204 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 8 52
Bedürfnis ein oder mehrere Polizeidiener oder Schutzleute. Da die Ausgaben für die
Ortspolizei Pflichtausgaben der Gemeinde sind (§ 63, 6 Gemeindeordnung), so hat die
Aufsichtsbehörde in letzter Linie darüber zu entscheiden, ob genügend Polizeiorgane
vorhanden sind 14.
Alle Polizeibeamte der Gemeindepolizei sind gleichzeitig auch Organe der Landes-
polizei, da die Gemeindepolizei ein Teil der staatlichen Polizei ist 15. Anderseits sind
auch die Organe der Landespolizei (Gendarmen) befugt, die Befolgung der in das
Gebiet der Gemeindepolizei fallenden Angelegenheiten zu überwachen, und soweit die
gerichtliche Polizei in Frage kommt, sind sie sogar hierzu verpflichtet (§ 161 Straf-
prozeßordnung). Beide Arten von Organen haben sich bei Erledigung ihrer Aufgaben
gegenseitig zu unterstützen und im Bedarfsfalle zu ersetzen, unbeschadet der von ihnen
in erster Linie wahrzunehmenden Obliegenheiten als Organe der Orts= oder Landespolizei.
Gemeindeangehörige zu polizeilichen Verrichtungen heranzuziehen, ist nur aus-
nahmsweise gestattet. Abgesehen von dem Fall der Nothilfe (§ 360 Nr. 10 Straf-
gesetzbuch, vgl. § 181 Berggesetz vom 16. Dezember 1873) kommt noch die Bildung.
von Wasserwehren im liberschwwemmungsgebiet des Rheins in Frage (§ 40 Gesetz
vom 2. Juli 1891).
III. Verhältnis der Ortspolizei zur Landespolizei. Nach all-
gemeinen Grundsätzen über die Ausübung der Polizeigewalt kann jederzeit die höhere
Behörde der niederen Weisungen erteilen und allenfalls auch die Befugnisse der niederen
Behörden an sich ziehen 17. Der Bürgermeister ist in Ausübung seiner polizeilichen
Befugnisse Organ der Staatsgewalt, wie sich dies aus § 16 Gemeindeordnung un-
zweideutig ergibt, und ist infolgedessen als Organ der Polizeigewalt von den An-
ordnungen der vorgesetzten staatlichen Behörden abhängig 18.
B. Die Kosten der Polizeiverwaltung. Die Unterscheidung von Orts-
polizei und Landespolizei ist namentlich auch von Bedeutung bezüglich der Frage der
Kostentragung für polizeiliche Maßnahmen. Grundsatz ist, daß diejenige juristische
Person die Kosten zu tragen hat, welche für den betreffenden Zweig der Polizei sorgen.
muß 10. Der Staat hat also zum Beispiel die Kosten landespolizeilicher Maßnahmen (z. B.
auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung) auch dann zu tragen, wenn er die erforderlichen
Maßregeln durch andere als die an sich zuständigen Landesbehörden anordnen läßt.
Dieser Grundsatz läßt eine allgemeine Anwendung auf alle Gebiete der Polizeiver=
waltung zu, auch wenn die Verpflichtung des Staates zur Kostentragung nicht aus-
drücklich ausgesprochen ist. Umgekehrt wird eine ortspolizeiliche Maßregel nicht da-
durch zu einer landespolizeilichen und entsprechend die Kosten nicht zu landespolizei-
14 Die Ernennung der Bannwarte bedarf in kleinen Gemeinden der Bestätigung der Aussichts-
behörde; wird dieselbe vesag, so kann die Aufsichtsbehörde die Stelle einstweilen auf Gemeindekosten
verwalten lassen. § 25 II Gem.O.
Jede Gemeinde soll mindestens einen Feldhüter haben. Seine gerichtliche Vereidigung ist nicht
mehr erforderlich. § 28 Gem.O.; Min. Verf. v. 25. Juni 1898, Samml. Bd. 23 S. 319.
15 Gem.O. § 16; Leoni-Mandel S. 115.
16 Die Gemeindeordnung hat die Befugnis des Bürgermeisters, die Bewohner der Gemeinde
durch ortspolizeiliche Beschlüsse im Einverständnis mit dem Gemeinderat zu pexsönlichen Polizei-
diensten, z. B. Wachen, Runden usw., heranzuziehen, beseitigt. Der freiwilligen Ubernahme solcher
Dienste seitens der Einwohner aus Sparsamkeitsgründen im Interesse der Gemeinde steht natürlich
nichts entgegen.
17 Bezüglich der polizeilichen Befugnisse der Bürgermeister nach dem früheren französischen
Rechte war das nicht der Fall. Das jetzige französische Recht (Art. 99 de la loi municipale) läßt
dem Präfekten freie Hand bezüglich der Ortspolizei, wenn 1. es sich handelt um Maßnahmen für
mehrere oder alle Gemeinden des Departements, 2. wenn eine Gemeinde bezüglich der Vornahme
gewisser Handlungen in Verzug gesetzt ist. Hauriou, Préeis, Nr. 332. BVgl. auch Kais. Rat
v. 15. April 1905 Nr. 406.
!“ Nelken, Gem.O. § 16 Anm. 5: Leoni-Mandel S. 68, 107, 111; Halley. Gem O.
§ 16 Anm. 1; Bruck. Gem.O. eod. Der Bezirkspräsident kann vor allem dann Entscheidung
treffen, wenn der Bürgermeister um seine Entscheidung nachsucht bzw. Genehmigung erbittet. Vgl.
Kais. Rat v. 27. Okt. 1906 Nr. 447.
1% Leoni-Mandel S. 111.