Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

8 65 Die Kinderfürsorge. 
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sind die Unterhaltspflichtigen ersatzpflichtig und können dazu im ordentlichen Rechts- 
verfahren angehalten werden. Nur soweit auch solche nicht vorhanden sind, tritt die 
Armenpflege ein. 
Drittes Kapitel. 
§s 65. Die Kinderfürsorge. I. Derjenige Teil der Armenpflege, welcher sich 
mit der Unterstützung der hilfsbedürftigen Kinder (enfants assist 6s) befaßt, lag früher 
den Bezirken ob; durch das Unterstützungswohnsitzgesetz ist an die Stelle des Bezirks 
der Landarmenverband und an die Stelle der Gemeinde der Ortsarmenverband getreten 
(§+ 26 Armengesetz). 
Unter die „enfants assistés“ fallen die Findelkinder (enfants trouvés), 
die verlassenen Kinder (enfants abandonnés) und die armen Waisen (orphelins 
auvres). Für diese drei Kategorien von Kindern hat der Landarmenverband, für 
ie übrigen der Ortsarmenverband zu sorgen. Bezüglich der erwähnten drei Klassen 
der unterstützten Kinder ist im einzelnen folgendes zu bemerken: 
1. Findelkinder sind solche Kinder, die von unbekannten Eltern abstammen 
und an irgendeinem Orte ausgesetzt gefunden oder in die zu ihrer Aufnahme bestimmten 
Pflegehäuser verbracht werden . Den Findelkindern gleichgestellt werden diejenigen 
Kinder, welche im Spital von einer Mutter geboren werden, die nicht für sie sorgen 
kann 2. Über die ausgenommenen Kinder ist ein Register zu führen, in welches alle 
für ihre Wiedererkennung allenfalls dienlichen Merkmale eingetragen werden s. 
2. Verlassene Kinder sind solche Kinder, die zwar von bekannten Eltern 
abstammen und zunächst von diesen oder von Dritten an Stelle der Eltern erzogen, 
sodann aber verlassen worden sind, ohne daß man weiß, was aus den Eltern geworden 
ist, oder ohne daß man sich an dieselben oder an Unterhaltspflichtige halten könnte “. 
Ihnen gleichgestellt werden die Kinder armer, in Untersuchungshaft oder Strafhaft be- 
findlicher Eltern oder von Eltern, die selbst wegen Armut oder Krankheit in einem 
Spital oder in einer Irrenanstalt vorübergehend oder dauernd aufgenommen worden 
sind, für die Dauer der vorgeschriebenen elterlichen Verhinderung. 
3. Arme Waisen find solche Kinder, deren Eltern beide verstorben sind, und 
die keine Existenzmittel haben 6. 
Die den vorstehenden drei Klassen angehörigen Kinder werden nach folgenden 
einheitlichen Grundsätzen behandelt: 
Die Kinder sind in die vom Bezirkspräsidenten bestimmten, zur Aufnahme von 
Kindern statutenmäßig verpflichteten Pflegehäuser aufzunehmen #. Die vorläufige 
Aufnahme, die von jedermann beantragt werden kann, bewirkt der Anstaltsvorstand, 
die endgültige der Bezirkspräsident durch begründeten Beschluß. Der Bezirks- 
wrißtdent den die Aufnahme unverzüglich dem Vormundschaftsgericht mitzuteilen (§ 140 
G. B. G. B.). 
Das Verbleiben in der Anstalt ist nur aushilfsweise gedacht; sobald es die 
Umstände zulassen, sind die Kinder in die Pflege von Privatleuten zu geben?. Mit 
(8 65] 1 Leoni-Mandel S. 161. Die in Frankreich vielfach übliche Einrichtung der Drehscheibe 
(tour) existiert in Elsaß-Lothringen nicht. Über die Eintragung von Findelkindern in das Standes- 
register vgl. O.L. G. Colmar v. 3. April 1912 in Els.-l. 3. 1912 S. 382. 
* Min. Instr. v. 8. Febr. 1823. » 
»"3Dekr.v.19.Jan.1811Art.«4.§246cs.v.6.Febr.187.-').—UberdenWohnsitzder 
Findelkindervgl.Els.-l.3."25S.459. 
Detr. v. 19. Jan. 1811 Art. 5; Staatsrat v. 13. Ang. 1861. 
5 Dekr. v. 19. Jan. 1811 Art. 6. 
* Vgl. Dalloz, Rép. vo secours publics Nr. 147, Suppl. Nr. 110. Eine Aufzählung 
der Anstalten befindet sich bei Bruck III S. 215 N. 5. 
Ver. v. 30. vent. V. Art. 1—3, Dekr. v. 19. Jan. 1811 Art. 7—10. Krüppel und 
Gebrechliche bleiben ständig in der Anstalt; Kinder mit lasterhaften oder verbrecherischen Neigungen 
werden dorthin urückgebracht. Eventuell kommt Zwangsergiehung in Frage. § 2 II Ver. v. 
10. Jan. 1900 (Fentus l. S. 34). BVgl. auch die auf Grund Art. 3 Ziff. 5 Ki. XI des Ges. v. 
16.—24. Aug. 1790 und Ges. v. 30. Dez. 1871 erlassenen Wirtspoligeiverordnungen. v. 30. Sept. 
1905, Centr. Bl. S. 349, und v. 24. Juli 1908, Centr. Bl. S. 245, über das Halten und die Be- 
aussichtigung von Kostkindern und bevormundeten Kindern. 
 
	        
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