274 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 8 68
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Straßburg und Metz der Bezirkspräsident. Der Vorstand besteht aus dem von der
Aufsichtsbehörde ernannten Vorsitzenden und vier vom Gemeinderat gewählten Bei-
sitzern; erstreckt sich die Kasse über mehrere Gemeinden, so sind die beteiligten Ge-
meinderäte wahlberechtigt. Die Vorstandsmitglieder verwalten ihr Amt als Ehrenamt,
erhalten jedoch Ersatz ihrer Auslagen. Der besoldete Rechner wird vom Vorstand ernannt
beamten und von der Aufsichtsbehörde bestätigt 22. Für den Vorstand und die übrigen Kassen
gilt die Pflicht der Geheimhaltung geschäftlicher Angelegenheiten Dritten gegenüber.
Zur Deckung etwaiger Verluste muß aus dem jährlichen Reingewinn ein Sicher-
heitssonds im Betrage von mindestens 10 %% der Verbindlichkeiten der Kasse errichtet
werden (§ 18). lbersteigt der Sicherheitsfonds den durch die Stututen festgesetzten
Höchstbetrag, so find die beim Jahresabschluß sich ergebenden weiteren Uberschüsse den
Seelen des Kassenbezirks zur Bestreitung gemeinnütziger Ausgaben zur Verfügung
zu stellen.
Die Gemeinden haften für die Verbindlichkeiten der Vorschußkassen bis zum
Betrage von fünf Zuschlagspfennigen des von ihnen aufzubringenden Prinzipales der
vier direkten Steuern jährlich (§ 17). Eine öffentliche Vorschußkasse, die dauernd zur
Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten außerstande ist, kann durch das Ministerium auf-
gelöst werden. Die Abwicklung der Geschäfte vollzieht alsdann der Vorstand und bei
seiner Säumnis die Aufsichtsbehörde.
Neben der Gewährung verzinslicher Darlehen 25, die den Hauptzweig der Tätig-
keit der öffentlichen Vorschußkassen bilden, befassen sich diese auch mit dem Ankauf von
Forderungen aus Verkäufen oder aus Teilungen von Liegenschaften usw.““.
Die nötigen Betriebsmittel erhalten die öffentlichen Vorschußkassen auf
ihren Antrag von der Staatsdepositenverwaltung als Darlehen gegen eine Zins-
vergütung von höchstens 4% ; die Höhe des Gesamtbetrages der Darlehen bestimmt
sich nach dem jährlichen Etatsgesetze. Den Höchstbetrag der an die einzelne Kasse zu
überweisenden Darlehen bestimmt das Ministerium. Die Kosten der ersten Einrichtung
der Kassen werden aus Landesmitteln bestritten (§ 4).
III. Die Leihhäuser. Die öffentlichen Leihhäuser (monts de piété)5
sind gemeinnützige Anstalten. Sie bezwecken die Hingabe von Darlehen gegen Ver-
pfändung beweglicher Gegenstände; es soll dadurch der wucherischen Ausbeutung der
bürgerlichen Klassen durch gewerbsmäßige Pfandleiher entgegengearbeitet werden. Mit
der Einführung der Gewerbeordnung haben die öffentlichen Leihhäuser jedoch kein
Monopol mehr hinsichtlich des Pfandleihgewerbes; es ist vielmehr mit polizeilicher
Genehmigung die Errichtung privater Pfandleihanstalten möglich?. Offentliche
Leihhäuser können nur mit landesherrlicher Genehmigung auf Grund eines Gemeinde-
ratsbeschlusses errichtet werden 27. Das Gründungsdekret muß auch die Statuten des
öffentlichen Leihhauses genehmigen (Art. 2).
An der Spitze des Leihhauses steht der Verwaltungsrat, dessen geborener
Vorsitzender der Bürgermeister ist. Die übrigen von der Satzung bestimmten Mit-
glieder des Verwaltungsrates wählt der Gemeinderat, und zwar zu einem Drittel aus
den Verwaltungsräten der Wohltätigkeitsanstalten, zu einem Drittel aus dem Gemeinde-
rat und zu einem Drittel aus den übrigen Gemeindeeinwohnern #. Das Amt ist ein
Ehrenamt. Der Verwaltungsrat wird jährlich zu einem Drittel erneuert; die aus-
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28 Der Rechner ist nicht Vertreter der öffentlichen Vorschußkasse: er kann also auch nicht in
ihrem Namen Quittungen ausstellen. O. L.G. Colmar v. 27. Nov. 1905 Elf.-l. Z. 1906 S. 64.
Der Rentmeister sowie der Gemeinderechner sind verpflichtet, die Stelle als Rechner zu über-
nehmen. Der Rechner ist kautionspflichtig. § 11.
*2 Auf diese Darlehen finden mit gewisse Modifikationen die Grundsätze des bürgerlichen
Rechts Anwendung. 5§ 2f. 34 Gesetz v. 7. Juli 1897.
25 Die einfene igen Gesetzesbestimmungen sind: Ges. v. 16. pluv. XII: Dekr. v. 24. mess.
Nll. Ordom. v. 18. Vam 1832; Ges. v. 24. Juui 1851. Vagal. Leoni-Mandel S. 174; Bruck
2# § 34 Gew.O. Zuständig zur Erteilung der Genehmigung ist der Kreisdirektor.
27 Art. 1 Ges. v. 24. Juni 1851. Dadurch unterscheiden sich die Leihhäuser von anderen
Wohltätigkeitsanstalten. 28 Art. 2 Ges. v. 1851, Gem.O. 8 58.