178 Dritter Teil. Die Selbstverwaltungskörper. §* 43
Durch § 13 des Zolltarifgesetzes vom 25. Dez. 1902 (N.G. Bl. S. 303) sind diese Bestimmungen
jedoch aufgehoben worden und zwar mit Wirkung vom 1. April 1910 ab; Abgaben auf Getreide,
Hülsenfrüchte, Mehl und andere Mühlenfabrikate, Backwaren, Bieh, Fleisch, Fleischwaren und Fett
dürfen nicht mehr erhoben werden 36; dadurch find die meisten und wichtigsten Gegenstände, welche
bisher unter das Oktroi fielen, dem Besteuerungsrecht der Gemeinden entzogen worden.
Zugunsten des Reichsfiskus ist durch § 3 des Reichsbesteuerungsgesetzes vom 15. April
1911 bestimmt, daß die Gemeinden das Reich weder zu Realsteuern vom Grundbesitz noch zu
indirekten Steuern, die auf den Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken und diesen gleich-
stehenden Rechten gelegt werden, noch zu Abgaben von Malz und Bier heranziehen dürfen; auch
durch diese Vorschrift ist eine ganz beträchtliche Einschränkung der oktroipflichtigen Gegenstände
herbeigeführt worden ?7.
J) Die Oktroibeamten sind Gemeindebeamte ?s, die vom Bürgermeister ernannt werden
und unter dessen Disziplinargewalt stehen. Außerdem find fie auch dem Direktor der indirekten
Steuern, welchem auch die allgemeine Aussicht über die Erhebung und Verwaltung aller Oktrois
übertragen ist (Gem.O. § 25, Ges. v. 28. April 1816 Artt. 155.—156), insoweit unterstellt, als sie
wegen ungehöriger Verwaltung des Amtes entlassen werden können (55 18, 27 Gem.O.). Oktroi-
einnehmer und direktoren kleiner Gemeinden müssen von der Aufsichtsbehörde bestätigt werden (§ 25
Gem.O.). Die Kassenbeamten der Oktroiverwaltung sind nach Maßgabe der Bestimmungen über
die Kautionen der rechnungspflichtigen Gemeindebeamten kautionspflichtig (§ 25 Gem.O).
5) Oktroidefraudationen werden mit Geldstrafe von 80 bis 160 Mk. und mit der Ein-
ziehung der beschlagnahmten Gegenstände bestraft ?. Die Strafe ist keine Ubertretungs-= sondern eine
Kriminalstrafe, weshalb auch die allgemeinen Grundsätze über Teilnahme, Verjährung usw. Platz
greifen.
Entstehen Streitigkeiten über Verpflichtung und Höhe der zu zahlenden Oktroigebühren, so
sind die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung berufen. Der Prüfung der Gerichte unterliegen nicht
bloß das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung einzelner Tarifposten,
sondern auch die Frage der Rechtsgültigkeit des Oktroireglements und des Tarifs selber 1. Bei
bis auf weiteres keige Anwendung.“ Dieser Paragraph enthält nicht etwa ein Sonderrecht für
E.-L., sondern nur eine Ubergangsbestimmung bis zur Reform der Gemeindesteuern. Der Zollvereins-
vertrag v. 8. Juli 1867 hat als ein schon vor 1870 erlassenes Gesetz in E.-L. nicht ohne weiteres
gesetzliche Geltung erlangt. Er ist vielmehr daselbst erst durch Landesgesetz v. 14. Dez. 1872 ein-
46 Uhrt worden, so daß seine Bestimmungen jederzeit durch Landesgesetz abgeändert werden können.
Dies ist z. B. für die Frage der Ausdehnung des Oktrois auch auf die ausländischen Weine wichtig-
Val. auch die dem RNeichstag vorgelegte Resolution van Calker u. Gen., Nr. 857 der Reichstags-
drucksachen, v. 5. März 1913.
Nach § 1 des Landesgesetzes v. 15. Juli 1872 g verzollter ausländischer Wein und Obst-
wein bei der ersten Einlage von jeder inneren Steuer für Rechnung von Kommnncen befreit. Als
aerste Einlage“ gilt nicht nur diejenige, welche dem Bezug aus dem Ausland unmittelbar folgt,
sendern auch diejenige, welche dem Fzug aus einer unter Verschluß der Zollverwaltung stehenden
tiederlage unmittelbar nachgeht. (§ 1 II.) Da ein Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Nieder-
lagen nach dem Gesetz v. 15. Juli 1872 nicht gemacht ist, so kann verzollter ausländischer Wein
auch bei weiteren Versendungen im Oktroigebiet dem Oktroi nicht unterworfen werden.
36 Die Zuslezung des § 13 Zolltarifgesetzes hat, namentlich was den Begriff „Fleisch“ an-
geht, & lebhaften Meinungsverschiedenheiten Anlaß gegeben. Durch die Rechtsprechung ber Gerichte
(vgl. O.L. G. Colmar v. 14. Ott. 1910, Els.-l. 3. 36 S. 11; v. 3. Febr. 1911; vgl. Rosenberg
a. a. O. S. 435) ist jedoch die Frage, ob „Wildpret und Geflügel“ „Fleisch“ seien, bejaht worden.
37 Durch das geeiche Reichsgesetz (§ 5) sind aber auch die den Garnisongemeinden obliegenden
Kasernierungskostenbeiträge (frais de casernement, Art. 66 des franz. Gesetzes über die
Finanzen) beseitigt worden.
38 Widerstandsleistung gegen die Oktroibeamten bei Ausübung ihres Amtes unterliegt der
Bestrafung gemäß Art. 15 Ges. v. 27. frim. XIII (40 Mk.), event. kann auch Bestrafung nach § 113
Str.G.B. eintreten. Die Oktroibeamten gehören zu den Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft G 14
Ziff. 3 Ver. v. 13. Juni 1873) und haben alle Rechte und Pflichten derselben (§§ 105, 98 Str. P.O.).
39 Bezüglich der Strafverfolgung gilt indessen das Legalitätsprinzip für die Oktroiverwaltung
nicht; der Bürgermeister kann vielmehr vor der Erhebung der öffentlichen Klage mit dem Steuer-
pflichtigen einen Vertrag schließen, welcher der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf. Art. 88
Ord. v. 9. Dez. 1814. Uber das Durchsuchungsrecht der Oktroibeamten vgl. O. L.G. Colmar v.
21. Nov. 1899, Els.-I. 3. 25 S. 548.
Die Strafbestimmungen sind enthalten in Art. 46 Ges. v. 28. April 1816; Art. 8
Ges. v. 29. März 1832; Art. 9 Ges. v. 24. März 1834; vgl. Els.-I. 3. 9 S. 39; 27 S. 308.
•° Vgl. Förtsch-Leoni, Samml. der in E.-L. in Geltung gebliebenen jranz. Strafgesetze,
Bd. 2 S. 357, 372; Rosenberg a. a. O. S. 447.
*1 Der Grundsatz der Trennung der Gewalten steht dem nicht entgegen, weil derselbe sich
überhaupt nicht auf allgemeine Verordnungen (décrets réglementaires), die das Staatsober=