Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

* 81 Die Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen. 
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worden sind, z. B. im Gesetz vom 15. Juli 1845 und in der Ordonnanz vom 15./21. No- 
vember 1846, und hinsichtlich derer auch für die Staatsbehörden eine Gehorsamspflicht 
bestand, sind in Geltung geblieben . 
III. Durch die Vereinigung Elsaß-Lothringens mit dem Reich auf Grund des 
Gesetzes vom 9. Juli 1871 (in Kraft getreten am 28. Juli 1871) ist die Stellung 
des Reiches hinsichtlich der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen nicht geändert worden é. 
Durch Allerhöchste Verfügung vom 9. Dezember 1871 (R.G. Bl. S. 481) wurde 
für die Verwaltung der Reichseisenbahnen eine besondere Behörde, „die General-= 
direktion der Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen“" mit dem Sitze 
in Straßburg begründet; sie sollte unmittelbar vom Reichskanzler ressortieren. Der 
Reichskanzler war damit der alleinige unmittelbare Vorgesetzte der Generaldirektion 
und vereinigte damit ohne weiteres diejenigen Befugnisse in seiner Hand, die ehedem 
dem französischen Minister (der öffentlichen Arbeiten) übertragen gewesen waren. Durch 
Bekanntmachung vom 29. Januar 1872 hatte der Reichskanzler seine gesamten Be- 
fugnisse dem Oberpräsidenten in Elsaß-Lothringen übertragen, „soweit sie nicht durch 
Reichs= oder Landesgesetze oder durch kaiserliche Verordnung geregelt sind“?'. Die 
Regelung war jedoch die, daß der Reichskanzler der einzige Vorgesetzte der General= 
direktion blieb. 
Auch durch das Gesetz vom 30. Dezember 1871, betreffend die Einrichtung der 
Verwaltung und durch das Gesetz, betreffend die Einführung der Reichsverfassung in 
Elsaß-Lothringen, vom 25. Juni 1873 (in Kraft getreten am 1. Januar 1874) ist 
an diesem Zustand nichts geändert worden. 
Der Abschnitt VII der Reichsverfassung war übrigens schon vorher durch Gesetz 
vom 11. Dezember 1871 im Reichsland eingeführt worden. Dadurch, daß mit dem 
1. Januar 1874 auch die Art. 41—47 Reichsverfassung für das Gebiet des Reichs- 
landes Geltung erlangten, sind dem Reiche keine neuen Rechte erwachsen; auch ohne 
diese Bestimmungen konnte das Reich in Elsaß-Lothringen Bahnen bauen und Regle- 
ments erlassen. · 
Das Gesetz vom 4. Juli 1879, betreffend die Verfassung und Verwaltung Elsaß- 
Lothringens, bestätigte den tatsächlich bestehenden Zustand, in dem nach § 2 zit. die 
dem Reichskanzler in elsaß-lothringischen Landesangelegenheiten übertragenen Befugnisse 
und Obliegenheiten auf den Statthalter übergingen, während die Reichseisenbahnen 
damals nicht als eine elsaß-lothringische Landesangelegenheit angesehen wurdens. 
Bereinbarungen getroffen worden, nach welchen das Reich Rechtsnachfolgerin der französischen Ost- 
bahngesellschaft geworden ist. BVgl. die Übereinkunft des RNeiches mit Luxemburg v. 11. Juni 1872 
[Ges. v. 15. Juli 18272 (N.G. Bl. S 329)], die im Jahre 1902 erneuert worden ist. 
1907 e R glenbers a. a. O. S. 6, 7; Geigel, Landespolizei gegenüber Reichsbahnen, Els.l. 3. 
. 28. 
* § 3 des Ges. v. 9. Juli 1871 spricht von einer „Landesstaatsgewalt“, die dem Kaiser über- 
tragen worden ist. Aus diesem Umstand, der für manche Schriftsteller hauptsächlich die Veranlassung 
gewesen ist, Elsaß-Lothringen als Staat zu bezeichnen [Leoni S. 6 f.; Rehm. Allgem. Staats- 
recht, S. 168 f.; Wißmann, Enteignungshoheit und Reichseisenbahnen in E.-L. (Diff. 1906), S. Zg#, 
läßt sich aber eine Veränderung des rechtlichen Zustandes der Reichseisenbahnen nicht herleiten; die- 
selben find immer unter Reichsverwaltung geblieben. 
7 In einem Erlaß des Reichskanzlers an den Oberpräfidenten v. 11. Juli 1872 (R. K. A. III 
3022) wird hervorgehoben, „daß die Generaldirektion beauftragt ist, die Berichte in allen die Landes- 
interessen berührenden Angelegenheiten, insbesondere über die Herstellung und Ausführung neuer 
Bahnlinien, die Feststellung der Fahrpläne und der Lokaltarife, mit Ausnahme der rein technischen 
Angelegenheiten, der Personalien, Verbandstarife, durch Ihre (des Oberpräsidenten) Vermittlung dem 
Reichskangleramt zugehen zu lassen. In gleichem Umfang wird das Reichskanzleramt E. E. von 
den Erlassen an die Generaldirektion Kenntnis geben.“ 
Die Verwaltungsordnung für die Reichseisenbahnen in E.-L., dat. v. 9. Juli 1909 (Centr. Bl. 
f. d. D. R. S. 1448), abgeändert durch Ver. v. 1911 (eod. S. 242). 
* Rosenberg (a. a. O. S. 9) ist dagegen der Ansicht, daß der Statthalter auf Grund des 
Ges. v. 4. Juli 1879 Nachfolger des Reichskanzlers geworden ist. Indefsen ist durch die Schaffung 
des Reichsamts für die Verwaltung der Reichseisenbahnen (Allerh. Erl. v. 27. Mai 1878. R.G. Bl. 
1878 S. 193) die Auffassung der Reichsregierung zum deutlichen Ausdruck gelangt, daß der Reichs- 
kanzler nicht in seiner Eigenschaft als Landes-, sondern als Neichsorgan vor wie nach 1879 Chef 
der Verwaltung der elsaß-lothringischen Eisenbahnen war. Wißmann S. 45: Laband II5 S. 258. 
23“
	        
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