Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

8 61 Die materielle Armenunterstützung. 237 
  
Armenpflege sicherzustellen. Soll einer Armenverwaltung nach dem 1. April 1910 
die Rechtsfähigkeit genommen werden, so ist hierzu ein Beschluß des Gemeinderats 
und die Zustimmung des Bezirktages erforderlich (8 8 Abs. 3). 
Kurz zusammengefaßt, es sind die Ortsarmenverbände an die Stelle der früheren 
Armenräte getreten, und diese, soweit sie weiterbestehen, sind zu Verwaltungsorganen 
des Ortsarmenverbandes umgewandelt worden. Das Vermögen der Armenräte steht 
auch, soweit sie die juristische Persönlichkeit nicht behalten haben, nicht etwa der Ge- 
meinde zur freien Verfügung, sondern erhält die Eigenschaft eines zu Zwecken der 
Armenpflege gewidmeten Sondervermögens. 
Das Vermögen der mit Rechtsfähigkeit ausgestatteten Armenräte setzt sich zu- 
sammen aus gewissen Güterkomplexen, die ihnen in Ausführung der Gesetze vom 
6. Vendém., 20. Vent. V, 4. Vent. IX und des Dekrets vom 12. Juli 1807 
zurückgegeben worden sind, aus inzwischen erworbenen Gütern, aus Schenkungen, Ver- 
mächtnissen #, aus den Erträgnissen der in den Kirchen und Standesämtern aufgestellten 
Almosenbüchsen?', aus dem Anteile an dem den Armen= oder Wohlltätigkeitsanstalten 
zufließenden Drittel des Erträgnisses der Ruherechte auf den Gemeindekirchhöfen s und aus 
dem Ertrage der Armengebühren, die bei öffentlichen Schauvorstellungen, Konzerten usw. 
erhoben werden 2. Die vom Besucher zu erhebende Steuer beträgt ein Zehntel des Ein- 
trittspreises bei Theatervorstellungen, Zirkusaufführungen, täglichen Konzerten, für alle 
übrigen Veranstaltungen, wie Tanzbelustigungen, Rennen usw., ein Viertel des Brutto- 
ertrages 10. Erhoben wird die Steuer von der Armenverwaltung, beigetrieben wird sie 
wie eine frühere direkte Steuer alten Systems; über Einsprüche gegen die Veranlagung 
entscheidet der Bezirksrat bzw. der Kaiserliche Rat 11. 
Für die Vermögensverwaltung und das Rechnungswesen der Armenräte, die im 
Besitz der Rechtsfähigkeit verblieben sind, gelten analoge Vorschriften wie für das Ge- 
meinderechnungswesen. 
Die Bildung eines Armenrates erfolgt auf Grund eines Gemeinderatsbeschlusses, 
durch den auch die aus fünf Mitgliedern zusammengesetzte Verwaltungskommission bestimmt 
wird. Der Bürgermeister ist der Vorsitzende dieser Kommission 12; bei seiner Ab- 
wesenheit führt der Stellvertreter oder das älteste Mitglied den Vorsitz. Alljährlich 
scheidet ein Fünftel der Mitglieder des Armenrats aus; das ausgeschiedene Mitglied kann 
wiedergewählt werden. Eine vorläufige Absetzung der Mitglieder kann durch den Be- 
zirkspräsidenten, die endgültige nur durch das Ministerium stattfinden. Letzterem steht auch 
die Möglichkeit zu, den Armenrat aufzulösen. 
*# Soweit die Fuwendungeg den Betrag von 5000 Mk. nicht übersteigen, ist eine ftaatliche 
Genehmigung nicht erforderlich. Über diese Grenze hinaus ist der Bezirkspräsident zustandig, falls 
die Erben der Zuwendung nicht widersprechen, (ugl. Art. 6 Nr. 19 Dekr. v. 13. April 1861); 
in letzterem Falle erteilt das Ministerium die Annahmeermächtigung; Ver. v. 5. Mai 1873. Will 
der Armenrat auf freigebige Zuwendungen verzichten, 8 bedarf er hierzu der Genehmigung des 
Bezirkspräsidenten. Ord. v. 6. Juli 1846, Dekr. v. 25. März 1852. 
Sowie den genehmigten Sammlungen, Kollekten, Lotterien * Art. 1 Dekr. v. 12. Sept. 1806. 
6 Art. 3 Abs. 2 Ord., betr. die Kirchhöfe, v. 6. Dez. 1943, Min. Erl. v. 7. Aug. 1865 Bull. 
du min. de I’Interieur 1866 S. 68. 
» * Es muß sich um eine öffentliche Schaustellung "96 en Eintrittsgeld handeln. 
Über den Begriff der Offentlichkeit vgl. oben (Vereinsrecht) S. 2 ¾i Val. Art. 1 Ges. v. 7. frim. V., 
Dekr. v. 9. Dez. 1809 u. Ges. v. 16. Juli 1840, § 3 Ges. v. 31. März 1879. Eine Mufzählung 
von Einz'iheiten bei Bruck III S. 195 f.; vgl. de Watteville, Législation Charitable, I 
S. 141; Worms, Le droit des pauvres, en 1900) S. 32f. 
1% Vgl. Anlage D Nr. XI. 1 u. 2, Ges. v. 31. März 1879. Meistens wird auch hinsichtlich 
der zweiten Gruppe ein Einheitssatz von 10 Prozent veranschlagt. 
z Vgl. Ver. v. 10. thermid. XI Art. 3, Ver. v. 8. fruct. XII Art. 3. 
12 Art. 1 Dekr. v. 22. März 1852, Dekr. v. 17. Juni 1852; Gem.O. § 58. Die Zahl der 
Witglieder kann auch mehr wie sasf betragen. Art. 4 Dekr. v. 23. März 1852; § 9 Ges. v. 
30. Dez 1871, § 3 Ges. v. 4. Juli 1879, Verord. v. 1. Juni 1904 (G. Bl. S. 41). Ferner ist die 
Errichtung mehrerer Armenräte für jede Gemeinde zulässig. Die Verwalter und Rechner des Armen- 
rats ernennt der Bezirkspräsident. Dekr. v. 25. März 1852 Art. 5, 9. Ord. v. 31. Okt. 1821 
Art. 18. In der Regel nimmt der Gemeinderechner die Funktionen des Rechners wahr. Dekr. v. 
31. März 1862 Art. 558, 559.
	        
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