156 Dritter Teil. Die Selbstverwaltungskörper. 8 40
Bürgermeister (Gemeindeordnung §§ 9—15). Ihre Aufgabe ist eine doppelte: Einmal
sind sie die gesetzlichen Vertreter des Bürgermeisters in Verhinderungsfällen, und ferner
haben sie den Bürgermeister in seiner Amtsführung zu unterstützen. Die Reihenfolge,
in der die Beigeordneten den Bürgermeister vertreten, kann von der die Ernennung
vollziehenden Behörde bestimmt werden; wird von dieser Befugnis kein Gebrauch ge-
macht, so bestimmt der Bürgermeister die Vertretung. Sind Bürgermeister und Bei-
geordnete gleichzeitig verhindert, so wird der Bürgermeister durch ein von ihm zu be-
zeichnendes Mitglied des Gemeinderats vertreten. Die Beigeordneten üben die ihnen
zustehenden und übertragenen Befugnisse unter eigener Verantwortlichkeit aus, sind aber
an dienstliche Anweisungen des Bürgermeisters gebunden 16.
§ 10. Der Gemeinderat. A. I. Er ist das zur Wahrung der gemeindlichen
Interessen berufene Organ, aber weder ein „Vertreter“ der Gemeinde, noch der Ge-
meindemitglieder; er ist auch keine Behörde, vielmehr eine politische Körperschaft,
ähnlich dem Bezirkstag, Landtag, die aus Wahlen hervorgeht 1.
Die Wahlen zum Gemeinderat erfolgen nach allgemeinem, gleichen, direktem
Wahlmodus (§ 32 Gemeindeordnung).
1. Wahlberechtigt sind alle männlichen über fünfundzwanzig Jahre alten
Gemeindebewohner, die die Reichsangehörigkeit besitzen und seit mindestens drei Jahren
in der Gemeinde ihren Wohnsitz haben. Ein Wohnsitz von einjähriger Dauer genügt,
sofern der Wahlberechtigte gleichzeitig ein Wohnhaus in der Gemeinde besitzt oder ein
stehendes Gewerbe oder Landwirtschaft selbständig betreibt oder ein öffentliches Amt
ausübt oder Religionsdiener, Lehrer an öffentlichen Schulen oder Rechtsanwalt ist 2.
Die Wahlberechtigung ruht für die aktiven Militärpersonen, mit Ausnahme der
Militärbeamten 3.
2. Ausgeschlossen vom Wahlrecht sind (§ 30 III): entmündigte Personen;
Personen, über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet ist, während der Dauer
desselben sowie auf die Dauer von fünf Jahren nach Beendigung desselben, sofern
nicht der Gemeinschuldner durch einen Beschluß des Landgerichts die Rehabilitation
erwirkt hat"“; für Personen, die eine Armenunterstützung aus öffentlichen oder Ge-
meindemitteln beziehen oder in dem letzten, der Wahl vorhergegangenen Jahre bezogen
haben?; für Personen, welche mit der Bezahlung der Gemeindeabgaben für die letzten
beiden Rechnungsjahre im Rückstand sind"; für Personen, welche wegen eines Ver-
gehens oder Verbrechens, das die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge
haben kann, zu einer Zuchthaus= oder Gefängnisstrafe rechtskräftig verurteilt worden
1s Leoni-Mandel S. 59. Welchen D⅝ FSa Bürgermeister dem Beigeordneten über-
trägt, ist seinem freien Ermessen überlassen die Übertragung der durch die Staetsgewalt
delegierten Funktionen (z. B. Polizei) an den Beigeordneten ist möglich, ferner die lbertragung
räumlich abgegrenzter Funktionen, was z. B. für die Verwaltung von Ortschaften, Annexen wichtig ist.
G.ühr 1 Ist vie Jahlz der Wahlberechtigten geringer als 21, so bilden fämtliche Wahlberechtigte den
emeinderat. 29 II Gem.O.; vgl. auch § 27 der Wahlordnung. Sonst eichiet sich die Zahl der
Mitglieder us der Größe der Vevölkerung. Sie bewegt sich zwischen 10 und 86; tritt eine wesent-
liche Anderung der Bevölkerungsziffer ein, und wird dadurch an sich eine Vermehrung bzw. Ver-
minderung der Mitgliederzahl G#iferrein so tritt diese nicht sofort, sondern erst nach Ablauf der
iee Amtsperiode ein. Vgl. die Wahlordnung für die Gemeinderatswahlen v. 28. Dez. 1895.
iteigentum an einem Wohnhaus genügt nicht. (Leoni-Mandel S.ö9 N. 9.) Söhendes
Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung ist sedes Gewerbe, das nicht im Umherziehen ausgeübt wird.
Ob die Landwirtschaft als Eigentümer der Grundstücke oder als Pächter betrieben wird, ist gleich-
gültig. Der Beari des öffentlichen Amtes ist weiter als derjenige des Beamten. Es kommen nicht
nur Reichs-, Landes-, Bezirks-, Kreis-, Gemeindebeamte, sondern auch die als Organe öffentlicher
Anstalten tätigen Personen (z. B. Armenratsmitglieder) in Betracht. Ausf.Best. zu § 30 Ziff. 3
Gem.O. Auch die Vorstandsmitglieder einer Sparkasse gehörten früher (Kais. Rat Nr. 356), und
jetzt erst recht htcrh r.
. v. 2. Mai 1874 0 u. 38.
“ ### C. P. O. v. 13. Nov. 1899 (G.Bl. S. 157). über die Klage auf Aufnahme in
die Wählerliste vgl. O.L.G. Colmar v. 22. Febr. 1908, En »l. Z. 34 S.
Bezüglich des Begriffs der Armenunterstützung vgl. Ausf. Best. 4 30 Nr. 5.
vr 156. Das laufende kommt nicht in Betracht. Leoni-Mandel S. 60 Nr. 6:; Kais. Rat
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