384 Fünfter Teil. Das Staatskirchenrecht. 86
Verkehrsverhältnissen die Errichtung von Kapellen und Annexen ' zugelassen. Die
ersteren bilden einen besonderen Kirchensprengel mit eigener Kirchenfabrik, während die
letzteren nur ein Bestandteil der Pfarrei beziehungsweise Hilfspfarrei sind, in deren
Bezirk sie liegen". Zur Errichtung von Pfarreien, Hilfspfarreien, Kapellen, Annexen
sind die Bischöfe zuständig; sie bedürfen aber hierzu der vorausgegangenen vom Statt-
halter ausgefertigten Kaiserlichen Verordnung.
I. Die Ernennung der Bischöse ist nach Art. 5 der organ. Best. dem
Ersten Konsul zugestanden; nach Art. 17 soll jedoch wegen dieses Ernennungsrechts
eine anderweite Übereinkunft mit dem päpstlichen Stuhl getroffen werden, falls ein
Nachfolger des Ersten Konsuls nicht der katholischen Religion angehört. Letzterer Fall
ist durch die Abtretung Elsaß-Lothringens an das Deutsche Reich eingetreten; eine neue
Vereinbarung mit der Kurie ist indessen nicht geschlossen worden, es werden vielmehr
nach wie vor die Bestimmungen des Konkordats angewendet. Die Ernennung erfolgt
sonach durch den Kaiser, die kanonische Einsetzung durch den Papst?v. Das Amt des
Weihbischofs ist in Frankreich nicht üblich gewesen 16; erst im Jahre 1891 wurde
für die Diözese Straßburg hauptsächlich mit Rücksicht auf ihre große Ausdehnung ein
Weihbischof eingesetzt, der im Nebenamt die Geschäfte eines Generalvikars wahrnimmt.
II. Als weitere Amter der Diözesanverwaltung kommen in Betracht: 1. die General-
vikare; das Konkordat erwähnt ihrer nicht; nach Art. 21 org. Art. kann aber jeder
Bischof zwei Generalvikare ernennen, die Ernennung gilt nur für die Amtszeit des
berufenden Bischofs, kann jederzeit widerrufen werden und unterliegt der Genehmigung
des Staatsoberhaupts. Außer diesen beiden darf der Bischof noch zwei weitere
Generalvikare ernennen, welche aber das staatliche Gehalt solcher nicht beziehen und
auch einer staatlichen Genehmigung nicht unterworfen sind. Dieselben können in ihrer
Beziehung zur Diözese nicht als Vertreter des Bischofs gelten, sondern nur im inneren
Kirchendienst Verwendung finden. Während der Vakanz des Bischofsstuhles wird die
Dibzesenverwaltung durch einen Generalvikar geführt 11, der von dem Kapitel mit
Genehmigung des Staatsoberhaupts ernannt wird. 2. Die Domkapitel; dieselben
sind auf Grund des Art. XI Conc. und Art. 11 org. Art. von dem Bischof zu er-
richten. Die Ernennung der Mitglieder bedarf der Zustimmung des Staatsoberhaupts.
Sie werden auf Lebenszeit ernannt und find nicht ad nutum absetzbar 12. 3. Die
Offizialate und das bischöfliche Sekretariat. Die ersteren find bereits
durch Art. 13 Gesetz vom 7./11. September 1790 und später durch Art. 11 org. Art.
abgeschafft worden. Indessen können die Bischöfe selbst oder auch die von ihnen be-
auftragten Generalvikare die Entscheidung über gewisse Streitigkeiten rein kirchlicher
Natur (zum Beispiel Dienstvergehen) besonderen Kommissionen übertragen 14. Ebenso
! Eine Annexe soll nur dann errichtet werden, wenn die Höchstbestenerten einer Gemeinde
oder einer Sektion dies beantragen und sich bereit erklären, die Kosten des Vikars zu bezahlen.
Art. 11 v. 30. Sept. 1807. « .
* Daher haben auch die Gemeinden, in welchen die A. liegen, zu den Kosten der Haupt- oder
Hilfskirche beizutragen. Staatsrat v. 14. Dez. 1810. Gaudry II S. 217.
* Nach Art. 6 Konkordat, Art. 18 org. Art., hat der Bischof einen staatlichen Eid der
Treue zu leisten, und zwar „directement entre les mains du Pemier Consul“; über die erfolgte
Eidesleistung wird ein Protokol- aufgenommen. Geigel S. 257 A. 2 glaubt, daß diese Vorschrift
nur bis 1870 Geltung hatte.
aus naese stlichen „de heresc on org. Art. 27) batten rsprünesch eben-
fa en Eid zu leisten; es ist diese Vorschrift jedo on unter dem ersten Kaiserreich nicht mehr
beobachtet worden. André "rs S. 366. 4 5
15½ Das franz. Kirchenrecht kennt aber außer den ordinierten zwei andere Arten von Bischöfen:
àa) die episcopi in partibus intidelium, eine bloße Ehrentitulatur, welche entweder vom
Papst direkt oder auf Anregung der Regierung verdienten Kirchendienern verliehen wird, und
b) Coadjutores zur Unterstützung alter oder kranker Bischöfe, Ord. v. 23. April 1832; Dekr.
v. 29. Juli 1851. Der Koadjutor ist entweder auf bestimmte Zeit ernannt (auziliaire) oder auf
Lebenszeit mit der spes suecedendi: in letzterem Falle tritt er von Rechts wegen ohne eine kanonische
Institution in die erledigte Stelle.
11 Art. 5. 6 org. Art. modif. durch Kais. Dekr. v. 28. Febr. 1810 (Hermens II S. 497).
12 Villefroy S. 136 f.; André, Cours de la législ. civ. 6ecl., 4. 6Gd. II S. 106—11I.
Avis du comité de I’Intérieur v. 30. Juli 1824; Villefroy S. 408 Anm. a.
1 Hermens lI S. 454. #