Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

*64 Die Frrenpflege. 245 
  
anwalt und dem Bürgermeister des Wohnortes des Untergebrachten Mitteilung zu 
machen; der Bürgermeister hat wiederum die Familie zu benachrichtigen. 
Im Falle unmittelbarer Gefahr, sei es, daß sie offenkundig oder ärztlich 
bescheinigt ist, hat die Ortspolizeibehörde die vorläufige Unterbringung des Geistes- 
kranken anzuordnen 11; binnen 21 Stunden ist aber durch Vermittlung des Kreis- 
direktors dem Bezirkspräsidenten Anzeige zu erstatten, der sofort und endgültig über 
die Aufnahme entscheidet. 
Die öffentlichen Spitäler und Hospizien find verpflichtet, solche Geisteskranke, 
die von Amts wegen in eine Irrenanstalt verbracht werden sollen, vorläufig auf- 
zunehmen; befindet sich in der Gemeinde keine derartige Anstalt, so hat der Bürger- 
meister für die vorläufige Unterkunft zu sorgen (Art. 24) 1. 
Die Irrenanstalten sind ferner verpflichtet, solche Geisteskranke aufzunehmen, 
welche wegen einer Straftat verfolgt, aber wegen krankhafter Störung der Geistes- 
tätigkeit außer Verfolgung gesetzt wurden (X 51 Str.G.B.), ferner solche, welche 
als Untersuchungs= oder Strafgefangene in Geisteskrankheit fallen, und schließlich solche, 
die uls Angeschuldigte zur Vorbereitung eines Gutachtens über ihren Geisteszustand 
u e öffentliche Irrenanstalt verbracht und dort beobachtet werden sollen (§ 81 
tr. P.O.) 16. 
Für die zwangsweise Unterbringung ist die Frage der Entmündigung des Geistes- 
kranken ohne Bedeutung 17. 
b) Die freiwillige Unterbringung (Art. 8 f.) eines Geisteskranken hat 
die Einreichung eines Aufnahmegesuchs nebft ärztlicher Bescheinigung zur Voraussetzung. 
lber die Aufnahme entscheidet der Anstaltsdirektor. Binnen 24 Stunden ist dem 
Bezirkspräsidenten unter Beifügung eines Zeugnisses des Anstaltsarztes Mitteilung von 
der Unterbringung zu machen. Der Bezirkspräsident ordnet, falls es sich um die Auf- 
nahme in eine Privatanstalt handelt, die alsbaldige nochmalige ärztliche Untersuchung 
des Ausgenommenen, und zwar auf Kosten der Anstalt ½ an. Dem Ersten Staats- 
anwalt des Bezirks, in welchem die Anstalt liegt, und jenem, in welchem der Auf- 
genommene seinen Wohnsitz hat, ist von der Unterbringung Mitteilung zu machen. 
Vierzehn Tage nach der freiwillig erfolgten Aufnahme hat der Anstaltsarzt dem Be- 
zirkspräsidenten ein neues, eingehendes Gutachten über den Krankheitszustand des Auf- 
genommenen einzureichen 2. 
In jeder Irrenanstalt werden zwei von dem Bürgermeister der Anstaltsgemeinde 
mit Seitenzahl und Handzug versehene Register geführt, von denen das eine die 
14 Art. 19 zit. Die Offenkundigkeit der Geisteskrankheit wird durch die Bescheinigung des 
Bürgermeisters nocherwiesen. 
½ Eine Unterbringung in einem Gefängnis oder eine Transportierung mit einem Gefangenen- 
tkansport iß untersagt. Gendarmen sollen nicht verwendet werden. Min. Verf. v. 21. April 1885 
g. . . 
I«§§203,485,487Str.P.O.Min.Vekf.v.s.Mai1884(Smlg.9S.14l).DerBezircss 
prüsidentverfügtaufbieMitteilungfeitensdesGerichtsodekderGefängnisbehdrbedieUnters 
brinnng.Jmalledes§81Str.P.O.istdemAnttagaufUnterbringungunbedingtstattzugeben. 
Zu» ndig 8; ntgegennahme des Antrags auf Aufnahme ist derjenige Bezirkspräsident, in dessen 
GVezirk der iberrsene Unterstützungswohnsitz hat. und. falls er einen solchen in Elsaß-Lothringen 
nicht hat, der Bezirkspräsident, in dessen Bezirk die Anstalt liegt. Vgl. Min.Verordn. v. 3. März 1900. 
ç 17 Entsteht, namentlich aus vermögensrechtlichen Gründen, ein Bedürfnis dem Geisteskranken 
einen Aielichen Vertreter zu bestellen, so kann ihm nach den Vorschriften des B.G. B. ein Vormund 
oder Pfleger bestellt werden. » 
Die geplante Entmündigung ist ebenfalls ein Grund, um Personen zur Feststellung ihres 
geistigen Wustande in eine Irrenanstalt zu verbringen. § 656 C.P.O. 
18 Dem Gesuch müssen als Anlage ein Paß oder ein ähnliches Schriftstück behufs Feststellung 
der Identität des Aufzunehmenden beigelügt werden; ferner muß es die genauen Personalien desselben 
enthalten. Das ärztliche PBugnis= welches nicht älter als 14 Tage sein darf, muß die Art der 
Geisteskrankheit und die Notwendigkeit der Anstaltsbehandlung bescheinigen. Es darf von keinem 
der Anstaltsärzte ausgestellt sein. Nur der Direktor einer öffentlichen Anstalt darf im Dringlichkeits- 
fall von der Vorlage eines Zeugnisses absehen. Die mit der Prüfung dieser Formalitäten 
fanftraßten. Beamten sind für deren Erfüllung eventuell strafrechtlich verantwortlich. Art 41 zit. 
Leoni-Mandel S. 158. 15 Art. 29 Finanzgesetz v. 25. Juni 1841, Art. 8, 9. 
20% Art. 9—11 Ges. 1838, Art. 6 Abs. 2 Ord. v. 18. Dez. 1889.
	        
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