172 Dritter Teil. Die Selbstverwaltungskörper. 8 43
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erforderliche Deckung fehlt (§ 17 Gemeindeordnung), und schließlich in der Notwendig-
keit der staatlichen Genehmigung von Beschlüssen des Gemeinderates, die die Erhebung
von Steuern und die Aufnahme von Anleihen unter bestimmten Voraussetzungen zum
Gegenstande haben.
Über alle Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde hat grund-
sätzlich der Gemeinderat zu beschließen (§ 55 Gemeindeordnung).
A. Die eigenen Einnahmen? der Gemeinden zerfallen in ordentliche und
außerordentliche, je nachdem sie periodisch wiederkehren oder nicht.
Abgesehen von den ihr als Trägerin privaten Vermögens zufließenden Ein-
künften, verschafft sich die Gemeinde Einnahmen durch Erhebung von Gebühren und
Steuern.
Die Gebührenerhebung erfolgt für die Benutzung von Gemeindeanstalten und
-einrichtungen 3; es wird also im Gegensatz zu den Steuern von der Gemeinde hierbei
eine wirtschaftliche Gegenleistung geboten.
Steuern erhebt die Gemeinde auf zweierlei Weise, einmal in der Form von
Zuschlägen zu den Staatssteuern und dann als selbständige Gemeinde-
steuern.
I. Die Steuerzuschläge werden vom Gemeinderat beschlossen"; der Ge-
meinderatsbeschluß bedarf der Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde, sobald
die Zuschläge ein Drittel des Gesamtbetrages (des Prinzipals ohne Zuschläge) der
Staatssteuern (33½/3%) übersteigen, ferner der Genehmigung des Bezirkspräsidenten.
wenn sie den ganzen Betrag (100 %) überschreiten (§ 75 Gemeindeordnung).
Der Betrag der Zuschläge wird durch Vermittlung der Gemeindeaussichtsbehörde
dem Direktor der direkten Steuern mitgeteilt Cé. Die Erhebung der Zuschläge geschieht
gleichzeitig mit derjenigen der Staatssteuern durch den Rentmeister?7, welcher dieselben
gesammelt an die Gemeindekasse abführt. Die Veranlagung und Beitreibung der Zu-
schläge erfolgt nach den für die Staatssteuern geltenden Regeln S8. Nach § 59 Ge-
meindeordnung (in Verbindung mit § 29 III des Gesetzes vom 13. Juni 1901) sind
die Gemeinden mit Oktroi berechtigt, die für die Landeskasse und den Bezirk veranlagten
Steuerbeträge der untersten Stufen bis zum Betrage von 1300 Mk. auf das Oktroi zu
* Im — zu den Zuschüssen und Dotationen. Eine weitere Unterscheidung ist diejenige,
ob die Einnahmen auf privatrechtlichem oder öffentlich-rechtlichem Titel beruhen. Auch die auf privat-
rechtlichem Titel beruhenden Einnahmen können wieder ordentliche oder außerordentliche (z. B. Ein-
nahmen aus Miete und Pacht oder Schenkungen, letztwillige uwendungen) sein.
3 Hierher gehören Standgelder auf Märkten und in Markthallen und sonstige Platzgelder,
Gebühren für die Benutzung von Meß= und Wägeanstalten (Dekr. v. 7. brum. IX, Ges. v. 29., flor. ),
für Faßeichungen (Ges. v. 29. Dez. 1874), S lachthausgebühren (Dekr. v. 1. Aug. 1864) die Ge-
bühren für Lagerung und Stapelung auf öffentlichen Straßen, an Flüssen, Hchen und anderen
öffentlichen Orten (Gem.O. 1 76 Nr. 10 u. 11), zwei Drittel der Gebühren für Grabstätten auf
Kirchhöfen (Ord. v. 6. Dez. 1843 Art. 3), Fähr= und Brückenabgaben (Ges. v. 14. flor. X Art. 9,
Genehmigung der Karife durch Kaiserl. v. Statthalter zu vollziehende Verordn.), Schulgeld (Ges. v.
29. März 1889 § 5 Abs. 2), für Verlegung und Aussertigungen aus dem Zivilstandsregister (§ 70
Pers. Ges. v. Febr. 1875), Baugebühren (§ 75 Nr. 10 Gem. O.), Beiträge für die Anlegung neuer
Straßen (Ges. v. 21. Mai 1879 § 4) usw. "
4 Soweit sie nicht im Wege der Zwangsetatifierung angeordnet find. § 73 Gem.O.
6 Die direkten Staatssteuern, zu denen Zuschläge erhoben werden können, find die Grund-
und die Gebäudesteuer. Auch zu den Bergwerkssteuern können Zuschläge erhoben werden mit der
Maßgabe, daß dieselben den Betrag der Bergwerkssteuern nicht überschreiten (Art. I § 5 II Ges. v.
2. Nov. 1896 (G. Bl. S. 77]; vgl. die Gesetze von 1908 u. 1913). Hauptsächlich und uneingeschränkt
erfolgen die Zuschläge zu der Kapital- (Ges. v. 13. Juli 1901 § 35) und zu der Lohn- und Be-
soldungssteuer (§ 29 I Ges v. 13. Juli 1901). Vgl. im einzelnen Bruck I S. 321 f. Bezüglich
der Gewerbesteuer vgl. § 40 Gewerbesteuergesetz v. 8. Juli 1896.
4 Bek. v. 11. Aug. 1896 (Zentr. Bl. S. 193); vgl. ferner Ausf. Best. v. 8. Juli 1902 Art. 9.
! Val. Anweis. v. 14. Okt. 1903 (Zentr Bl. S. 171).
#8 Val. O. L. G. Colmar v. 14. Febr. 1906, Els.l. Z. 32 S. 22. Der Rechtsweg ist nur be-
züglich der indirekten Abgaben zulässig. O.-L.G. Colmar v. 2. Mai 1906, Els.-I. Z. 32 S. 189.
Durch § 8 des Freizügigkeitsgesetzes v. Fr w%% 1% ist bestimmt, daß Neuanziehenden die Gemeinde-
zuschläge wieder zurückerstattet werden müssen, wenn fie sich nicht über drei Monate in der Gemeinde
aufgehalten haben.