352 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 8 80
werden über die einzelnen zu enteignenden Grundstücke Parzellarpläne aufgenommen,
die nach öffentlicher Bekanntmachung binnen einer Frist von acht Tagen auf der
Bürgermeisterei zur Einsichtnahme durch die Beteiligten offengelegt werden (Art. 4—7).
Nach Ablauf der Frist tritt bei der Kreisdirektion eine Kommission zur Entgegen-
nahme der Einwendungen der Beteiligten zusammen. Die Kommission gibt über den
Enteignungsplan und über die Einwendungen eine gutachtliche Außerung in Form
eines Protokolles ab!73. Auf Grund dieses Protokolles und der weiteren Unterlagen
bestimmt der Bezirkspräsident in einem begründeten Beschluß die abzutretenden
Grundstücke und den Zeitpunkt der Besitzergreifung derselben½“.
3. Demnachst tritt der Bezirkspräsident mit den beteiligten Eigentümern zwecks
freiwilligen Erwerbs der Grundstücke in Unterhandlungen. Falls eine Einigung nicht
erzielt wird, übersendet der Bezirkspräsident das Gesetz bzw. die Verordnung, welche
zur Zwangsenteignung ermächtigen, sowie den Enteignungsbeschluß an die Staats-
anwaltschaftus beim zuständigen Landgericht. Binnen drei Tagen hat diese unter
Vorlage aller Unterlagen bei dem Landgericht die Enteignung der in dem Beschluß
des Bezirkspräsidenten aufgeführten Grundstücke zu beantragen. Das Landgericht hat
innerhalb derselben Frist nach Prüfung der Unterlagen die Enteignung durch Urteil
auszusprechen 16. In dem Urteil ist zugleich der Vorsitzende der Geschworenen-
bank für die Feststellung der Entschädigung zu bezeichnen. Sind die Eigentümer an
sich mit der Abtretung der Grundstücke einverstanden, erklären sie sich aber mit der
angebotenen Entschädigung nicht für zufriedengestellt, so bedarf es keines Urteils, viel-
mehr lediglich der Beurkundung der Einwilligung und der Ernennung des Vorsitzenden
der Geschworenenbank (Art. 13, 14).
Das Urteil ist zu verkünden und im Auszuge in den betreffenden Gemeinden und
weiterhin in einem in dem Kreise oder in dem Bezirke erscheinenden Blatte öffentlich
bekanntzumachen; ferner ist es den Eigentümern zuzustellen 17. Gegen das Urteil
kann binnen drei Tagen nach Erlaß desselben Kassationsrekurs beim Ober-
landesgericht eingelegt werden 18, und zwar zu Protokoll des Gerichtsschreibers; inner-
halb einer Frist von acht Tagen ½ ist der Rekurs bei Meidung seiner Nichtigkeit dem
Gegner zuzustellen und innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung dem Ober-
landesgericht zu übersenden, welches binnen einem Monat zu entscheiden hat. Der
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18 Ein Gutachten des Gemeinderats genügt bei Enteignungen auf Antrag einer Gemeinde
oder im ausschließlichen Interefse derselben oder bei Anlegung von Bizinalwegen. Art. 12.
14 Gegen den Beschluß ist Beschwerde an das Ministerinm zulässig. Dieses entscheidet auch,
falls das Protokoll oder das Gutachten eine Anderung des vorläufigen Absteckungsplanes für an-
gezeigt erklärt. Art. 2, 11.
15 Auch im Falle einer gemäß Ges. v. 21. Mai 1874 doszsnehmenten wangsenteignuung ist
die Staatsanwaltschaft zur Mitwirkung berufen; ein ohne ihre Anhörung erlassenes Enteignungs-
Weil lun, mit „Zassationsrekurs angefochten werden. O.L.G. Colmar (Kass.) v. 8. März 1907,
½ Lexpropriation pour cause d'utilité publique s'opere par autorité de justice. Val-
Art. 1 Ges. v. 1841. Indcsen gehen die Befußniffe des Gerichts nicht seh weit. Sie beschränken
sich darauf, festzustellen, ob die in Art. 2 des I. Titels und im 2. Titel des Gesetzes v. 1841 vor-
eschriebenen Förmlichkeiten, insbesondere hinsichtlich der Lättigteit der Verordnung, gewahrt
80 Val. O.L.G. Colmar v. 1. de- 1905, Els.-l. Z. 31 S. 390; O. Mayer, Franz. V.RN.,
S. 239; De Lalleau, Traité de ’expropriation, 7. Ed., 1879, N. 206. Streitigkeiten der Be-
teiligten über materiell-rechtliche Fragen (fond du droit) dürfen nicht durch das Enteignungsgericht
entschieden werden. O.L.G. Colmar (Kass.) v. 13. Dez. 1907, Els.-l. Z. 38 S. 86. Bgl. ferner
ebenda Bd. 33 S. 73 und 32 S. 340.
17 Eine Ausfertigung des Urteils ist dem Grundbuchamt zwecks Eintragung einer Vormerkung
in den öffentlichen Büchern zu übersenden. Art. 16 Ges.
18 Zur Einlegung des Kassationsrekurses ist der Bürgermeister für die Gemeinde befugt.
O. S. G. Colmar (Kass.) v. 8. März 1907, Elf.-I. Z. 32 S. 70. — Über die Gültigkeit des Ksatione
rekurses toßt Nichtbeobachtung der Form des § 190 Abs. 8 C.P.O. bei Zustellung der Kassations-
schrift O. L.G. Colmar (Kass.) v. 19. Febr. 1909, Els.-lI. Z. 34 S. 225.
1½ Vgl. O.L.G. Colmar (Kaff.) v. 10. Mai 1907, Elf., l. 3. 33 S. 77. Maßgebend für den
eginn#½. ris. ist derjenige Zeitpunkt, in welchem der Kassationskläger tatsächlich den Rekurs
eingelegt hat.