340 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 878
Straßenbreite und, wenn die Straße breiter als 20 m ist, nicht für mehr als 10 m
herangezogen werden. Die Zahlung der auf die einzelnen Grundstücke entfallenden
Kosten 35 hat zu erfolgen, wenn auf denselben Gebäude errichtet werden.
b) Eine bedeutsame Erweiterung dieser Vorschriften enthält das Gesetz vom
6. Januar 1892 (G. Bl. S. 3) über die Beschränkungen der Baufreiheit.
Es dehnt nämlich die Bestimmungen des Gesetzes von 1879 auf die außerhalb der
Umwallung (extra muros) liegenden Teile des Stadtgebietes, für welche bisher ein
Bebauungsplan nicht aufgestellt war, aus (§ 1 II). Gemäß § 2 kann durch einen
der Genehmigung der Ausfsichtsbehörde unterliegenden Beschluß des Gemeinderats be-
stimmt werden, daß an den in einem Bebauungsplan vorgesehenen Straßen und
Plätzen 3' mit dem Bau von Wohngebäuden erst begonnen werden darf, wenn der
Straßenteil, nach welchem ein Ausgang benutzt werden soll, für den Verkehr und
Anbau fertiggestellt und mindestens auf einer Seite mit dem übrigen Straßennetz in
planmäßige Verbindung gebracht worden ist 383. Eine Verordnung des Bürgermeisters
hat bekanntzugeben, von welchem Zeitpunkte ab eine Straße als für den Verkehr
und Anbau fertiggestellt zu erachten ist.
c) Sowohl das Gesetz von 1879 wie dasjenige von 1892 erwähnen eine Boden-
erwerbspflicht" der Stadtgemeinden, welche unter folgenden Voraussetzungen
eintritt: Nach § 2 Abs. 1 (Ges. v. 1879) hat die Stadt diejenigen im Bebauungs-
plane verzeichneten Parzellen, welche ganz in die planmäßigen Straßen oder Plätze
fallen, sowie diejenigen, welche von letzteren so durchschnitten werden, daß der hinter
der Fluchtlinie verbleibende Rest vo kein bebaubares Grundstück mehr bildet, bis zum
31. Dezember 1885 zu erwerben. Das Gesetz von 1892 (§ 1 Abs. 2) hat diese Frisft
in der Weise geändert, daß sie mit dem zehnten Jahre nach der Bekannt-
machung des Bebauungsplanes endet1.
Ferner ist vorgeschrieben (§ 2 Abs. 3 Ges. v. 1879), daß die Stadt die in die
Straßen oder Plätze fallenden Grundstücksteile erwerben muß, sobald auf den inner-
halb der Fluchtlinie befindlichen Teilen der betreffenden Parzellen Wohnhäuser oder
sonstige größere Gebäude errichtet werden.
Die Beitreibung der Kosten erfolgt in den Formen der Beitreibung der direkten Gemeinde-
steuern (§ 4 Abs. 5 Ges. 1879). Die Anliegerbeiträge werden durch eine besondere Heberolle des
Gemeinderats festgesetzt. Der Gemeinderat hat aber keinen Einfluß auf die Höhe der Steuern; er
darf auch nicht Ermäßigungen oder Vergünstigungen eintreten lassen.
Es genügt nicht ohne weiteres, daß das Gebäude an einem Privatweg liegt, und daß dieser
zu der in Aussicht genommenen Straße hinführt. Die Beschränkung des § 2 bezieht sich ferner nur
auf Wohngebäude, d. h. Baulichkeiten, die in ihrem gegenwärtigen Zustand zum Bewohnen be-
stimmt sind. O. L.G. Colmar v. 16. Dez. 1898 in Elf.-I. 8 24 S. 305.
*8 Zur Entscheidung von Streitigkeiten über ffeagen der Baupflicht, zu welchen insbesondere
auch die Bestimmungen des § 2 Gef. 1892 gehören, sind die ordentlichen Gerichte zuständig. O. L.G.
Colmar v. 14. Juni 1910, Els.-lI. Z. 1911 S. 254.
*# Vy.l. hierzu Fischbach, Die Bodenerwerbspflicht der Stadtgemeinden, in Els.-I. Z. 1911
S. 410 u. 552; serner Riedinger, ebenda S. 545; Wieskemann, ebenda 1912 S. 98.
½% über die Frage der Erwerbspflicht und die Schadensersatzpflicht haben die ordentlichen
Gerichte zu entscheiden. Kais. Rat v. 23. Febr. 1907 Nr. 465; Fischbach a. a. O. S. 415; O L.G.
Colmar (Kass.) v. 3. Juni 1910, Els.-l. Z. 1911 S. 5; ferner v. 16. Nov. 1911 (Kaff.) ebenda 1912
S. 337, und v. 27. Juni 1912, ebenda S. 341. Über die Bebaubarkeit des Restgrundstücks vgl.
O.L.G. Colmar v. I4. Mai 1912, Els. I. Z. 1913 S. 306.
Anstatt die Erwerbspflicht der Stadtgemeinde zu beanspruchen kann der Eigentümer die ihm
durch das Gesetz v. 1841 zustehenden Rechte geltend machen. De Lalleau I Nr. 297 f., Elf.-I. Z.
1911 S. 5. Wird kein formelles Enteignungsurteil erlassen, so find auch nicht die Vorschriften des
Gesetzes v. 1841 für die Entschädigung maßgebend, sondern diejenigen des Gesetzes v. 16. Sept. 1907
Art. 50. Vgl. O.L.G. Colmar (Kass.) v. 10. Nov. 1911, Els.-l. Z. 1912 S. 337. Die Frage, ob
das Restgrundstück noch bebaubar bleibt, ist dann zu bejahen, wenn die noch verfügbare Grundstücks-
fläüche eine vom wirtschaftlichen wie vom Fesundgeitlichen Standpunkt aus zweckmäßige und an-
gnsen Bebauung gestattet. Sächs. O. V.G. v. 12. Juli 1905, in Stier-Somlos Jahrb. 1906
2) S. 938 und O.L.G. Colmar v. 10. Nov. 1911, zein Z. 5 S. 498, 500.
Vagl. O.L.G. Colmar v. 27. Juni 1912, daselbst auch über die Fosgen der hochtröglichen
Anderung des Bebauungsplanes, und O.L.G. Colmar v. 21. Dez. 1911, Els.-l. Z. 1912
bzw. S. 463.