8 81 Die Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen. 6.1
im einzelnen: 1. Nach Art. 4 Ziff. 8 R.. unterliegen der Beauffichtigung des Reiches
und der Gesetzgebung desselben das Eisenbahnwesen ?25 „im Interesse der Landes-
verteidigung 79 und des allgemeinen Verkehrs“. Bei der Bedeutung Elsaß-Lothringens
als Grenzland erweist sich diese Bestimmung als besonders wichtig. Dem Reichseisen-
bahnamt müssen für das ganze Gebiet des Reiches die Vorarbeiten für Herstellung,
Konstruktion und Ausrüstung einer Bahn zur Prüfung und Erklärung vorgelegt werden.
2. Nach Art. 41 R.V. hat das Reich ferner die Befugnis, auch gegen den Wider-
spruch der Bundesglieder, deren Gebiet die Eisenbahnen durchschneiden, Eisenbahnen
entweder für Rechnung des Reiches anzulegen oder an Privatunternehmer zur Aus-
führung zu konzessionieren und mit dem Enteignungsrechte auszustatten Diese Befugnis
kann aber nur kraft Reichsgesetzes ausgeübt werden. Weiterhin ist jede bestehende
Eisenbahnverwaltung verpflichtet, sich den Anschluß neu angelegter Eisenbahnen auf
Kosten der letzteren gefallen zu lassen. Drittens ist kein Einzelstaat befugt, einem
Eisenbahnunternehmer ein Widerspruchsrecht gegen die Anlegung von Parallel= oder
Konkurrenzbahnen zu verleihen. Die gesetzlichen Bestimmungen, welche Eisenbahn-
unternehmungen ein solches Recht einräumen, sind, unbeschadet bereits erworbener
Rechte, aufgehoben. 3. Nach Art. 45 R.V. hat das Reich ferner die Kontrolle des
Tarifwesens##o. Während den Staatseisenbahnverwaltungen gegenüber das Reich
keine anderen Mittel hat als diejenigen, welche ihm überhaupt gegen die Regierungen
der Einzelstaaten zustehen (vgl. Art. 7 Ziff. 3, Art. 17 und eventuell Art. 19 R.V.),
ist ein Konflikt zwischen der Verwaltung der Reichseisenbahnen und dem Reichs-
eisenbahnamt überhaupt ausgeschlossen, weil sie beide dem Reichskanzler unterstellt sind 31.
4. Alljährlich tritt bei der Generaldirektion der Reichseisenbahnen der sogenannte
Eisenbahnausschuß zusammen, der sich aus Vertretern des Handels und der
Industrie zusammensetzt. Der Eisenbahnausschuß äußert sich gutachtlich über Tarif-
fragen, Zuganschlüsse usw.
XI. Bezüglich der Frage der Haftung der Eisenbahnen für Sach-
schäden ist Art. 22 des Gesetzes vom 15. Juli 1845 von Bedeutung. Danach ist
das Reich als Eisenbahnunternehmer der gleichen Verantwortlichkeit für Handlungen 32
seiner Verwalter unterworfen wie der private Eisenbahnunternehmer 33. Die von den
Behörden der Reichseisenbahnverwaltung ausgehenden, die Anlage der Bahn be-
treffenden Handlungen sind im allgemeinen keine Verwaltungsakte 3", und daher sind
die Gerichte bei Erlaß ihrer Entscheidungen zu einer Kritik derselben in der Lage.
Anders liegt der Fall, wenn eine Anordnung einer Behörde in Frage steht, die zur
Ausübung einer öffentlichen Aufsicht berufen ist (Reichskanzler).
:8 Do die Versuche, eine einheitliche Eisenbahngesetzgebung für das Reich zu schaffen, bisher
mißglückt find, haben ket, Einr abebiichg ailentoan —* dn eltung. Fich za bhe S. a##
Fritsch, Handbuch der Eisenbahngesetzgebung in Preußen und im Deutschen Reich, 2. Aufl., 1912.
*5 Auf Grund von Art. 4 Ziff. 8 ist deshalb über den Bag, sämtlicher Bahnen in E.-L. an
das Reichseisenbahnamt und an die Militärbehörden zu berichten. Ahnlich wie in der Ausführungs-
anweisung v. 13. Aug. 1898 zu 7 preuß. Gesetz über die Kleinbahnen vorgesehen, ist unter
„Grenzgebiet“ das gesamte, west h des linken Rheinufers liegende Gebiet "| verstehen, nicht bloß
das weniger als 15 km von der Reichsgrenze entfernte Gebiet (Eestungegebie Einerlei ist es, ob
es sich um voll- oder schmalspurige Bahnen handelt; dagegen bedarf es bei Unternehmungen, die
zwar mechanische Motore verwenden und für öffentliche Zwecke dienen, aber nach Anlage und Ein-
richtung nur dem örtlichen Verkehr dienen sollen (Straßenbahnen), ferner für Drahtseil-Schwebe-
bahnen (Erzförderbahnen), soweit dieselben im Festungs= oder unmittelbaren Grenzgebiet oder sonst
an militärisch wichtigeren Orten gelegen sind, grundsätzlich der Mitteilung nicht.
30 Eine reichsgesetzliche Grundlage für diese Kontrolle fehlt allerdings. Von maßgebender
Bedeutung sind aber der Berner Vertrag v. 14. Okt. 1890 (R.G.Bl. 1892 S. 793 f.) über den inter-
nationalen Eisenbahnfrachtverkehr und die Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands v.
15. Nov. 1892. Vgl. Laband S. 119f. 21 Laband S. 128.
! 2 Es muß sich aber um eine rechtswidrige Schädipung handeln; nicht genügt, daß der
Schaden arf Zufall zurückzuführen ist. O. L.G. Colmar v. J. Jan. 1907, Elf.-lI. Z. 23 S. 6.
zS O. Mayer, Franz. V.R., S. 154, 398: Michaslis, ElfIl. Zivilprozeßnormen. 2. Aufl.,
S. 167: O.L.G. Colmar v. 11. Mai 1911, Els.-l. Z. 37 S. 235; Molitor-Stieve S. 97,
113, 244.
2 Val. O.L.G. Colmar v. 11. Mai 1911 zit. und die dort erwähnten Reichsgerichts-
entscheidungen.
S.