8 88 Die protestantischen Sekten. 391
Kapitel des St. Thomasstifts, welches nunmehr das Thomas-, das Studienstift und
die Freiplätze verwaltet; es setzt sich zusammen aus dem Präsidenten des Direktoriums,
dem dienstältesten Pfarrer an den Kirchen St. Thomä, St. Aurelien und St. Nikolai, den
zwei dienstältesten Professoren der evangelisch-theologischen Fakultät, dem dienstältesten
evangelischen Professor der Rechts= und dem dienstältesten evangelischen Professor der
philosophischen Fakultät, ferner zwei vom Direktorium auf Vorschlag des Kapitels
lebenslänglich zu ernennenden Stiftsherren und einem vom Ministerium nach Anhörung
des Kapitels zu ernennenden Mitglied, welches vom Ministerium jederzeit abberufen
werden kann ?38. Das Kapitel wählt aus seiner Mitte auf drei Jahre den Direktor,
den Schriftführer und den Berichterstatter für das protestantische Gymnasium, ferner
auf sechs Jahre den Abgeordneten zum Oberkonsistorium und eventuell aus Nicht-
mitgliedern den Archivar. Der Schaffner wird vorbehaltlich der Genehmigung des
Direktoriums vom Kapitel gewählt.
Das Thomasstift 20 hat jährlich Zuschüsse zu zahlen an: a) die Univerfität den
Durchschnittsbetrag von höchstens 36 000 Mk. der Besoldung für sechs Professoren der
evangelisch = theologischen Fakultät und aus seinem Bibliothekstammvermögen von
160 000 Mk. Gelegenheitsankäufe von Handschriften, kostbaren Büchern; b) den Fehl-
betrag des Studienstifts und des protestantischen Gymnasiums; c) Zuschüsse für das
Direktorium und schließlich 4) sonstige Ausgaben, die ihm zufolge Herkommens oder
als Nachfolger des Kollegiatstiftes obliegen.
Mit dem sinkenden Geldwert und aus anderen Gründen war es dem St. Thomas-
stift mit dem Beginne des 20. Jahrhunderts nicht mehr möglich, seinen finanziellen
Verpflichtungen, namentlich der Universität gegenüber, nachzukommen. Es entstand ein
Prozeß zwischen Staat und Stift, der durch ein Urteil des Oberlandesgerichts Colmar
teilweise erledigt wurde. Es kam daraufhin am 20. Juli 1909 zu einem Abkommen
zwischen Stift und Regierung, auf Grund dessen die letztere, um die Fortführung des
protestantischen Gymnasiums zu ermöglichen, der Stiftung „Hohe Schule“ aus Grund
jährlicher Bewilligung durch den Landeshaushaltsetat einen Zuschuß in Höhe von
jährlich 25.000 Mk. unter gewissen Bedingungen gewährte. Aus Gründen der Parität
erhielt auch das bischöfliche Gymnasium zu Straßburg die gleiche Landesbeihilfe.
2. Das Studienstift St. Wilhelm nimmt fünfzig an der evangelisch-
theologischen Fakultät zu Straßburg eingeschriebene Studenten auf, die Freiplätze be-
ziehen und im Stift wohnen müssen. Der Direktor des Studienstifts überwacht die
Hausordnung unter Mitwirkung des Aufsichtsrats.
3. Das protestantische Gymnasium in Straßburg wird vom Kapitel
St. Thomä unter Aufsicht des Direktoriums und, was den Unterricht anlangt, unter
der Oberaufsicht des Oberschulrats verwaltet. Es ist, das die Verleihung von Reife-
zeugnissen anlangt, den Staatsanstalten gleichgestellt; der Direktor und die Lehrer
werden auf Vorschlag des Kapitels vom Direktorium ernannt.
Anhang. 8§ 88. Die protestantischen Sekten. I. Von einer Sekte,
d. h. von einer Separation einer oder mehrerer Gemeinden von der Kirche Augsburger
Konfession und der reformierten Kirche kann erst dann gesprochen werden, wenn die
betreffende Gemeinde oder ein Teil derselben sich außerhalb des allgemeinen Gottes-
.
28 Ges. v. 29. Nov. 1873; Hoseus, Koiser-Wilhelms-Universität zu Straßburg 1897.
2% Aus dem Zusammenhalten der Gesetze v. 28. April 1872, betr. die Universität Straßburg,
und v. 29. Nov. 1873, betr. die von dem Seminar verwalteten Stiftungen, ergibt sich, daß das
freie Vermögen des Seminars auf die Universfität übergegangene das Stiftungsrermögen aber von
jeder Rechtsnachfolge der letzteren ausgeschlossen ist. Die Verwaltung des letzteren hat vielmehr das
Kapitel des St. Thomasstt ts übernommen. Zum Stiftungsvermögen wird auch derjenige Teil der
Bibliothek zu rechnen gewesen sein, der von den ursprünglichen Eigentümern als selbständige Stif-
tungen (z. B. Marc. Otto) dem Seminar bzw. seinen Re teworgän ern zur Verwaltung übergeben
worden war. Die auf Grund des Reichsgesetzes v. 14. Juni 1871 für die verbrannte Bibliothek zu
zahlend. Brandentschädigung war daher zwischen Univerfität und St. Thomasstift nach Maßgabe
er bestehenden Eigentumsverhältnisse zu verteilen.
Deie Aufsicht über die stiftungsgemäße Verwendung der Einkünfte ist lediglich Sache des
Kapitels, die Universität kann in dieser Beziehung nur diejenigen Befugnisse ausüben, welche dem
Seminar als Unterrichtsanstalt zugestanden haben. is