Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

22 Zweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. 87 
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Lothringen; hier ist in konsequenter Durchführung des Reichslandsgedankens in allen 
diesen Fällen die Reichsangehörigkeit allein maßgebend. 
II. Der Erwerb und Verlust der Reichs= bzw. Staatsangehörig-ä 
keit nach dem Gesetz vom 1. Juni 1870 7. Es kommen keine landesgesetzlichen 
Bestimmungen, sondern lediglich das Reichsgesetz vom 1. Dun in Betrachts; die 
Materie gehört demnach eigentlich in das Reichs staatsrecht; nur der Vollständigkeit 
halber seien im folgenden die Grundzüge des Gesetzes wiedergegeben. 
A. Die Staatsangehörigkeit wird erworben auf Grund familienrechtlicher 
Verhältnisse und auf Grund von Verleihung. 
1. Die samilienrechtlichen Verhältnisse sind: a) Durch die Geburt 
erwerben die ehelichen Kinder die Staatsangehörigkeit des Vaters, die unehelichen 
diejenige der Mutter. Belanglos ist der Umstand, daß die Geburt im Ausland erfolgte 
(ogl. Art. 18 E.G. B. G. B.). Findelkinder werden Staatsangehörige des Staates, in 
dessen Gebiet sie gefunden werden, falls nicht die Eltern nachträglich ausfindig gemacht 
werden (§ 4 Abs. 2). b) Durch Legitimation (§§ 1719 f., 1723 f. B.G. B.) 
erwirbt das Kind die Staatsangehörigkeit des Vaters, falls es dieselbe nicht schon 
vorher besessen hat. Zuständig ist der Bundesstaat, dem der Vater angehört (§ 1723 II 
B. GB.). In Elsaß-Lothringen erfolgt die Legitimation durch Verfügung des Statt- 
halters (Kais. Ver. vom 1. November 1899, Ges. Bl. S. 172, für die UÜbergangszeit 
des B. G. B. vgl. Art. 209 E.G. B. G. B., ferner auch Art. 22 Abs. 2 ebendaf. Die 
Adoption hat dagegen auf die bisherige Staatsangehörigkeit des Adoptierten keinen 
Einfluß (F§ 2 Abs. 2). c) Durch Verheiratung erwirbt die Ehefrau die Staats- 
angehörigkeit des Mannes (§ 5); erforderlich ist aber die Einhaltung der Form des 
§ 1317 B. G. B., unerheblich dagegen die nachträgliche Anfechtung der Ehe; auch die 
Ehescheidung führt keine Anderung der Staatsangehörigkeit herbei, wohl dagegen die 
Nichtigerklärung der Ehe. 
2. Die Verleihung. Sie ist ein zweiseitiger? Verwaltungsakt der höheren 
Verwaltungsbehörde (in Elsaß-Lothringen: Bezirkspräsident), welcher seine äußere Form 
und seinen Ausdruck in einer seitens des Bezirkspräsidenten ausgefertigten Urkunde 
erhält. Es ist also jedenfalls unrichtig, daß Deutsche durch den bloßen Wohnsitz in 
Elsaß-Lothringen die elsaß-lothringische Landesangehörigkeit erwerben (so Schulze, 
Staatsrecht 1I 371). Die Verleihung geschieht nie von Amtswegen, sondern nur auf 
ein Gesuch der aufzunehmenden Person 10. Erst mit der Aushändigung der Verleihungs- 
urkunde tritt der Erwerb der Staatsangehörigkeit ein (§ 16). Kann eine Aushändigung 
tatsächlich nicht stattfinden, so wird die Verleihung der Staatsangehörigkeit nicht perfekt 
und kann demnach auch keine Rechtswirkung haben. Ist der Aufzunehmende nicht 
geschäftsfähig, so ist die Urkunde dem gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Die Verleihung 
7 Lit. Cahn, Das Reichsgesetz über den Erwerb und Verlust der Reichs- und Staatsange- 
hörigkeit. 3. A.; Laband I S. 162 f.; Nadelhoffer, Der Einfluß familienrechtlicher Verhält- 
nisse auf die Erwerbung und den Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit. Annal. 1906 
S. 291 f., 342 f.: Weiß, Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit. Eben da 1908 S. 836 f., 962 f. 
8 In Elfaß--Lothringen ist das Gesetz durch Verordnung v. 8. Jan. 1873 Art. 2 eingeführt 
worden. Dieselbe ist in der am 14. Jan. 1873 ausgegebenen Nummer des Ges. Bl. f. E. L. publiziert 
worden, also am 29. Jan. 1873 in Kraft getreten. Dieselbe Verordnung ist dann nochmals im 
Reichsgesetzblatt, in der am 17. März 1873 ausgegebenen Nummer, verkündet worden. Auf den 
Zeitpunkt, mit welchem das Gesetz in Kraft getreten war, konnte dies keinen Einfluß ausüben. Daß 
bei dieser Publikation des Gesetes auch der § 27, wonach das Gesetz am 1. Jan. 1871 in Kraft 
tritt, mit ausgenommen wurde, beruht auf einem Redaktionsverfahren der Ausf. Ver. v. S. Jan.F#1877. 
Vgl. Leoni S. 17 N. 4. 
° Laband I 166; derselbe, Öff. Arch. 26 S. 366. Zweiseitig ist der Akt deshalb, weil 
die Annahme der Staatsangehörigkeit seitens des Aufzunehmenden erforderlich ist. So auch Seydel, 
Staatsrecht, I. S. 275; Rehm, Annal. 1885 S. 118 f.; Jellinek, Syst., S. 209. And. Anf. 
O. Mayer, Off. Arch. 3 S. 46; G. Meyer § 76 N. 9; Anschütz S. 530; Zorn I S. 357; 
diese letzteren sind der Ansicht, es handle sich um einen einseitigen Verwaltungsakt. 
10 Das Gesuch ist bei der Kreis-Polizei-)Direktion einzureichen und dortselbst zu instruieren 
Instr. v. 23. Jan. 1873, Straßb. Ztg. Nr. 22.
	        
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