238 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 8 61
Die Mitglieder des Armenrates sind öffentliche Ehrenbeamte. Durch Beschluß
des Gemeinderates kann ihnen das erforderliche Personal an Sekretariats-, Kanzlei-
und Inspektionsbeamten beigegeben werden 1.
Die Obliegenheiten des Armenrates bestehen in der Fürsorge für die Hilfs-
bedürftigen, zu deren Unterstützung der Ortsarmenverband gesetzlich verpflichtet ist.
Zur Prozeßführung bedürfen die Armenräte grundsätzlich weder einer Ermächtigung
durch Gemeinderatsbeschluß noch einer Genehmigung durch den Bezirkspräsidenten, da
der Gemeinderat in Armenverwaltungsangelegenheiten vollständig ausscheidet, sobald er
dieselben gemäß § 6 A. G. U.W.G. einem Armenrat mit eigener Rechtssähigkeit über-
tragen hat. Die Genehmigung der Verwaltungsbehörde ist gemäß & 8 II der Voll-
zugsbestimmungen zum A.G. U.W G. nur insoweit für entsprechend anwendbar er-
klärt worden, als es sich um die Vermögensverwaltung und das Rechnungs-
wesen der rechtsfähigen Armenräte handelt 18 à.
II. Die geschlossene Armenpflege. 1. Der Ortsarmenverbände.
Vor dem Inkrafttreten des Unterstützungswohnsitzgesetzes sind die Kranken= und
Pflegehäuser die selbständigen Träger des Teiles der öffentlichen Armenpflege gewesen,
den man Anstaltspflege nennt; und zwar hatten die Krankenhäuser (Spitäler) die Auf-
gabe, erkrankte Personen vorübergehend aufzunehmen, während die Pflegehäuser (Siechen-
häuser, Hospize) dauernd pflegebedürftige Personen als Insassen erhielten. Beide An-
staltsarten waren häufig zu einem Komplex verbunden (höpital, hospice). Beide
hatten die Eigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechis (établissements
publics).
a) Nach dem Unterstützungswohnsitzgesetz behalten die Kranken= und Pflege-
häuser grundsätzlich die Rechtsfähigkeit (§ 14 A.G.). Sie sind jedoch verpflichtet, so-
weit nicht stiftungsmäßige Anordnung oder vor der Verkündung dieses Gesetzes ver-
tragsmäßig übernommene Verpflichtungen entgegenstehen, die unentgeltliche Fürsorge
der ihnen von dem Ortsarmenverband ihres Sitzes überwiesenen Pflegebedürftigen
und Kranken nach Maßgabe der verfügbaren Räume zu übernehmen ¼; erst nach Er-
füllung dieser gesetzlichen Verpflichtung sind sie befugt, Kranke und Pflegebedürftige
aus anderen Armenverbänden vertragsmäßig zu übernehmen. Reichen die Einkünfte
einer Anstalt nicht aus, um dieser Verpflichtung nachzukommen, so ist im Verwaltungs-
ausschusse des Landarmenverbandes nach Anhörung des Verwaltungsrates der Anstalt
und des Ortsarmenverbandes ein Verzeichnis der Sätze aufzustellen und zu veröffent-
lichen, nach welchem der Ortsarmenverband der Anstalt die Verpflegung zu vergüten hat.
b) Die Verwaltung der Kranken= und Pflegehäuser wird durch einen Ver-
waltungsrat geführt, für dessen Bildung und Geschäftsführung die gleichen Grund-
sätze gelten wie für den Armenrat 16. Der Verwaltungsrat (Verwaltungskommission)
leitet den ganzen inneren und äußeren Dienst der Anstalt auf Grund von Satzungen,
die durch den Bezirkspräsidenten genehmigt worden sind. Die Anstaltsbeamten, wie
Rechner und dergleichen, werden auf Vorschlag des Verwaltungsrates vom Bezirks-
präsidenten ernannt. Nach außen wird die Anstalt von dem Vorsitzenden des Ver-
waltungsrates vertreten, der die Beschlüsse der Kommission auszuführen hat; das Ver-
½ Die Ernennung dieser Beamten erfolgt durch den Bezirkspräsidenten auf Vorschlag des
Armenrats; für die endgültige Entlassung ist nur das Ministerium zuständig. Ord. v. 31. Okt.
1821 I#t. 18; Dekr. v. 25. März 1852 Art. 5 Nr. 9.
ber den dem Armenrat allenfalls beizuordnenden Einwohnerausschuß vgl. § 6 Voll-
jugsbestimmungen.
13 ,e L.G. Straßburg v. 3. Dez. 1910, 10 244/10.
11 Streitigkeiten über den Umfang der Fürsorgepflicht werden im Verwaltungsstreitverfahren
entschieden. § 34 A.G.
Ist eine Anstalt stiftungsmäßig verpflichtet, Pflegebedürftige und Kranke aus mehreren Ge-
meinden aufzunehmen, ohne daß die Zahl der Aufzunehmenden festgesetzt ist, so ist diese Zahl für
jede der beteiligten Gemeinden durch den Verwaltungsausschuß des Landarmenverbandes festzusetzen
§* 14 Absl. 3. In der gleichen Weise wird Bestimmung getroffen, wenn eine Anstalt zugleich Kranken-
und Pflegehaus ist, ohne daß das Lifferamaßige Verhältnis der Kranken= und Pflegebedürftigen durch
Stiftung # oder Satzung feststeht. § 14 Abf. 4
v. 28. März 1852; Gem. O. 9 58.