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verpflichtet ist, von dem Verpflichteten in demselben Maße und unter denselben Voraus-
setzungen zu fordern, als dem Unterstützten auf jene Leistungen ein Recht zusteht; der
in Anspruch genommene Dritte kann hierbei nicht einwenden, daß der unterstützende
Armenverband den Ersatz von einem anderen Armenverbande zu fordern berechtigt sei. In
Ergänzung dieser Vorschrift bestimmt § 38 A.G., daß auf den Antrag des Armen-
verbandes, der einen Hilfsbedürftigen unterstützen muß die auf Grund gesetzlicher
Vorschriften unterhaltspflichtigen Personen nach Anhörung der Beteiligten durch einen
mit Gründen versehenen Beschluß des Schiedsamtes dazu angehalten werden können,
die dem Unterhaltsberechtigten nach Maßgabe ihrer Unterhaltspflicht zu gewährende
fortlaufende Unterstützung an den Armenverband zu bezahlen. Zuständig zur Beschluß-
fassung ist das Schiedsamt des Land= oder Stadtkreises, in dem die in Anspruch ge-
nommene Person ihren Wohnsitz oder, falls sie einen solchen im Inlande nicht besitzt,
ihren Aufenthalt hat.
Die Beitreibung der in dem Beschlusse festgesetzten Beträge erfolgt nach § 7a
des Gesetzes vom 13. November 1899 (A.G. C.O. O. und C.O., Art. 5 der Justiz-
novelle vom 13. Februar 1905 G.Bl. S. 3.) Ju derselben Weise werden die Bei-
träge beigetrieben, deren Zahlung der Unterhaltspflichtige durch eine schriftliche von
einem elsaß-lothringischen Bürgermeister oder dessen Stellvertreter beglaubigte Er-
klärung zugesagt hat.
Die hier in Frage stehenden Ansprüche des Armenverbandes sind öffentlich-
rechtlicher Natur, ein Umstand, der überhaupt ihre Regelung im Wege der Landes-
gesetzgebung ermöglicht hat (§ 55 E.G. B. G. B.). Daß die Zahlung seitens des
Unterstützungsverpflichteten an den Armenverband und nicht an den Hilfsbedürftigen
zu erfolgen hat, hängt einerseits mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Leistungs-
pflicht, andererseits mit Zweckmäßigkeitserwägungen zusammen; man befürchtet, daß
drelte Zahlungen an den Hilfsbedürftigen wohl kaum regelmäßig überwacht werden
önnten.
Bei der privatrechtlichen Seite, die das ganze Verfahren immerhin hat, bestimmt
das Gesetz (§ 38 Abs. 4), daß Einwendungen, die den im Beschlusse oder in der
Erklärung festgesetzten Anspruch selbst betreffen, im Wege der Klage bei den
ordentlichen Gerichten geltend zu machen sind 75.
Der subsidiäre Charakter des Vewaltungsweges ergibt sich noch deutlicher nach
§5 39 A.G.; es kann nämlich ein Armenverband wegen des Ersatzes bereits geleisteter
Unterstützungen nur im gerichtlichen Verfahren klagbar werden. In diesem Falle ist
die Klage auch gegen den Unterstützten selbst, seine unterhaltspflichtigen Verwandten
und seine Erben zulässig, jedoch nur insoweit, als sie bei Berücksichtigung ihre sonstigen
Verpflichtungen ohne Gefährdung ihres standesmäßigen Unterhalts zur Ersatzleistung
in der Lage sind 26.
2. § 61. Die materielle Armenunterstützung. Wie bereits oben (S. 229)
hervorgehoben worden ist, wird die öffentliche Armenunterstützung nur Hilfsbedürftigen
gewährt. Ist das Familienoberhaupt hilfsbedürftig, so besteht mittelbar auch eine
Hilfsbedürftigkeit der zur Familie im armenrechtlichen Sinne gehörigen Personen, die
den Unterstützungswohnsitz des Familienoberhauptes teilen. Die Unterstützung des Hilfs-
bedürftigen kann geeignetenfalls, solange sie in Anspruch genommen wird, ganz oder
*5 Die Klage geht auf Aufhebung des Bef blufses; selbverständlich find aber die Gerichte
auch zur Abänderung befugt, da das gerichtliche Verfahren überhaupt das ordentliche und der Ver-
waltungsneg das subsidiäre Verfahren darstellt. Vgl. L. G. Straßburg v. 13. Dez. 1910 I 0/244/10
u.
26 Die von einem Armenverband auf Grund gesetzlicher Verpflichtung wewte Unterstützun
kann nicht als geschenkt angesehen werden. Es handelt sic um einen Vorschuß. Der Anspru
des Armenverbandes ist begründet, ohne daß der Nachweis erforderlich wäre, daß die Absicht. rlat
zu verlangen, bestanden hat. R.G# (Civ.) v. 20. Dez. 1910 E. 75 S. S4. Die Destmmunz es
§ 39 A. G. entspricht der entsprechenden des § 69 preuß. A G. Vgl. auch Sommer S. 207 f.; er,
omm. zum U W. G. S. 428, 439. Gegenwärtige und laufende Unterstützungen dürfen im Ver-
waltungsverfahren, bereits verausgabte Unterstützungskosten können nur im gerichtlichen Verfahren
beansprucht werden.