§ 86 Die Verfaffung der romisch- katholischen Kirche 383
liche Aufforderung ergehen 33. Ob und inwieweit die Regierung trotz des Wider-
spruchs der Erben die Ermächtigung erteilen will, ist in ihr Ermessen gestellt.
Zu den von kirchlichen Anstalten für Kultuszwecke veranstalteten Sammlungen
und Kollekten, auch soweit sie außerhalb der Gotteshäuser vorgenommen werden, bedarf
der inländische Sammler keiner Ermächtigung 58.
Zweiter Abschnitt. Die Verfassungen der anerkannten Kulte.
§ 86. Die Verfassung der römisch-katholischen Kirche. Das Verhält-
nis zwischen der römisch-katholischen ! Kirche und dem Staat ist durch das Kon-
kordat vom 15. Juli 1801 (26. mess. IX) und die gleichzeitig mit demselben am
8. April 1802 (18. germ. X) publizierten organischen Artikel? geregelt. Durch
das Konkordat wurde freie Ubung der katholischen Religion gewährleistet, eine neue
Zirkumskription der Bistümer und Pfarreien in Aussicht genommen (Art. 2 Conc.)
und eine angemessene Ausstattung derselben zugesichert. In Ausführung dieser Vor-
schrift setzte Art. 58 org. Art. und ein den letzteern beigefügtes Verzeichnis die Zahl
der Bistümer und Erzbistümer sowie deren Grenzen fest. Durch Gesetz vom 14. Juli
1821 kam auf Grund einer im Jahre 1819 zwischen dem Papst und der französischen
Regierung getroffenen Vereinbarung die Bildung einer Anzahl neuer Bistümer zustande.
Eine Abänderung der Zahl und der Grenzen der sonach bestehenden Bistümer setzte
neben dem Übereinkommen zwischen Papst und französischer Regierung die Zustimmung
der gesetzgebenden Faktoren voraus; dieser Grundsatz beansprucht an sich auch heute
noch Geltung. Das gegenwärtige Gebiet des Reichslands gehörte zu französischer Zeit
zu den Bistümern Straßburg, Metz, Nanzig, St. Dié, welche wieder unter das Erz-
bistum Besancon fielen. In Art. 6 des Frankfurter Friedensvertrages vom 10. Mai
1871 und Art. 9 der Zusatzkonvention vom 11. Dezember 18713 wurde die Ver-
einbarung getroffen, daß eine Zusammenlegung der politischen mit den Diözesangrenzen
erforderlich sei, und durch die Ubereinkunft vom 7. Oktober 1874 (G.Bl. S. 33) wurde
dies verwirklicht. Von diesem Zeitpunkte ab bestehen im Reichsland zwei Bistümer
zu Straßburg und Metz, von denen das erstere sich auf die Bezirke Ober= und Unter-
elsaß, das letztere auf den Bezirk Lothringen erstreckt; eine Mitwirkung der gesegebenden
Faltoren hat hierbei nicht stattgefunden, dürfte aber bei etwaigen künftigen Anderungen
wohl nicht zu umgehen sein". Die Bistümer besitzen keine juristische Persönlichkeit, sie
sind vielmehr nur geographische Bezirke 5. Als Unterabteilungen der bischöflichen Diözese
find in den organischen Bestimmungen nur die Hauptpfarreien, deren Zahl sich
nach der Anzahl der Friedensgerichte (Kantone) bemißt", und die Hilfspfarreien
(succursales) erwähnt. Durch Art. 8 und 11 des Dekrets vom 30. September 1807
wurde für Pfarreien und Hilfspfarreien mit großer Ausdehuung oder schwierigen
*? Art. 3, 4 5 Ver. v. 14. Jan. 1831.
286 Die Notwendigkeit einer solchen läßt sich jedenfalls nicht aus Art. 2 Ziff. 9 Dekr. v.
22. Dez. 1789 herleiten. Vgl. Dalloz= P. 59. 1. 43, 44; D.P. 85. 1. 48; Rép. Secours public.
341 und Suppl. 297. Ausländern gegenüber ist aber nach der bisherigen Praxis an dem Erfordernis
der Ermächtigung festgehalten worden; dasselbe findet seine gesetzliche Grundlage in dem Aus-
weisungsrecht. Die erforderliche Erlaubnis wird erteilt nicht von der Ortspolizeibehörde, sondern
vom Bezirkspräsidenten oder dem Ministerium.
(§ 861 1 Der Ausdruck römisch-kath. Kirche kommt vor in Art. 6 der Charte v. 4. Nov. 1814, ferner
in Art. 62 der Konst. v. 22./23. April 1814, ferner in Art. 6 der Charte v. 14. Aug. 1830.
2 Diese Pestimmungen sind abgedruckt bei Caampeauz, Reecueil général du droit civ.
Gecl. franç. t. II p. 9. 15; ferner (frang.-latein Text) bei Hermens, Handbuch der gesamten
Staatsgeseßgebung über d. christl. Kult in den preuß. Prov. am linken Rheinufer Bd. I S. 464, 481.
* Val. Dove in 3Z. f. Kirchenrecht 11 S. 94. Z
4 Leoni-Mandel neigen (S. 290 N. 6) zu der Ansicht, daß dies nur bei Inanspruchnahme
des Etats der Fall sei. 5 L.G. Mülhausen v. 9. Jan. 1908 Elf.-l. Z. 33 S. 5.
& Die durch Art. 1 Ord. v. 6. April 1832 vorgeschriebene Beschränkung der Zahl der Pfarrer
I. Kl. auf die Zahl der Friedensgerichte bezieht sich dicht auf die Bezirkshauptorte. Wenn es sich
daher um die Errichtung von kath. Hauptpfarreien in Bezirkshauptorten dandel, so gehören diese
Pfarreien zur I. Kl., ganz ungbhängg davon, wieviel Amtsrichterstellen sich bei dem Amtsgericht
des betr. Bezirkshauptorts befinden. Vgl. Dalloz, Rép. culte Nr. 467.