8 78 Die Bau= und Feuerpolizei. 337
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Was die Beseitigung von Bauten beziehungsweise Ausbesserungsarbeiten betrifft,
die ohne behördliche Erlaubnis gegen die Grundsätze über die Bauflucht verstoßen, so
kann sie, abgesehen von dem Falle, daß eine unmittelbare Verkehrsstörung vorliegt,
nur dann zwangsweise vorgenommen werden, wenn ein diesbezügliches Erkenntnis
ergangen ist. Zuständig zur Anordnung der Beseitigung für das Gebiet des großen
Straßenwesens““ und der Vizinalstraßen 5° find die Bezirksräte und in zweiter Instanz
der Kaiserliche Rat; für die übrigen Straßen sind die Ziovilgerichte 1 zuständig.
VI. Werden an der Flucht öffentlicher Straßen stehende Häuser 65 baufällig,
so kann den Eigentümern aufgegeben werden, dieselben auszubessern, widrigenfalls die
Behörde die Niederreißung der fraglichen Bauten anordnen kann #s. Zuständig
für die Anordnung dieser Maßnahme ist für Staats-, Bezirks= und Vizinalstraßen der
Kreisdirektor , für Vizinalwege und Ortsstraßen der Bürgermeister 5. Der Eigen-
tümer darf eine Prüfung des baulichen Zustandes durch Sachverständige, von denen
er einen benennt, beantragen. Wird in dem demnächst einzuleitenden kontradiktorischen
Verfahren" die Baufälligkeit bestätigt, so ordnet die Behörde den Abbruch an .
Kommt der Eigentümer binnen der ihm gesetzten Frist der Anordnung nicht nach, so
kann die zwangsweise Niederreißung erfolgen; außerdem macht sich der Eigentümer
strafbar (§ 367 Ziff. 13 Str. G. B.). Ist Gefahr im Verzuge, so kann der Bürger-
meister, ohne die Förmlichkeiten des kontradiktorischen Verfahrens zu wahren, die sofortige
Niederreißung anordnen, sobald ein Sachverständiger die Baufälligkeit festgestellt hat und
der Eigentümer in Verzug gesetzt ist "38. Die Kosten der Niederreißung hat der Eigen-
tümer zu tragen 60. Einen Anspruch auf Entschädigung hat der Eigentümer nur dann,
wenn der Abbruch zu Unrecht erfolgt ist 70. Über den Entschädigungsanspruch entscheidet
in erster Instanz der Bezirksrat, in zweiter der Kaiserliche Rat 71.
VII. An sich müßten alle Vorsprünge'7 (saillies), die über die Fluchtlinie
hinausragen, untersagt werden; indessen kann durch die im einzelnen Falle für die
Bauerlaubnis zuständige Behörde die Anbringung von solchen Vorsprüngen nach freiem
Ermessen gestattet werden, da in der Regel ein erhebliches Verkehrshindernis damit
nicht verbunden ist. Für die großen Straßen sind die für die Erlaubniserteilung
maßgebenden Gesichtspunkte in dem Normalreglement 738, für die kleinen Straßen in den
5 Art. 4 Ges. v. 28. Pluv. VIII; Kais. Rat v. 19. Sept. 1890 und v. 8. Nov. 1902 Nr. 337;
Els.I. 3. 28 S. 339; ferner v. 20. April 1907 Nr. 478, Elf-l. 3. 14 S. 301; 20 S. 506; 21
S. 305: 25 S. 150, 314. 60 Ges. v. 9. Vent. XIII Art. 8.
Dnurch die Strafprozeßordnung ist dem Strafrichter die Befugnis, die Beseitigung anzu-
ordnen, wieder entzogen worden. Der Ausspruch der Strafe für Bauen ohne Erlaubnis ist natürlich
dem Strafrichter verblieben. Str. G. B. § 367 Nr. 15; E.G. Str. G.B. Art. XII. — Über die Frage,
win ech 6 “s Ei Verletzung der Bauflucht niederzulegen find, vagl. O. L. G. Colmar v. 22. Juli
6# Gegen baufällige Häuser, die nicht an Sssentlichen Straßen stehen, kann die Behörde auf
Grund ihrer allgemeinen sicherheitspolizellichen Befugnisse vorgehen. Vgl. auch O. L.G. Colmar v.
1. Okt. 1912, Els.-l. Z. 1913 S. 379.
43 Deklar. v. 18. Juli 1729 und v. 18. Aug. 1730; Regl. v. 21. Juli 1854 Art. 295.
4 Ver. des Reichskanzlers v. 20. Sept. 187# GEG- S. 249) § 1 Nr. 12.
60 9 Gem.O.; Ges. v. 16. Aug. 1790 Tit. XI Art. 3.
ee Kgl. Deklar. v. 18. Juli 1729 und v. 18. Aug. 1780; Regl. v. 21. Juli 1854 Art. 295;
Ducrocq S. 176.
67 Der Beschluß des Bürgermeisters bedarf nicht der Bestätigung des Kreisdirektors. Leoni-
Mandel S. 200 N. 2.
6 Féraud- Giraud S. 510, 511.
% O. Mayer, Franz V.R., S. 275. Die öffentliche Körperschaft, in deren domaine public
der Weg steht, hat die Kosten eventuell vorzuschießen. «
7Gef.v.16.Sept.1807Art.50.ObdieNiederreißunggebotenwar,habennurbieVers
waltungsbehörden 4 entscheiden.
1 Féraud-Giraud S. 509; Foertsch-Caspar S. 84; Leoni-Mandel S. 200.
7. Man versteht unter Vorsprüngen die über die nackte Mauerfläche hinausragenden festen
oder beweglichen Zubehörteile eines Bauwerks. Es gehören hierher Sockel, Simse, Erker, Balkone,
Sonnendächer, Prellsteine, Schilder, Kästen. Vgl. Fischbach, Plakatgesetz, S. 221. Die Ver-
ordnungen zum Schutz des Ortsbildes kommen des weiteren ergänzend in Betract.
3 Regl. v. 20. Sept. 1858 Art. 19; vgl. Regl. v. 21. Fall 1854 Art. 290.
Fischbach, Elsaß--Lothringen. 22