270 Vierter Teil. Die Landesver waltung. 68
Während nach der früheren Gesetzgebung die gesamten Spareinlagen bei der
Staatsdepositenverwaltung hinterlegt werden mußten, ist in dieser Beziehung seit dem
Sparkassengesetz vom 23. August 18122 (G.Bl. S.) eine Anderung eingetreten. Es ist
nunmehr zwischen Sparkassen mit Gemeindebürgschaft und Sparkassen ohne
Gemeindebürgschaft zu unterscheiden. Nur die ersteren können die zinsbare An-
lage der Spareinlagen nach Maßgabe der §#§ 31 f. Sp.K G. selbständig vornehmen;
die letzteren Sparkassen haben wie bisher ihre sämtlichen Gelder an die Staatsdepositen-
kasse abzuführen und bleiben infolgedessen auch rücksichtlich ihres Zinsfußes auf den
ihnen dort vergüteten Zins angewiesen.
Für beide Arten von Sparkassen gelten folgende gemeinschaftliche Vorschriften:
1. Die Errichtung und Auflösung öffentlicher Sparkassen erfolgt durch
Kaiserliche Verordnung (§ 1) auf Antrag des Gemeinderats des Ortes, in welchem
die Sparkasse errichtet werden soll. Die sonach errichteten Sparkassen haben die
Stellung ösfentlicher Anstaltens und genießen bezüglich aller nach Landesgesetzen
zu erhebenden Steuern und Abgaben dieselben Vorrechte wie der Fiskus. Ins-
besondere können die Sparkassen, wie das Gesetz in § 2 noch besonders hervorhebt,
unter ihrem Namen Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen
und verklagt werden.
2. Die Spareinlagen müssen mindestens eine Mark betragen. (§ 3.) Ehe-
frauen können ohne Mitwirkung des Ehemannes, Minderjährige ohne Mitwirkung ihrer
gesetzlichen Vertreter Geldbeträge einzahlen. (§ 4.) Einzahlungen können auch unter
gewissen Vorbehalten" gemacht werden; so kann die erste Einzahlung zugunsten
eines Minderjährigen oder einer Unverheirateten mit dem Vorbehalte geschehen, daß
die Auszahlung nicht vor der Großjährigkeit des Minderjährigen oder der Heirat der
Unverheirateten erfolgen soll. Der Vorbehalt gilt auch für die späteren Einzahlungen,
welche auf dasselbe Buch geleistet werden, und er erstreckt sich ferner auf die Zinsen,
sofermn nichts anderes bestimmt wird. (§ 5 I.)
(8 681 Leset, v. 14. Juli 1895 nebst Novellen. Vgl. Kisch S. 275 f., Bruck III 91.
2 In Kraft getreten am 1. Jan. 1913. Die Ausführungsanweisung des Ministeriums
datiert v. 24. Dez. 1912 (Centr. Bl. 1913 S. 1f.). E. Gruber, Das Sparkassengesetz für E.-L.
mit Erläut. 1912.
3 Bereits das Gese v. 1895 bezeichnete in seiner Begründung die Sparkassen als öffentliche
Anstalten; da aber der Gesetzestext keine ausdrückliche Bestimmung in dieser Kinicht vorsah, war
die Frage nach der rechtlichen Natur der Sparkassen sehr bestritten. Diese Zweifsel werden nunmehr
durch § 2 Ges. behoben, welcher den Sparkassen auedrücklich die rechtliche Stellung einer öffentlichen
Anstalt (Ctablissement public), also einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (Gegen atz:
gemeinnützige Anstalt — ét. d'utilité publique — juristische Person des Privatrechts) anweist. Vgl.
die Begründung zu Art. I des Entw. Landtagsverh. 1. Sess. 1911 Verl. Nr. 1 S. 14. Als öffsent-
liche Anstalten genießen die Sparkassen folgende Vorzüge: Ihre Kassen sind öffentliche (§ 10 A.G.
B.G.B.); die Eröffnung des Konkurses über die Sparkasse ist unzulässig (§ 11 A.G. C P.O.); itre
Urkunden sind öffentliche im Sinne der Gru. B. O.;, über Gutbaben bei den S. arkassen können die
Gerichte besondere Erbscheine ausstellen, (Ges. betr. And. des G. Kost.G., v. 8. Juli 1903).
Soll eine Sparkasse verklagt werden, so bedarf es, anders als bei der Gemeinde, nicht der
vorherigen Einreichung einer Denkschrift (§5 56 Z. 15 Gem.O.). Als gesetzliche Hinterlegungsstellen
können die Sparkassen nicht dienen; zu solchen Zwecken ist nur die Staatsdepofitenverwaltung vor-
handen. Elf.-I. Z. 1911 S. 487.
*4 Neben den gesetzlichen find noch statutenmäßig vorgesehene Vorbehalte möglich (§5 5 Abf. 3).
Die mit Vorbehalt gemachten Einlagen werden nur nach Erledigung des Vorbehatts ausgezahlt.
Kraft Gesetzes tritt der Vorbehalt use Kraft, wenn der Minderiährige vor erlangter Volljährigkeit
oder die Unverheiratete vor der Heirat stirbt. Dasselbe gilt, wenn die Unverheiratete, ohne zu
eiraten, das 24 Lebene jahr vollendet. § 5 Abs 2. Die bei den Beratungen zum Sparkassengesetz
I. Kammer, 1. Sess. Sten. Ber. S. 155 f.) aufgeworfene Frage, ob in Notfällen nicht an schon
vor Erreichung der Volljährigkeit oder vor der Heirat Ausgahlungen stattfinden könnten, hat der
Regierungsvertreter dahin beantwortet, daß, wenn einmal eine Sperrung eingetreten sei, hiervon
Ausnahmen nicht gemacht werden könnten; auch das Vormundschaftsgericht könne nicht in entgegen-
geuse zim Sinne entscheiden. Es könne nur die Forderung gepsändet und auf diese Weise Geld
eschafft werden.
Der Vorbehalt „soweit nicht anderes bestimmt wird“ erstreckt sich nicht auf den ganzen Abs. 1
des § 5, sondern nur auf den Schlußsatz bezüglich der Zinsen. Die durch die gesetzlichen Bestimmungen
allenfalls entstehenden Härten können durch ausdrückliche statutarische Bestimmungen der Sparkasse
gemildert werden.