224 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 8 58
Ortspolizeibehörde, ohne Rücksicht auf die etwa bereits erwirkte Erlaubnis zum Be—
triebe des Gewerbes als Schauspielunternehmer. Die Erlaubnis ist nur dann zu ver-
sagen: 1. wenn gegen den Nachsuchenden Tatsachen vorliegen, welche die Annahme
rechtfertigen, daß die beabsichtigten Veranstaltungen den Gesetzen oder guten Sitten
zuwiderlaufen werden; 2. wenn das zum Betriebe des Gewerbes bestimmte Lokal wegen
seiner Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügt; 3. wenn
der den Verhältnissen des Gemeindebezirks entsprechenden Anzahl von Personen die
Erlaubnis bereits erteilt ist. Liegen die unter 1. genannten Gründe vor, so kann auch
nachträglich die Erlaubnis zurückgenommen -und Personen, welche vor dem Inkraft-
treten dieses Gesetzes den Gewerbebetrieb begonnen haben, derselbe untersagt] werden
(§ 33a).
3. Schließlich bedarf der nach freiem Ermessen zu erteilenden und jederzeit
widerruflichen Erlaubnis der Ortspolizeibehörde, wer gewerbsmäßig Musikaufführungen,
Schaustellungen, theatralische Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, ohne daß ein
höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft dabei obwaltet, von Haus zu Haus
oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen darbieten will (§ 33b)7.
II. Die landesrechtliche (französische) Theatergesetzgebung findet sich
abgeschlossen in dem Dekret vom 6. Januar 1864 9; dasselbe stellt für die Theater
höherer Kunstrichtung unter Aufhebung aller früheren einschlägigen Gesetze folgende
Grundsätze auf: a) jedermann darf vorbehaltlich erstatteter Anzeige ein Theater frei
errichten und betreiben (Art. 1); b) der Theaterunternehmer muß in allem, was die
öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit betrifft, sich nach den gesetzlichen Be-
stimmungen richten. Die bestehenden Vorschriften über die Beaufsichtigung und
Schließung der Theater sowie über die Armensteuer bleiben bestehen (Art. 2)“;
c) die dramatische Zensur ist bestehen geblieben; jedes Theaterstück muß vor seiner
Aufführung vom Bezirkspräsidenten genehmigt werden (Art. 3)5; d) Theater mit
Kindern als Schauspieler sind verboten (Art 5).
Bezüglich der „théatres“ nicht höherer Kunstgattung sind die bestehenden Vor-
schriften aufrechterhalten geblieben (Art. 6)8. Es zählen hierher: Schaubuden,
Marionettentheater, Konzert-Singspielhallen (cafés chantants, cafés concerts), sowie
andere Veranstaltungen?' derselben Art. Bezüglich aller dieser Unternehmungen besteht
2 Val. zu Ziff. 2 u. 3 Nelken a. a. O.
3 Bull. des Lois Série XI Nr. 11933.
4 Vgl. Ges. v. 13. Jan. 1791: Dekr. v. 1. Sept. 1793; Ver. v. 1. germ. VII; Dekr. v.
21. frim. XIV: Dekr. v. 30. Dez. 1852; Ges. v. 7. frim. V.
5 Dekr. v. 30. Dez. 1852. Die Genehmigung wird nach freiem Ermessen erteilt; die erteilte
Genehmigung kann, wenn es der Schutz der öffentlichen Ordnung verlangt, jederzeit nren
werden. (Art. 3 Dekr. v. 6. Jan. 1864; Art. 2 Dekr v. 30. Dez. 1852) Zum Zuwecke der Zenfur
muß von jedem aufzuführenden Stücke dem Bezirkspräfidenten ein Exemplar vorgelegt werden. Der
Bezirkspräfident kann die Streichung, Weglassung einzelner Stellen verlangen, auch die Aufführung
von Bedingungen abhängig machen. #
Auf Theaterstücke, die nicht auf der Bühne aufgeführt, sondern rezitiert werden, findet die
Bestimmung keine Auwendung. Als Strafbestimmung für die Aufführung nicht genehmigter Stücke
ist Art. 471 Z. 15 C. p. maßgebend. "
Zu wissenschaftlichen Vorträgen, Vortragsabenden usw. ist eine persönliche Erlaubnis für den
Vortragenden nicht notwendig, indessen kann der Vortrag aus Gründen der öffentlichen Ordnung
verboten werden. Ges. v. 16. Aug. 1790: Leoni-Mandel S. 133 Note 4.
6# Vgl. Art. 4 Tit. 11 Ges. v. 16./24. Aug. 1790, welcher der Ortspolizeibehörde ein un-
beschränktes Genehmigungsrecht von öffentlichen Schauspielen einräumt. Gegen die Versagung der
Genehmigung ist ein Rekurs nicht möglich, da § 40 Gew.O. die Möglichkeit eines solchen nur in
den Fällen zuläßt, in welchen gegen die Bestimmunp der Gew.O. die Genehmigung versagt ist.
Ferner vgl. Art. 15 Dekr v. 8. Juni 1806 und Dalloz, Rép. vo théatre, Nr. 34, 57, Suppl.
Nr. 8, 11; G. Krais, Uber Theaterzenfur, in Bl. f. admin. Pr. Bd. 51 S. 23 f.
17 Hierder gehören auch Klaviervorträge in Wirtschaften (O. L. G. Colmar v. 15. Dez. 1903, Elf.-l.
Z. 1904 S. 586), Spielenlassen eines Orchestrions in einer Wirtschaft (Els.-I. Z. 1907 S. 641); vgl.
ferner Els.-I. Z. 16 S. 273, 18 S. 553, 19 S. 177, 28 S. 159; in den meisten Fällen wird man
auch das Grammophon hierher rechnen können. Zur Verhängung einer Strase gemäß Art. 471
Z. 15 c. p. bedarf es noch des Bestehens einer Orts= bzw. Bezirkspolizeiverordnung, da die gesetzlichen
Bestimmungen eine Strafandrohung nicht aufstellen. O. L.G. Colmar v. 15. Dez. 1908 zit.
Bestritten ist die Frage, ob auch Kinematographen unter die Bestimmung des Art. 6