852 Organisation und Kosten der Polizeiverwaltung. 203
Widerstandes; 2. wenn er zur Ablegung der Waffen oder anderer zum Angriff oder
Widerstand geeigneter oder sonstiger gefährlicher Werkzeuge auffordert und dieser Auf-
forderung nicht sofort Folge geleistet wird oder die abgelegte Waffe oder das Werk-
zeug wieder aufgenommen wird, zur Erzwingung des schuldigen Gehorsams; 3. wenn
bei Verhaftungen der bereits Verhaftete entspringt oder zu entspringen versucht, um
seine Flucht zu vereiteln, ebenso wenn Gefangene aus den Gefängnissen zu entfliehen
versuchen; 4. nötigenfalls zum Schutze der ihm zur Bewachung anvertrauten Personen
und Sachen.
Während bei einem Auflauf das Militär zum Waffengebrauch befugt ist, um
den zusammengelaufenen Haufen auseinanderzutreiben (8 4 zit.), ist dieser Fall durch
die Dienstvorschrift der Gendarmen ausgenommen. Der Gendarm darf in solchen
Fällen also nur auf den Befehl des „anwesenden höchsten Polizeibeamten“ mit der
Waffe einschreiten. Weiterhin ist zu beachten, daß die Vorschrift des §& 9 zit., wonach
das Militär, wenn es zum Beistand der Zivilbehörde kommandiert ist, selbst zu be-
urteilen hat, ob und in welcher Art zum Waffengebrauch geschritten werden soll,
während die Zivilbehörde in jedem Fall den Gegenstand und den Zweck, zu welchem
sie die Hilfe des Militärs verlangt, so bestimmt anzugeben hat, daß von seiten des
Militärs die Anordnungen mit Zuverlässigkeit getroffen werden können. Anwesenden
Gendarmen gegenüber darf die Zivilbehörde jedoch bestimmen, ob und wann die Waffe
angewendet werden soll.
Der Gendarm darf von der Waffe (Seitengewehr, Revolver, Karabiner) nur
insoweit Gebrauch machen, als dies zur Erreichung des bezeichneten Zweckes erforder-
lich ist 2; von der Schußwasse darf also erst dann Gebrauch gemacht werden, wenn
die anderen Waffen unzureichend erscheinen oder wenn besonderer Befehl hierzu erteilt
ist. Der Gendarm hat in jedem Einzelfalle zu erwägen, ob und in welchem Maße
von der Waffe Gebrauch zu machen ist. Ist jemand durch Anwendung der Waffe
verletzt worden, so ist der Gendarm verpflichtet, sobald die näheren Umstände es zu-
lassen, die Polizeibehörde zu benachrichtigen, die sich des Verletzten annehmen muß.
II. Die ortspolizeilichen Organe. Der Zuständigkeitsbereich derselben
umfaßt sowohl den bebauten wie den unbebauten Gemeindebezirk (police municipale
und police rurale). Die eigentliche Ortspolizei hat zum Zweck die Aufrechterhaltung
der Ruhe, der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung in der Gemeinde,
d. h. auf den Straßenplätzen der Gemeinde 1, während die Feldpolizei die Ordnung
auf den Feldern erhalten soll. Die Grundlage für die Ortspolizei bildet das Gesetz vom
16.— 24. August 1790 Tit. XI. Art. 3.
In den Städten Straßburg, Metz und Mülhausen, die Polizeidirektionen be-
sitzen, wird der örtliche Polizeidienst ebenso wie die Landespolizei von der Schutz-
mannschaft ausgeübt; in den übrigen Gemeinden sind für den örtlichen Polizeidienst
besondere Exekutivorgane vorgesehen. Solche sind der Bannwart (Feldhüter), je nach
1# Nach § 26 II Dienstvorschr. sind die ooffen nur, nachdem gelinde Mittel fruchtlos an-
gewendet find, zu gebrauchen; im Falle des Widerstandes nur, wenn derselbe so stark ist, daß er
nichi anders überwunden werden kann, und auch dann nur mit möglichster Schonung.
Rechtswidriger Waffengebrauch ist durch § 149 Mil. Str.G.B. mit besonderer Strafe be-
droht. Eventuell kommt § 223 a Str. G. B. zur Anwendung. — § 11 Ges. v. 28. März 1872 stellt die
geseßliche Vermutung auf, daß das Militär beim Wassengebrauch innerhalb der Schranken seiner
gerflichen Befugniss= ehandelt hat, und schließt den Beweis des Gegenteils durch Angaben von
Per onen, welche einer Teilnahme an dem, was das Einschreiten der Militärgewalt herbeigeführt hat,
verdächtig sind, aus. Diese Präsumtion ist indes nur für das Verfahren nach der Militärstrafgerichts-
ordnung, nicht auch für jenes nach der Reichsstraf= oder Zivilprozeßordnung, z. B. bei strafgericht-
lichen Untersuchungen gegen die Teilnehmer an einem Auflauf oder bei Entschädigungsklagen gegen
Militärpersonen vor den Zivilgerichten, von Bedeutung.
Z 13 Die Ortspolizeibehörde kann auch Verordnungen bezüglich solcher Straßen erlassen, die
nicht im öffentlichen Eigentum stehen Grivatstraßen) vgl. Elf.-I. Z. 19 S. 349, 34 S. 41 (O.L.G.
Colmar v. 1. Okt. 1907). Dalloz, Rép. Commune Nr. 689, Suppl. 618. Die Ortspolizei ist
ferner zuständig, bezüglich einer im Eigentum des Eisenbahnfiskus stehenden Privatstraße, gewisse
Auflagen (z. B. Beleuchtung) zu machen, denn die Eisenbahn wird hierbei als Eigentümer des
Grundstücks in Anspruch genommen, nicht als Bahnbetriebsunternehmer; vgl. O. V.G. v. 30. Nov.
1911, Pr. Verw. Bl. 1911/12 S. 569.