8 74 Die Landwirtschaft. 300
50 —54, 58 des Forststrafgesetzbuches, sind die Amtsgerichte, und zwar ohne Zuziehung
von Schöffen, zuständig (§ 67 zit.).
Durch den amtsrichterlichen Strafbefehl können Geldstrafen bis zu 150 Mk.,
ferner daneben auch der Wertersatz, das Ersatzgeld und eine etwa verwirkte Ein-
ziehung ausgesprochen werden (§ 69 zit.)28. Beim Ausbleiben des Angeklagten kann
auch dann zur Hauptverhandlung geschritten werden, wenn die betr. Voraussetzungen der
Strafprozeßordnung nicht vorliegen 7". Die Forstschutzbeamten haben bezüglich der bei
Ausübung des Forstdiebstahls benutzten Gegenstände 3° ein Pfändungsrecht (8§ 58 —62).
§ 74. Die Landwirtschaft. Die Förderung der Landwirtschaft ist eine der
vornehmsten Aufgaben der Staatsverwaltung. Die in den deutschen Bundesstaaten
erst im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts einsetzende Agrargesetzgebung, deren Haupt-
zweck auch die Beseitigung der Grundlasten war, hat in Elsaß-Lothringen ihren Vor-
läufer in der Revolutionsgesetzgebung, die mit einem Strich die feudale Agrarverfassung
des Mittelalters beseitigte 1.
Die auf die Hebung der freien Landwirtschaft bezüglichen staatlichen Maßnahmen
bestehen hauptsächlich in Landeskulturarbeiten, in der Förderung genossenschaftlicher
Bildungen behufs Vollführung von Unternehmungen, die die Kräfte des Einzelnen über-
steigen, in der Fürsorge für das Kredit= und das Untersuchungswesen (Versuchsstationen)
und für die Schaffung von Bildungsanstalten (landwirtschaftliche Schulen).
I. Die Leitung der gesamten auf die Landwirtschaft bezüglichen Verwaltung
hat das Ministerium (IV. Abteilung für Landwirtschaft und öffentliche Arbeiten), zu
dessen Unterstützung, namentlich in technischen Fragen, der Landwirtschaftsrat?
dient. Der Landwirtschaftsrat ist mit der Wahrnehmung der gesamten Interessen der
Landwirtschaft betraut. Seine Mitglieder werden auf die Dauer von vier Jahren
erwählt oder ernannt. Jeder landwirtschaftliche Kreisverein wählt ein Mitglied, außer-
dem steht dem Statthalter das Recht zu, Mitglieder zu demselben zu ernennen und
an gewisse Körperschaften das Wahlrecht zu verleihen 3. An der Spitze des Landwirt-
schaftsrates steht ein Präsident, der, ebenso wie sein Stellvertreter, vom Statthalter
ernannt wird. Der Präsident erledigt die laufenden Geschäfte und führt in den Plenar-
versammlungen den Vorsitz. Auch die Geschäftsordnung des Landwirtschaftsrates wird
vom Statthalter festgesetzt .
1. In jedem Kreis wird ein mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteter land wirt-
schaftlicher Kreisverein gebildet, der die landwirtschaftlichen Interessen des
Kreises zu vertreten hat. Die Leitung des Vereins obliegt dem Vorstand, der aus
dem Vorsitzenden und je einem Beisitzer aus jedem Kanton besteht. Der Vorsitzende
wird vom Statthalter nach Anhörung des Vorstandes auf die Dauer von vier Jahren
28 der /FEslung des Seetes v. 23. Mai 1888 (G.Bl. S. 45).
269 Ges. v. 23. Mai 1888 SF 70.
Über die Bernfung gegen die Urteile der Amts= und Schöffengerichte entscheidet die Straf-
kammer in der W * von drei Mitgliedern. Die Revision ist nur zulässig, wenn es sich um
einen qualifizierten Forstdiebstahl (§ 15 d 1 u. 2 Forststr. G. B.), um gewerbs= oder gewohnheits-
nößige Hebberen. rber errsn einen Forstdiebstahl im zweiten oder ferneren Rückfalle handelt (§8 64
3, orststr. G. B.).
9½%0 3. B. B. en, Karren, Schlitten, Kähne, Zugtiere, bei Weidefrevel auch das weidende
Bieh. Für die Vollstreckung der Pfändung gelten ähnliche Regeln wie im Feldpolizeistrafgesetzbuch
(88 58—62 Forststr. G. B.).
4 1 Leoni, Derfassungorecht S. 40; vgl. inebesonderr das Gesetz v. 29. Dez. 1790 über die
blösung der Grundrenten. Seit der dieoliattansgesee ung gibt es in E.-L. keine Fideikommisse mehr.
* Vgl. K. Ver. v. 6. Nov. 1895 (G. Bl. S. 111) und v. 12. März 1900 (G Bl. S. 51).
2 Dies letztere ist geschehen zugunsten der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, des
Ackerbaues und der Künste im Unterelsaß, des Pferdezuchtvereins für E.-L., des Verbandes der
Raiffeisenkassen in E.-L., des Revisionsverbandes landwirtschaftlicher Genossenschaften in E.-L.
Außerdem gehören dem Landwirtschaftsrat die drei Bezirkspräsidenten an.
* 131 K. Ver. v. 6. Nov. 1895; Erl. des Statth. v. 24. April 1896 (Centr. Bl. S. 124):
Ausf. Best. in der Min.Ver. v. 4. Dez. 1895 (Centr. Bl. S. 229) und v. 28. Nov. 1903 (Centr. Bl.
S. 183). — Für gewisse wichtig Angelegenheiten (Tierzucht, Obstbau, Kreditwesen usw.) bildet der
Landwirtschaftsrat ständige Kommissionen.