:374 Fünfter Teil. Das Staatskirchenrecht.
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Die Ermächtigung kann nach freiem Ermessen erteilt und versagt und auch wieder
zurückgenommen werden. Ist einer Religionsgesellschaft die erwähnte Ermächtigung
erteilt, so ist sie den allgemeinen Bestimmungen der Artikel 4, 32, 52 des Gesetzes
vom 18. germ. X (Organ. Artikel des kath. Kultus) sowie des Artikels 2 desselben
Gesetzes (Organ. Artikel des prot. Kultus) unterworfen. Durch die Ermächtigung zur
Ausübung des Gottesdienstes erlangt eine Religionsgesellschaft nicht auch die Eigen-
schaft als Korporation; diese muß ihr durch Gesetz besonders verliehen werden.
Abgesehen von dem Recht der öffentlichen Ausübung ihrer Bekenntnisse, genießen
die anerkannten Religionsgesellschaften besondere Vorrechte und erhöhten strafrecht-
lichen Schutz (§§ 166, 167 R. Str. G. B.)
§ 84. Die gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften. lber das Ver-
hältnis der gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften (cultes reconnues) zum Staat
ist folgendes zu sagen: Nach der als Staatsgesetz verkündeten convention entre le
Gouvernement français et Sa Sainteté Pie VII, échangée le 23. fruct. an 9
(sogenanntes Konkordat vom 10. September 1801) und den zur Ausführung dieses
Vertrages ergangenen Gesetzen, insbesondere dem Gesetz vom 18. germinal X (Organ.
Artikel vom 8. April 1802) und dem Kaiserlichen Dekret vom 25. Februar 1810 sind
die anerkannten Kulte gleichzeitig dem Schutz und der Aufsicht der Staatsgewalt
unterstellt 1. Der Staat macht die Gewährung seines Schutzes von gewissen Bedingungen,
insbesondere davon abhängig, daß die Kirche die Grenzen des ihr überlassenen Rechts-
und Machtgebietes nicht überschreitet#. Für die Abgrenzung des Machtbereichs der
Kirche im staatskirchenrechtlichen Sinne kommen folgende Grundsätze in Betracht:
A. Katholischer Kultus: I. Kaiserliches Dekret vom 25. Februar 1810,
deécret, qui déclare loi générale de Iempire P’édit du mois de mars 1682 sur
la déclaration faite par le clergé de France de ses sentiments touchant la
uissance ecclésiastique ". Das aus fünf Artikeln bestehende Edikt enthält hauptsächlich
estimmungen nach der Richtung, daß dem päpstlichen Stuhl „in geistlichen und auf
das ewige Heil bezüglichen Dingen, nicht aber in weltlichen und zeitlichen von Gott
die Gewalt gegeben worden sei“. (Gallikanische Freiheiten.)
II. Einige Bestimmungen des Gesetzes vom 18. germ. X, so 1. Artikel 6: II
Fäaura recours au Conseil d’stat dans tous les cas d’abus de la part des supé-
rieurs et autres personnes eccl. Les cas d'abus sont, l’usurpation ou l’excêés de
pouvoir, la contravention aux lois et réglements de la République, Pinfraction
des regles consacrées par les canons reçus en France, D’attentat aux libertés,
franchises et contumes de T’eglise gallicane, et tout entreprise ou tout autre
procédé, qui, dans Texercice du culte peut compromettre Phonneur des citoyens,
troubler arbitrairement leur conscience, dégénérer contre eux en oppression
ou en injure ou en scandale public. 2. Artikel 52: Les curés ne se permettront
dans leurs instructions aucune inculpation directe ou indirecte, scit contre
les autres personnes soit contre les cultes autorisés dans d'’Etat. 3. Artikel 53: Les
der Rechtsfähigkeit wohl zu unterscheiden. Ein Gesetz ist hierfür nicht erforderlich, es gelten
vielmehr die gewöhnlichen Grundsätze des bürgerlichen Rechts, weil es sich auch nun um die Schaffung
einer privatrechtlichen. nicht einer öffentlichrechtlichen juristischen Person handelt. Uber die Errichtung
von Handelsgesellschaften durch Religiose vgl. Kahl in Berliner Festgabe für Dernburg, 1900.
5 S84 Protection et surveillance tel est, en deux mots. le systeme du concordat. Dallos,
Rep. vo eulte „Nr. 71. Vgl. ferner die Begründung des Berichterstatters Portalis zum Gesetz
v. 18. germ. X.
Dalloz, Rép. vo culte, Nr. 164 Dubief-Gottofrey, Traité, 1 S. 294.
3 Ludwig XIV. hatte im Jahre 1682 die Erzbischöfe, Bischöfe und sonstigen Geistlichen
behufs Besprechung kirchlicher Fragen zu einer assemblée générale du clerge zusammenberufen
und dabei auch um eine Außerung der Versammlung darüber ersucht, welche Hauptgrundsätze für
die Beziehungen zwischen Staat und Kirche in Frage kämen. Die Versammlung erließ darauf die
aus fünf Artikeln bestehende, in lateinischer Sprache abgefaßte déclaration, welche durch kgl. Edikt
v. 23. März 1682 sanktioniert wurde und, nachdem sie während der französischen Revolution mit
anderen staatskirchenrechtlichen Bestimmungen aufgehoben worden war, durch das kgl. Dekret v.
25. Febr. 1810 wieder gesetzliche Kraft erhielt.