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dessen Stellvertreter und einen Kassenführer; außerdem kann sich die Kammer im Be—
dürfnisfalle einen besoldeten Sekretär bestellen, der nicht Mitglied der Kammer zu sein
braucht. Der Vorsitzende vertritt die Kammer nach außen und hat den Vorsitz bei
den Tagungen derselben. Die Sitzungen der Handelskammer sind nicht öffentlich; in-
dessen haben der Bezirkspräsident oder der Kreisdirektor am Sitze der Handelskammer
das Recht, den Sitzungen mit beratender Stimme beizuwohnen. Uber die Sitzungen
wird ein Protokoll geführt. Die Handelskammern haben jährliche Berichte über ihre
Wirksamkeit zu erstatten; außerdem sind sie verpflichtet, dem Ministerium und dem
Bezirkspräsidenten auf Ansuchen Gutachten über die den Handel und die Industrie be-
treffenden Fragen abzugeben.
Die Aufsicht über die Handelskammern führt das Ministerium; dasselbe genehmigt
insbesondere die Jahresrechnungen, ferner die Aufnahme von Anleihen und den Erwerb
und die Veräußerung von Grundstücken.
Die Ausgaben der Handelskammern werden durch besondere Abgaben gedeckt,
die auf Antrag der Kammern vom Ministerium festgesetzt werden". Zur Abgabe heran-
gezogen werden die in dem Handelskammerbezirk wohnhaften Kaufleute und Gesellschaften
die in dem Handels= oder Genossenschaftsregister eingetragen sowie die Bergbau-
treibenden 8), und mit mindestens 6000 Mk. zur Gewerbesteuer veranlagt sind. Die
Verteilung unter die Abgabepflichtigen erfolgt nach dem Maßstabe der entrichteten
Staatssteuer. Die Abgabe wird auf Grund der von dem Direktor der direkten Steuern
festgesetzten Heberolle erhoben und wie die Gewerbesteuer beigetrieben.
2. Bezüglich der Börsen ist nunmehr eine reichsgesetzliche Grundlage in dem
Börsengesetz vom 27. Mai 1908 (R.G. Bl. S. 215) gegeben. Die einschlägigen Be-
stimmangen sind für Elsaß-Lothringen deshalb von geringer praktischer Bedeutung, weil
es nur eine einzige „Warenbörse“ (in Straßburg, ' und bislang überhaupt keine Effekten-
börse gibt. Der Vorsitzende der Straßburger Warenbörse, dessen Vertreter, der Staats-
kommissar und der Protokollführer, ferner die Beisitzer und deren Vertreter werden
vom Ministerium auf Grund der Vorschläge der Handelskammer und des Landwirt-
schaftsrates ernannt. An der Straßburger Warenbörse besteht eine „Kommission
für das Ordnungsstrafverfahren wegen verbotenen Börsenterminhandels '
und ferner zur Schlichtung und Entscheidung von zidvilrechtlichen Streitigkeiten ein
Börsenschiedsgericht.
3. Kursmäkler, d. h. die bei der amtlichen Kursfestsetzung mitwirkenden
Handelsmäkler sind nur dann zum freihändigen Verkauf von Sachen, die einen Börsen-
oder Marktpreis haben, befugt, wenn sie hierzu die (widerrufliche) Ermächtigung des
Ministeriums erhalten und einen Eid geleistet haben (§ 39 A.G. F.G.G.).
1II. Das Gewerberecht ist in der Gewerbeordnung enthalten, die durch Gesetz
vom 27. Februar 1888 in Elsaß-Lothringen als Reichsgesetz eingeführt worden ist 10.
* Das Wahlrecht ruht während der Dauer eines Konkurses, einer Zahlungseinstellung und
einer gerichtlichen Lntersuchung wegen Verbrechen oder Vergehen, die den Verlust der bürgerlichen
Ehreurechte nach sich ziehen können.
Für die offenen Handelsgesellschaften wird das Wahlrecht durch einen Gesellschafter, für die
übrigen Hondelsgeselllchaften durch eineen *— mieis Vertreter, Vorstandsmitglied usw., ausgeübt.
Ges. v. 29. März 1897 (G. B usf. Best. v. 31. Juli 1898 (Centr. Bl. S. 175).
Die F#gtanan enden Gual 13 8 3 Abs. 2 die Abgaben nur dann aufzubringen, wenn
der verhältnicmäßigen Bergwerksabgabe nach Maßgabe des Ges. v. 16. Dez. 1873 unterliegen.
ru (II
7 Die Straßburger Warenbörse Licht unter Aussicht der Straßburger Handelskammer. Min.=
Verf. v. 24. Dez. 1896 (Centr. Bl. 1897 10.
„ Ver. v. 28. Okt. 1908 (Centr. 9 S. 3229).
*Kilsch, ber Borsenschiedsgerichtsbarkeit, in Rhein. Z. Bd. 1 S. 13; Fischbach, ebenda
Bd. 4 S. 204, Els.-l. 3. 1912 S 200 und O. L.G. Colmar v. 20. Okt. 1911 (ebenda 1912 S. 112).
10 Reeichsgewerkkardnun v. 27. Febr. 1888 (R.G.Bl. S. 57); Ver., betr. die Einführung der
Gew.O., v 24. Dez. 1888 (G. Bl. S. 101), 18. Jan. 1897 (G. Bl. S. 3), 8. Okt. 1900 (G. Bl. S. 147);
Anweisung des Ministeriums zur A#sfühuun der Gew.O. v. 27. Deg. 1888 (Centr. Bl. 1888 Beil.
zu Nr. 56) und v. 23. Dez. 1908 (ebenda S. 3); Nelken, Die Gewütbeordnun füc das Deutsche
Reich und gewerbepolizeiliche Nebengesetze nebst den Ausführungsbestimmungen, Habern 1909.