310 Vierter Teil. Die Landesverwaltung.
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ernannt. Mitglied des Vereins kann jeder im Kreise ansässige Landwirt werden.
Sämtliche (23) Kreisvereine sind zu einem Landesverbande vereinigt, der ebenfalls
die Rechtsfähigkeit besitzt?. Um das gedeihliche Zusammenwirken der Verwaltungs-
organe mit den Kreisvereinen und dem Verbande zu sichern, sind bei letzteren
Regierungsvertreter ernannt, die an den Sitzungen der Vorstände und an den
Versammlungen teilnehmen dürfen. Außerdem üben sie die Rechnungskontrolle und in
weitem Maße auch eine Verwaltungskontrolle aus 6.
2. Landwirtschaftliche Anstalten bzw. Einrichtungen zu Lehrzwecken
sind die landwirtschaftliche Schule zu Rufach mit einer angegliederten Ackerbau= und
Weinbauschule, die (9) landwirtschaftlichen Winterschulen, die hauptsächlich der Land-
wirtschaftslehre dienen, die Hufbeschlagschulen in Straßburg und Metz, die für den
Tiefbau bestimmte Abteilung der Kaiserlich Technischen Schule in Straßburg, die
Bezirksobstbaumschule in St. Avold, die Obstbaumkurse in Colmar und Straßburg,
die Haushaltungsschule für Bauerntöchter. Schließlich ist noch zu erwähnen die land-
wirtschaftliche Versuchsstation zu Colmar (mit einer Zweigstelle in Metz), die wissen-
schaftliche Gutachten erstattet, und von deren Direktor auch belehrende Vorträge ge-
halten werden.
II. Der Klarstellung der Eigentumsverhältnisse an ländlichen Grundstücken dient
in erster Linie das Vermarkungswesen. Die Vermarkung erfolgt entweder auf
Veranlassung oder im Interesse der beteiligten Grenznachbarn (§ 912 1 B.G.B.) oder
im öffentlichen Interesse auf Grund des Gesetzes vom 21. November 1875 (G. Bl.
S. 189). Zur Aufsicht über die Gemarkungs-, Gewann-, Grundstücks= und Wege-
grenzen sind in jeder Gemeinde durch den Gemeinderat vier Feldgeschworene zu
wählen, die vom Kreisdirektor bestätigt und vom Amtsrichter eidlich verpflichtet
werden. Die Ernennung geschieht auf unbestimmte Zeit; es kann deshalb auch jeder-
zeit die Enthebung durch den Kreisdirektor ausgesprochen werden. Nur die Feld-
geschworenen sind befugt. Grenzmarken zu setzen oder zu verändern. Vorausgesetzt ist
hierbei, daß die Grenzen unter den Eigentümern unbestritten sind. Grenzstreitigkeiten
sind vor den ordentlichen Gerichten auszutragen . Münschenswert ist es allerdings,
daß die Feldgeschworenen bei vorhandenen Grenzstreitigkeiten im versöhnlichen Sinne
unter den Parteien tätig werden. Uber die dienstliche Tätigkeit und die Gebühren der
Feldgeschworenen ist eine Feldgeschworenenordnung seitens des Ministeriums
erlassen 8.
III. Das landwirtschaftliche Meliorationswesen. Der für die
Hebung der Landwirtschaft so wichtigen Frage der Bodenverbesserung (Melioration)
durch Be= und Entwässerungsanlagen, Feld= und Flurbereinigungen usw. dienen eine
Reihe verschiedener Gesetze.
1. Erwähnung verdient zunächst das Gesetz über die Austrocknung der
Sümpfe vom 16. September 1807 (ogl. oben S. 295).
2. Das Gesetz vom 21. Juni 1865 über die Syndikatsgenossenschaften?
bildet eine wichtige Ergänzung des Sumpfgesetzes. Die Syndikatsgenossenschaften sollen
in erster Linie der Verbesserung und Erhaltung landwirtschaftlicher Grundstücke dienen.
Ihre Aufgabe kann bestehen in der Herstellung von Schutzvorrichtungen gegen natür-
liche Wasserläufe, in der Ausräumung, Vertiefung und Geradelegung von nicht schiff-
baren Wasserläufen, in der Schaffung von Be= und Entwässerungskanälen, in der
* §5 Ver. v. 12. März 1900. Die Satzungen unterliegen der Genehmigung des Ministeriume.
* Endgültige Entscheidung trifft im Falle der Beanstandung das Ministerium.
7 Streitigkeiten über die Art der Vermarkung entscheiden dage en die Verwaltungsbehörden.
6 Feldgeschw.O. v. 11. Okt. 1900 (Centr. Bl. S. 262) und v. 2 uri 1903 (Centr. Bl. S. 102).
Die Gebühren der Feldgeschworenen werden auf Grund einer vom Kreisdirektor festgesetzten Hebeliste
verteilt. Die Einziehung der Gebühren erfolgt nach den für die direkten Steuern geltenden Grund-
sätzen. Über Einsprüche gegen die Veranlagungen der Hebeliste entscheidet der Kreisdirektor.
V9gl. Ges. v. 11. Mai 1877, betr. die Anderung der Gesetzgebung hinsichtlich des Wasser-
rechts; Ges. v. 14. April 1884, betr. die Anlage und Unterhaltung von Feldwegen, und Ges. v.
30. Juli 1890, betr. die autorisierten Genossenschaften zum Zwecke der Regelung von Feldwegen u. a.:
Ges. v. 2. Juli 1891 (G. Bl. S. 82) § 51 Nr. 4; Art. 65, 113 E.G. B. G. B.