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Sind regelmäßige Sitzungstage vorgesehen, so kann von der besonderen Berufung
der einzelnen Mitglieder abgesehen werden; die Tagesordnung muß aber auch hier in den
obenbezeichneten Fristen mitgeteilt werden (§ 47 III Gem.O.). Der Gemeinderat ist befugt,
die Erledigung seiner Geschäfte durch eine Geschäftsordnung zu regeln (§52 Gem.O.)ss.
Die Sitzungen des Gemeinderats sind nicht öffentlich (§ 48) 34. Es können
aber mit Genehmigung des Gemeinderats Berichte über die gefaßten Beschlüsse ver-
öffentlicht werden; ferner steht es jedem steuerpflichtigen Einwohner der Gemeinde zu,
Kenntnis von den Beschlüssen des Gemeinderats an Ort und Stelle zu nehmen und
sich Abschriften davon anzufertigen (§ 51 II Gem.O.). Man hat aus diesen und
anderen Umständen neuerdings gefolgert, daß der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der
Gemeinderatssitzungen nicht zwingenden Rechts sei, daß vielmehr mit Zustimmung des
Gemeinderats davon abgewichen werden könne; man wird diesem Standpunkte eine gewisse
Berechtigung nicht versagen können.
Die Verhandlungen sind in deutscher Sprache zu führen; nur in den Gemeinden,
in welchen die französische Sprache als amtliche Geschäftssprache weiter gestattet ist 35,
oder wo eine besondere Erlaubnis des Ministeriums vorliegt, sind Ausnahmen zulässig é.
Der Gemeinderat ist beschluß fähig, wenn mehr als die Hälfte der im Amte
befindlichen Mitglieder anwesend ist (§ 49 1). Die erforderliche Zahl der Mitglieder
ist bei jeder Beschlußfassung ausdrücklich durch den Sitzungsbericht festzustellen. Bürger-
meister und Beigeordnete werden hierbei nicht mitgerechnet, da sie nicht Gemeinderats-
mitglieder sind. Soll bloß verhandelt werden, so ist eine bestimmte Mitgliederzahl
nicht vorgeschrieben. Von diesen Grundsätzen gelten zwei Ausnahmen: 1. wenn der
Gemeinderat zum zweitenmal zur Verhandlung über denselben Gegenstand unter dem
ausdrücklichen Hinweis hierauf berufen worden ist (§ 49 Abs. 2 Nr. 1 Gem.O.);
2. wenn die Beschlußunfähigkeit dadurch herbeigeführt ist, daß die Hälfte oder mehr
als die Hälfte der Mitglieder des Gemeinderats bei den Angelegenheiten, die zur Be-
ratung oder Beschlußfassung stehen, in eigener Sache oder als Bevollmächtigte ein
Interesse haben (§ 49 Abs. II Ziff. 2 Gem.O.) 7.
Alle Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefaßt. Der Bürgermeister hat
volles Stimmrecht auch dann, wenn er nicht zum Gemeinderatsmitglied gewählt ist.
Er oder der ihn vertretende Beigeordnete gibt bei Stimmengleichheit den Ausschlag 88.
Die Stimmabgabe muß persönlich erfolgen, eine Vertretung durch ein anderes
Gemeinderatsmitglied ist ausgeschlossen 37. Auf Verlangen von mindestens vier
Gemeinderatsmitsgliedern muß geheim abgestimmt werden (§ 50 II Gem O.).
Den Vorsitz im Gemeinderat führt der Bürgermeister oder sein gesetzlicher Ver-
treter (Beigeordneter oder Gemeinderatsmitglied). Er handhabt die Ordnung in der
Sitzung (§ 50) und eröffnet und schließt die Sitzung. Die Verhandlungen über die
Prüfung der Jahresrechnung finden unter dem Vorsitz eines von dem Gemeinderat zu
wählenden Mitgliedes statt; denselben kann der Bürgermeister zwar beiwohnen, er muß
sich jedoch vor der Beschlußfassung zurückziehen (§ 68).
23 Die Aufsichtsbehörde pal hierbei kein Mitwirkungsrecht. Die Bestimmungen der Geschäfts-
ordnung müssen sich nur im gesetzlichen Rahmen halten. Die Disziplinarbefugnisse des Vorsitzenden
können z. B. nicht über den Rahmen des § 62 Gem.O. hinaus ausgedehnt werden. Nelken S. 72
Anm. 2; Bruck I S. 296.
3. Dadurch ist aber nicht ausgeschlossen, daß gewisse Aufsichtsbeamte, z. B. der Kreisdirektor,
die Beigeordneten, Schriftführer Fowie Gemeindebeamten (die drei letztgenannten Gruppen auf An-
ordnung des Bürgermeisters der Gemeinderatssitzung beiwohnen. Vgl. Ausf.Best. 8§ 51, 50 1 Gem.O.
au Die Zulassung, der Pressevertreter ist namentlich in größeren Städten neuerdings durch die Praxis
allgemein gebilligt.
35 § 4 Gs. v. 31. März 1872 (G. Bl. S. 159). 36 § 48 II Gem.O.
37 Eine Verstärkung des Gemeinderats wird erforderlich für die Fälle des Hinzutritts der
Höchstbesteuerten. Vgl. oben S. 157; § 44 Gem.O. »
38 § 50 Abs. 2 Gem. O. Nelken S. 72 N. 1 gibt dem Beigeordneten nur Stimmrecht, wenn
er Gemeinderatsmitglied ist; dagegen richtig Bruck 1 S. 301 Nr. 5: es entscheidet der Umstand,
daß der Beigeordnete in dem genannten Falle der Vorsitzende ist.
29 Auch die Abstimmung des nicht versammelten Gemeinderats durch Unterzeichnung eine
Zirkulars ist ausgeschlossen. Halley S. 140 N. 1: Bruck I1 S. 301.
Fischbach, Elsaß-Lothringen. 11