216 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. * 56
geistliche Orden und Kongregationen 15, ferner die Vorschriften des Landesrechts in
bezug auf Vereine und Versammlungen für die Zeiten der Kriegsgefahr, des Krieges,
des erklärten Kriegs-(Belagerungs-) Zustandes oder innerer Unruhen (Aufruhrs) 1½, des
weiteren die landesrechtlichen Bestimmungen zum Schutze der Feier der Sonn= und
Festtage; jedoch sind für Sonntage, die nicht zugleich Festtage find, Beschränkungen
des Versammlungsrechts nur bis zur Beendigung des vormittägigen Hauptgottesdienstes
zulässig 29. Die Anwendung der Vorschriften des Reichsvereinsgesetzes wird gesichert
durch die Strafbestimmungen der §§ 18 und 19, die, was den erstgenannten
Paragraphen anlangt, Übertretungen, was den zweiten anlangt, Vergehen darstellen.
§ 56. Die Presse. I. Das Reichsgesetz über die Presse vom 7. Mai 1874
(R.G.Bl. S. 65) ist mit Ausnahme der §§ 14, 23—29 und 31 durch das Landes-
gesetz vom 8. August 1898 (G.Bl. S. 73)1 in Elsaß-Lothringen eingeführt worden.
Die Gründe für dieses eigenartige legislative Vorgehen liegen auf politischem Gebiete; man
wollte der Verwaltung die weitgehenden französischen preßpolizeilichen Bestimmungen
tunlichst erhalten wissen. Die Einführung des Reichspreßgesetzes als Landesgesetz hat
nun aber die sicherlich nicht beabsichtigte Wirkung gehabt, daß das Landesgesetz, was es
nicht konnte und durfte, sich über reichsgesetzliche Bestimmungen hinweggesetzt hat, es
sei hier beispielsweise nur an die Frage der Verjährung der durch die Presse be-
gangenen Delikte (§ 22) sowie an die gesetzlichen Vermutungen der §§ 20, 21 Prß-
gesetz erinnert. Das Landesrecht durfte nur Vorschriften aufstellen, die sich i
Rahmen des Art. II Abs. 2 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 30. Auzust
1871 hielten. Da der Gesetzgeber sich an diesen sundamentalen staatsrechtlichen Grund-
satz nicht gehalten hat, sind von ihm ganz ungewollte Wirkungen und eine außer-
ordentlich unklare Rechtslage in allen denjenigen Fällen geschaffen worden, wo ein
durch die Presse begangenes Delikt, soweit § 7 a Strafprozeßordnung nicht entgegen-
steht, sowohl in Elsaß-Lothringen wie in anderen Teilen des Reiches begangen ist?.
Durch § 1 des Gesetzes vom 8. August 1898 ist ferner bestimmt, daß auch die
Bestimmungen der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich über die Preßgewerbe
als landesrechtliche Vorschriften in Anwendung kommen.
Das Landesstrafrecht ist, insoweit Art. II Einführungsgesetz zum Straf-
gesetzbuch es zuläßt, in Kraft geblieben. So ist Art. 15 Dekret vom 17. Februar
1852, betreffend die Veröffentlichung oder die Wiedergabe falscher Nachrichten, er-
fundener, gefälschter oder fälschlich Dritten zugeschriebener Schriftstücke, noch in Kraft";
ebenso Art. 36 des Gesetzes vom 21. Germ. XI und des Gesetzes vom 29. Pluv. XIII,
betreffend die Ankündigung von Heilmitteln. Unabhängig hiervon haben weiterhin noch
Geltung die Strafbestimmungen der französischen Preßgesetze, die sich nicht auf Preß-
erzeugnisse beziehen, z. B. die sogenannten cris sditieux (das Ausstoßen aufrührerischer
Rufe, Gesetz vom 25. März 1822 Art. 8)5, ferner die Strafbestimmungen für das
Verteilen oder Feilbieten aller Zeichen oder bildlichen Darstellungen, die geeignet sind,
18 290 hierüber die Ausfbhrungen. im staatskirchenrechtlichen. Abschnitte: ferner Fischbach,
R. V, S. 253 f. Vgl. die Ausführungen oben S. 2
20 25 in & 24 R.V. G. noch erwähnten Vorschriften des Hesrechts in beaug auf Ver-
abredungen ländlicher Arbeiter und Dienstboten zur Einstellung oder Verhinderung der Arbeit
kommen für E.-L. nicht in Frage.
(/§ 561.1 Vgl. neben der reichsrechtlichen Literatur (v. Schwarze-Appelius, Komm. zum Reichs-
preßgesetz; Komm. von Lindenberg in von Stengleins Strafrechtl. Nebengesetzen); mein Landes.
preßaeset,! in Nelkens Elf.-I. Terwaltungsgeset II. Teil.
bhilfe Lonnber. diesen Schwierigkeiten kann nur durch die Reichsgesetzgebung er-
folgen. “ 1912 S. 710.
2 Die rehn n ist durch Gesetz v. 27. Febr. 1888 (R.G. Bl. S. 57) in E.-L. eingeführt
worden. Der § 2 E.G. hatte aber gerade bezüglich der Preßgewerbe einen Vorbehalt zugunsten der
Landesgesetze gemacht.
Lie einschlägigen Uestimmungen der Gewerbeordnung find die §§ 14 II, 42 b Abs. 1 u. 3,
4#3, 44 Abs. 3 u. 4, 06 alb. Z. 12, 63 Abs. 1.
* Vgl. R.G. v. 23. Febr. 1911 in Goltd. Arch. 59 S. 137.
* Abkrechierhalten durch Gese u. 29. März 1888. Vgl. R.G.E. (Str.) Bd. 20 S. 147 und
Els.I. Z. Bd. 15 S. 157, 18 S. 514 u. 22 S. 513.