342 Vierter Teil. Die Landesverwalung.
9§ 79
Zur Verhütung der Feuersgefahr in Theatern 1% und dergleichen sowie in Waren-
häusern 108 find besondere Vorschriften erlassen.
§ 79. Die öffentlichen Wege. Die öffentlichen Straßen. Wege und Plätze
bilden einen Teil der im Gemeingebrauch stehenden Sachen und gehören zum öffent-
lichen Gutt; ihr besonderer Zweck ist, dem allgemeinen Verkehr zu dienen. Das
Recht, dem Verkehr die Richtung zu weisen (Wegehoheit), steht allein dem Staate oder
den anderen öffentlich-rechtlichen Verbänden (Bezirk, Gemeinde) zus.
I. Ein öffentlicher Weg liegt nur dann vor, wenn er von der zuständigen
Behörde dem öffentlichen Verkehr ausdrücklich gewidmet ist (Klassierung)s;
andererseits verliert der öffentliche Weg diese seine Eigenschaft nicht schon durch die
bloße Ablenkung des Verkehrs, sondern nur durch die ausdrückliche Entziehung (De-
klassierung). Zur Schaffung eines öffentlichen Weges bedarf der Staat oder die
öffentliche Körperschaft der Verfügungsgewalt über den dazu erforderlichen Grund und
Boden; dies kann derart geschehen, daß er nötigenfalls das Eigentum oder ein anderes
dingliches Recht erwirbt. Notwendig ist dies jedoch nicht; der Staat kann, auch ohne
das zivilrechtliche Eigentum zu erwerben, mit Einwilligung des dadurch betroffenen
zrundeigentbmers einen Weg über ein Privatgrundstück führen (öffentliche Wege-
ervitut)“.
II. Die öffentlichen Wege des Landes werden nach einem veralteten Schematismus
eingeteilt in Staatsstraßen, Bezirksstraßen, Vizinalstraßen, Ortsstraßen und Feldwege.
Wird eine neue Straße erbaut, so wird sie in eine dieser Kategorien eingereiht
(Klassierung); auch die Überführung aus einer Klasse in die andere bedarf eines be-
sonderen behördlichen Aktes. Eine weitere nicht mehr zeitgemäße Einteilung ist die-
jenige in Straßen des großen (grande voirie) und des kleinen Straßen-
wesens (petite voirie)5. Zum großen Straßenwesen gehören die Staats= und
Bezirksstraßen, während zum kleinen Straßenwesen alle übrigen Straßen gezählt werden.
III. Die Klassierung einer Staatsstraße erfolgt durch Gesetz nach voraus-
gegangenem Vorverfahren 5; handelt es sich nur um die Verlegung oder Verbindung
von Teilen einer Staatsstraße, und sind die erforderlichen Mittel bereitgestellt, so genügt
hierzu eine landesherrliche Verordnung!. Der Klassierungsakt hat die Richtung
und die Breite der Straße anzugeben. Die gesamten Kosten der Herstellung und der
1%1 Ver. v. 1. germ. VII. Ergänzend kommen in Betracht die oben erwähnten bezirks-
polizeilichen Verordnungen.
107 Ver. v. 22. Dez. 1903 (Centr. Bl. 1904 S. 14).
6&d 1 § 4 A.G.B.; Molitor-Stieve S. 184. Sie stehen im öffentlichen Eigentum desjenigen
Verbandes, dem ihre Unterhaltung obliegt.
Der Privatmann vedad zur Anlegung eines öffentlichen Weges der Konzession. Vgl.
leiner, Instit., S. 295. Über die Unzulässigkeit eines allgemeinen Verbots der Anlage von
rivatstraßen vgl. Kais. Rat v. 27. Okt. 1906 Nr. 447.
* Der Umstand, daß das Publikum einen Weg tgtsächlich als Verkehrsweg benutzt, macht
denselben nicht zum öffentlichen Weg im obigen Sinne. Uber die andere Auffassung für das Gebiet
des Strafrechts pgl. oben S. 332 und O. L.G. Colmar v. 15. Dez. 1903, Elf.-I. 3. 29 S. 595
ferner für das Gebiet der Gewerbeordnung, v. Landmann-Rohmer, Komm., 4. Aufl., 1
S. 289; preuß. O. V.G. v. 23. Okt. 1905; O.L.G. Dresden v. 29. Aug. 1906, in Fischers Z. 32
S. 250 u. 291. Ein Privatgrundstück wird nicht dadurch zu einem öffentlichen Platz, daß es dem
Publikum zum Zwecke der Darbietung von Lustr arkeiten zugänglich gemocht wird.
#.. ferner Schelcher, Der öffentliche W. in Fischers Z. 31 S. 1. ·
* Der Privateigentümer wird sich zu dieser Einwilligung um so eher verstehen, als durch die
Anlage des öffentlichen Weges sein übriger Grundbesitz an Wert gewinnt. ç
Die öffentliche Wegefervikut hat mit der privatrechtlichen Grunddienstbarkeit nur den Namen
gemein. Fleuner S. 296. Die Ersitzung des öffentlichen Wegerechts ist jedenfalls ausgeschlofsen.
5 Bedeutung hat die Einteilung noch für die Zuständigkeit der ordentlichen und der Ver-
waltungsgerichte. Leoni-Mandel S. 217 N. 4; O. L.G. Colmar v. 17. Fedr. 1911, Els.-I. Z. 1912
S. 1. Die strafrechtliche Zuständigkeit der Bezirksräte . des großen Straßenwesens ist be-
seitigt. Ges. v. 19. Flor. X Art. 4; E.G. Str. G. B. Art. XI u. XII.
* Ges. v. 27. Juli 1870: Leoni-Mandel S. 217 N. 6.
* Senatsbeschluß v. 25. Dez. 1852 Art 4. »
* Zur Unterhaltung der Straße gehört auch die Unterhaltung des Zubehörs, wie der