigen kleinen Gemeinden, 
die mindestens 2000 Einwohner zählen 7. Die anläßlich der Amtsführung entstandenen 
baren Auslagen sind auch dem unbesoldeten Bürgermeister auf alle Fälle zu ersetzen 
(* 14 I Gemeindeordnung). 
  
4 Analoge Vorschriften gelten für Beigeordnete. 
5 Durch die Ernennung zum Bürgermeister erwirbt allerdings der Betreffende ohne weiteres 
die Reichs-- bzw. Staats- (Landes-) Angehörigkeit. § 9 Ges. v. 1. Juni 1870. · 
* Die Ernennung eines derartigen Beamten ist also nicht ohne weiteres nichtig. Leoni- 
Mandel S. 57 N. 2. 
!7 F84 Abs. 3 u. 4 Gem.O. Die Erhöhung der Dienstbezüge der Bürgermeister durch den 
Gemeinderat unterliegt (auch in den kleinen Gemeinden) der Genehmigung des Bezirkspräsidenten. 
§* 75 Ziff. 8 Gem. O.
	        
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