Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

8 59 Die Sicherheitspolizei gegenüber Einzeluen. 
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2. Inländern gegenüber kann der Aufenthalt im Lande nicht von einem 
Passe abhängig gemacht werden. Indessen können sie auf Verlangen einen solchen 
erhalten, wenn der Reise nicht ein gesetzliches Hindernis entgegensteht, z. B. die Ver- 
büßung einer Freiheitsstrafe, Wehrpflicht usw. (vgl. § 1 Gesetz vom 12. Oktober 1867). 
Zur Ausstellung von Pässen an Inländer, zu welcher das gemäß § 7 Reichsgesetz vom 
12. Oktober 1867 vorgeschriebene Formular zu benutzen ist, find die Bezirkspräsidenten 
und Kreisdirektoren zuständig v. 
III. Beschränkungen der Bewegungsfreiheit. Durch das Frei- 
zügigkeitsgesetz (§F 1) ist die Bewegungsfreiheit des Staatsbürgers gesichert. Aus- 
nahmen von diesem Grundsatze gelten, abgesehen von den Fällen vorübergehender Fest- 
nahme aus sicherheitspolizeilichen Gründen, nur in folgenden Fällen: 
1. Die Uberweisung an die Landespolizeibehörde. Auf dieselbe 
kann neben der Verurteilung zur Haft wegen der in §§ 361 Ziff. 3—8 und 181a 
Strafgesetzbuch erkannt werden (§ 362 Abs. 2 Strafgesetzbuch). Die Polizeibehörde 
erhält hierdurch die Befugnis, die verurteilte Person bis zu zwei Jahren in ein 
Arbeitshaus unterzubringen 10. Landespolizeibehörde ist der Bezirkspräsident; er setzt 
die Dauer der Unterbringung fest11; gegen seine Verfügung ist Beschwerde an das 
Ministerium zulässig 1s. 
2. Die Stellung unter Polizeiaufsicht enthält eine Beschränkung der 
Bewegungsfreiheit (nicht des Wahlrechts) aus sicherheitspolizeilichen Gründen. Es 
kann auf sie neben einer Freiheitsstrafe in den gesetzlich vorgesehenen Fällen durch 
richterliches Urteil erkannt werden (§ 38 I Strafgesetzbuch). Durch die Anordnung 
erhält die „höhere Landespolizeibehörde (Bezirkspräsident) 15 die Befugnis, nach An- 
hörung der Gefängnisververwaltung den Verurteilten auf die Dauer von höchstens 
fünf Jahren vom Tage der Strafverbüßung ab gerechnet, unter Polizeiaufsicht zu stellen. 
Unter Polizeiaufsicht “ sollen nur solche Personen gestellt werden, bezüglich derer die 
Befürchtung der Gemeingefährlichkeit vorliegt. Die Wirkungen der Polizeiaufsicht be- 
stehen darin, daß dem Verurteilten der Aufenthalt an einzelnen bestimmten Orten 
ꝰ Art. 6 Dekr. v. 13. April 1861. Die Gültigkeitsdauer der Pässe beträgt höchstens drei 
Jahre, Erlaß des Oberpräs. v. 9. März 1872. In Straßburg, Metz und Mülhausen find die 
Polizeipräfidenten zuständig. 
Ferner können die Bezirkspräsidenten, Kreis= (Polizei-) Direktoren für diejenigen Landes- 
angehörigen, welche innerhalb des Bezirkes oder Kreises ihren Wohnsitz haben und als zuverlässig 
bekannt 7 zu Legitimationszwechen Paßkarten ausfertigen. Ver. des Oberpräs. v. 12. Febr. 
1874 (AB. f. U.E. S. 69). Dieselben haben nur für ein Jahr Gültigteit. 
16 Die Unterbringung in ein Arbeitshaus ist unzulässig, wenn die Verurteilte zur Zeit der 
Verurteilung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. 5 362 Abs. 3 Str.G. B. Bei Dirnen 
kann an Stelle der Unterbringung in ein Arbeitshaus die Verbringung in eine Lesserungeanstallt 
usw. angeordnet werden. Trotz des auf Uberweisung lautenden gerichtlichen Urteils kann die Ver- 
waltungsbehörde aus Zweckmäßigkeitserwägungen von der Ausführung dieser Maßnahme Abstand 
nehmen. Vgl. Allg. Verf. d. Min. v. 4. März 1890, .I½ und Min.Erl. v. 27. Ott. 1899, 1 A 9837. 
11 Sie soll bei erstmaliger Verhängung sechs Monate nicht übersteigen. Min. Verf. v. 4. Märg 
1890 (Centr. Bs, S. 73). 
12 Die lberweisung selbst, die den Charakter der Nebenstrafe an sich trägt, ist nur mit den 
gewöhnlichen Rechtsmitteln anfechtbar und kann nur im Gnadenwege aufgehoben werden. 
Die Arbeitshäuser (in Pfalzburg für Männer, in Hagenau für Weiber) unterstehen der 
Ministerialabteilung für Justiz und Kultus und dem Vorstande der Gefängnisverwaltung. 
13 Zustandig zur Verhängung der in Frage kommenden Maßnahmen ist der Bezirkspräsident 
des Ortes, wohin die Entlassung stattfinden soll und, sofern der hiernach zuständige Bezirkspräsident 
die Stellung des Entlassenen unter Polizeiaufsicht nicht beschlossen hat, der Bezirkspräsident des 
Ortes, wo sich der Verurteilte jeweils aufhält. §5 30 f.; Min. Verf. v. 23. Aug. 1880, Sammlg. V. 
S. 300. Bei Ausländern ist der Bezirkspräsident zuständig, in dessen Bezirk die Strafanstalt liegt, 
in der der Verurteilte die Strafe verbüßt hat. Leoni-Mandel S. 146 N. 1. 
144 Nach der Verwaltungsvorschrift §§ 30 f. Der Polizeiaufsicht sollen nicht unterstellt werden 
diejenigen Personen, die sich während der Strafverbüßung gut geführt haben, und deren Unterkommen 
ein gesichertes ist, ferner nicht diejenigen, die sich während der Zeit der vorläufigen Entlassung tadellos 
und ordnungsmäßig geführt haben. 
» Die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit bei vorläufig entlassenen Strafgefangenen haben 
keinen sicherheitspolizeilichen, sondern strafdisziplindren Charakter. §§ 23—26 Str. G. B. §§ 19—29 
Min. Verf. v. 23. Ang. 1880. 
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