Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

§ 51 Begriff und Einteilung der Polizei. 190 
  
II. Eine wichtige Unterscheidung ist die in gerichtliche und Verwaltungs- 
polizei (police judiciaire et administrative). Sie hat ihren Ursprung in Art. 20 
des Gesetzes vom 3. Brumaire IV, welches die Quelle des modernen Polizeirechts 
geworden ist 38. Die gerichtliche Polizei dient ausschließlich der Strafrechtspflege, sie 
ist nicht präventiv, sondern repressiv tätig, mithin nach dem oben Gesagten gar keine 
eigentliche Polizei. Ihre Aufgabe ist es nicht, strafbare Handlungen zu verhindern, 
sondern begangene Straftaten der Bestrafung entgegenzuführen. Der Name „Polizei“ 
erklärt sich daraus, daß die wirklichen Polizeiorgane zugleich für diese strafprozessuale 
Tätigkeit Verwendung finden; sie haben Recht und Pflicht des ersten Zugriffs, und 
soweit sie von der zuständigen Landesregierung als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft 
bezeichnet sind, sind sie dem für ihren Bezirk zuständigen Staatsanwalt Folge zu 
leisten verpflichtet, mithin Organe der Strafrechtspflege"“. Die im Gegensatz zur ge- 
richtlichen Polizei stehende Verwaltungspolizei ist Polizei im Interesse eines 
bestimmten Verwaltungszweigs; sie durchdringt alle Teile der staatlichen Verwaltung 
und bezweckt deren Schutz gegen Gefährdung (Wasser-, Berg-, Forst-, Fischerei= usw. 
polizei). 
III. Eine besondere Kategorie der Verwaltungspolizei, und zwar die wichtigste, 
stellt die Sicherheitspolizei (Polizei im engeren Sinne) dar; ihr Tätigkeits- 
feld ist die allgemeine Landesverwaltung. Die Sicherheitspolizei bezweckt, umstürz- 
lerischen und gemeingefährlichen Bestrebungen vorzubeugen, ferner rechtswidrige Hand- 
lungen zu verhindern, die unmittelbar die Rechtsgüter des einzelnen bedrohen; oder, 
anders ausgedrückt, ihre Aufgabe ist es, das öffentliche Recht, die öffentliche 
Sicherheit und die öffentliche Ordnung aurrechtzuerhalten 5. Wahr- 
genommen wird die Sicherheitspolizei durch die Organe der inneren Verwaltung, und 
zwar neben deren Haupttätigkeitsgebiet, der allgemeinen Wohlfahrtspflege; die hierfür 
in Frage kommenden Organe werden deshalb auch Polizeibehörden im engeren Sinne 
genannt . 
Ortes beruht und menschliches Zutun nicht hinzugekommen ist. Es ist vielmehr Sache der Orts- 
polizei, innerhalb ihrer Zuständigkeit für die Beseitigung des gemeingefährlichen Zustandes zu 
sorgen. Vgl. bezüglich der Befugnis der Polizei, bei gemeiner Eefahr die zur Abwendung erforder- 
lichen Maßregeln zu ergreifen, Kais. Rat v. 8. Okt. 1897 Nr. 159. 
Der deutsche Wortlaut der fraglichen Gesetzesbestimmung ist: „Die gerichtliche Polizei er- 
mittelt die strafbaren Handlungen, welche die Verwaltungspolizei nicht hindern konnte, sammelt die 
Beweise und überliefert die Täter dem Gericht.“ 
Neben dieser Bestimmung kommen als Quelle des Polizeirechtes noch die Art. 16, 18, 19 in 
Frage. Art. 16 laulet: Die Polizei ist eingesetzt, um die öffentliche Ordnung, die Freiheit, das 
Ligentum und die persönliche Sicherheit aufrechtzuerhalten. Art. 18: Sie wird eingeteilt in Ver- 
waltungspolizei und gerichtliche Polizei. Art. 19: Die Verwaltungspolizei hat zum Gegenstand die 
stetige (habituel) Erhaleung der öffentlichen Ordnung an jedem Ort und in jedem Teil der all- 
Lgemeinen Verwaltung. Sie bezweckt hauptsächlich, strafbaren Handlungen vorzubeugen. 
* 153 Abs. 1 G.V. G.; Ver. des Reichskanzlers v. 13. April 1879 (G.Bl. S. 61) § 14; 
Ver. des Statth. v. 26. Jan. 1880 (G.Bl. S. 6); v. 16. Aug. 1896 (G.Bl. S. 71); v. 13. Sept. 
1901 (G. Bl. S. 84); v. 5. April 1904 (G.Bl. S. 34). — Die Ersten Staatsanwälte sind für den 
Bereich ihres Dienstbezirte Vorgesetzte der fraglichen Polizeibeamten mit der Berechtigung, außer 
Anordnungen auch Belehrungen und Zurechtweisungen zu erteilen; eine förmliche Disziplinargewalt 
steht ihnen dagegen nicht zu. Vgl. Leoni-Mandel S. 105. Folgerichli sollten daher diese 
Kriminalbeamten nicht den Polizeiverwaltungen, sondern der Staatsanwaltschaft angegliedert werden. 
5 Fleiner S. 318. Aufgabe der Polizei ist es nach einer Entsch. d. pr. O. V.G. v. 26. Juni 
1894 (Pr. V. Bl. 16 S. 6 f.), die öffentlichen Interessen zu schützen. Nicht die dem „Einzelnen“, 
sondern nur die dem Publikum als solchem drohenden Gefahren sollen bekämpft werden. Dasselbe 
will der Satz besagen; la société, considérée en masse est I’objet de sa sollicitude. Ges. v. 
3. brum. IV Art. 16. Eine Handlung kann deshalb nie polizeilsch verboten werden, weil sie für 
Einzelne gefährlich ist, sondern nur, wenn sie die Allgemeinheit gefährdet. Eine Ausnahme hiervon 
wird nur dann Wugrlassen werden können, wenn es sich um einen öffentlich-rechtlichen Notstand 
handelt. Vgl. Wolzendorff, Off. Arch. Bd. 27 S. 236. 6 
Die öffentliche Sicherheit ist keineswegs identisch mit der Abwesenheit von Gefahren; 
deshalb gehört der Schutz der Verkehrssicherheit nicht zur Sicherheitspolizei. Offentliche Sicherheit 
bedeutet vielmehr denjenigen Zustand, in welchem die im Gemeinwesen bestehende Rechtsordnung vor 
wierrechtlichen Angriffen einzelner geschützt wird. Pr. O. V.G. v. 14. Nov. 1887, Pr. Verw. Bl. 
Die öffentliche Ordnung macht das eigentliche Wesen der Polizei aus; sie ist nicht etwa. 
  
 
	        
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