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Das Unterrichtswesen. 369
Kommission müssen dem Oberschulrat vorgelegt werden; hebt dieser sie nicht binnen
30 Tagen nach der Mitteilung auf, so sind sie vollstreckkar. Der Direktor der Schule
oder sein Stellvertreter hat die Interessen seiner Anstalt als Regierungskommissar zu
vertreten. Außerdem kann aber der Oberschulrat noch besondere Kommissare zu den
Kommissionssitzungen entsenden. Die Mitglieder der Kommission sind befugt, jederzeit
einzeln oder zusammen dem Unterricht in den Klassen beizuwohnen und ein etwa vor-
handenes Internat zu besichtigen.
Das für den Besuch der öffentlichen Schulen zu entrichtende Schulgeld beträgt
für die Schüler der Gymnasial-, Oberreal= und Realklassen, die letzteren, soweit sie am
fakultativen Lateinunterricht teilnehmen, mindestens 100 und höchstens 120 Mk., für
die übrigen Schüler der Realklassen mindestens 80 und höchstens 100 Mék. jährlich 58.
Innerhalb dieser Grenzen wird das Schulgeld vom Oberschulrat nach Anhörung der
Schulkommission und des Gemeinderats für jede Eemeinde festgesetzt. Die Erhebung
und Beitreibung des Schulgeldes, das in die Landeskasse fließt, erfolgt nach Art der
direkten Steuern.
Der Lehrplan der neunstufigen höheren Schulen ist durch die Verordnung vom
10. Januar 1905 (Centr. Bl. S. 10) geregelt 30. Den Abschluß der Ausbildung bildet
die Ablegung der Reifeprüfung. Ihr Bestehen berechtigt zur vollen Immatrikulation
bei der Universität ". ·
Die Leitung des Unterrichts und der Erziehung in allen Anstalten obliegt einem
Direktor, welcher der unmittelbare Vorgesetzte der Lehrer ist (§ 9 Regul. 1883). In
Fragen der Schulorganisation und in schweren Fällen der Schülerdisziplin hat der Direktor
sich des Beirats der Lehrer (Konferenz) zu bedienen. Bei einer Meinungsverschiedenheit
zwischen dem Direktor und der Mehrheit der Lehrer darf der Direktor seiner Ansicht
nur mit der Genehmigung des Oberschulrats Geltung verschaffen (§ 9 Reg. 1883).
Der Direktor und die Lehrer haben den Nachweis ihrer wissenschaftlichen Be-
fähigung durch Ablegung einer Prüfung vor der wissenschaftlichen Prüfungskommisston
und weiterhin durch ein Zeugnis über ihre praktische Verwendbarkeit zu erbringen 61.
D. Die Universität. Durch Kaiserlichen Erlaß vom 28. April 1872 (G. Bl.
S. 165), der die Stiftungsurkunde enthält, wurde unter gleichzeitiger Aufhebung der
früheren Fakultäten und Fachschulen 62 die Universität Straßburg "# gegründet"“, der
alsdann im Jahre 1877 durch Kaiserlichen Erlaß vom 22. Juni gleichen Jahres (G. Bl.
S. 60) der Name „Kaiser-Wilhelms-Universität“ beigelegt worden ist.
§ 1 Nr. 2 der Vorschriften des Oberpräfidenten v. 4. Jan. 1879, betr. die Amtsdauer und den
Geschäftsgang der Schtltemmissioner.
57 § 8 Ges. v. 1878 u. § 4 II Vorschr. v. 4. Jan. 1879.
58 Verordn. v. 24. Juni 1899 (Centr. Bl. S. 93).
*% Dgl. des weiteren das Regulativ für die höheren Schulen E.-L.3 v. 20. Juni 1833 (Centr.-
Bl. S. 183); daselbst auch und ebenso in der Ver. v. 13. Dez. 1892 (Centr. Bl. S. 427) Näheres
über die Bezeichnung der Klassen.
60 Vgl. Ver. v. 10. Jan. 1905. Für Studierende der Rechtswissenschaft, welche sich über ihre
Kenntnisse im Latein auszuweisen haben, vgl. Ver. v. 26. Febr. 1905 (Centr. Bl. S. 99).
Die Reiseprüfung an Realschulen oder Progymnasien (Ver. v. 18. Mai 1901 (Centr. Bl. S. 133)
berechtigen zum Ubertritt in die Obersekunda einer neunstufigen höheren Echranstalt oder zu ge-
wissen mittleren Beamtenstellungen. Ver. v. 14. März 1901 (Centr. Bl. S. 106).
61 § 8 Regul. u. Ver. v. 4. März 1899 (Centr. Bl. S. 28), v. 8. April 1901 (Centr. Bl.
S. 115), v. 12. Febr. 1907 (Centr. Bl. S. 49). Uber die gegenseitige Anerkennung der Prüfungs-
Fugzusse für das Lehramt an höheren Schulen vgl. Bek. v. 17. Jan. 1900 (Centr. Bl. S. 39), v.
Okt. 1890 (Centr. Bl. S. 313).
über die sog. technischen Lehrer an Vorschulklassen und Elementarklassen vgl. Ver. v. 2. Juni
re Hoseus, Die Kaiser-Wilhelms-Universität zu Straßburg, ihr Recht und ihre Verwaltung,
1897. Die Rechtsverhältnisse der Universität sind durch das Gesetz v. 28. April 1872 (G. Bl. S. 166)
und durch das Statut v. 24. Febr. 1875 in der Fassung v. 21. Okt. 1908 (G. Bl. S. 91) geregelt.
vs Die Mittel zur Gründung wurden aufgebracht durch das Reich, das Land, den Bezirk
Unterelsaß und die Stadt Straßburg. Das o zahlt seit 1876 einen jährlichen Keichszuschuß
von 400 000 Mk. zu den Unterhaltungskosten der Universität.
" Das „séminaire protestant“, soweit es Unterrichtsanstalt war, ist durch die evang.-theol.
Fakultät, und soweit es die Verwaltung der Stiftungen hatte, durch das St.-Thomas-Stift ersetzt.
Fischbach, Elsaß-Lothringen. 24