§ 20 Die Friedhöfe. 397
steht im Zusammenhang einerseits mit den eigentümlichen religiösen Vorstellungen der
Israeliten, welche die Friedhöfe als auf ewige Zeit geheiligte Gebetstätten betrachten,
und andererseits mit der historisch überkommenen Abschließung gegen das Judentum “.
Infolgedessen haben auch die aus der israelitischen Kultusgemeinschaft ausgeschiedenen
Separatgemeinden ohne weiteres das Recht, eigene Friedhöfe anzulegen; sie können
allerdings keine weiteren Rechte beanspruchen wie christliche Separatgemeinden.
2. Im Gegensatz hierzu wird die Anlegung von Friedhöfen durch christliche
Kultusgemeinden für unzulässig erachtet 5. Alle Beerdigungen müssen auf dem Gemeinde-
friedhof erfolgen. Von dieser Regel gibt es nur eine Ausnahme, die in Art. 14
Dekret vom 23. Prair. XII bezeichnet ist. Danach kann jedermann auf seinem Eigen-
tum begraben werden, wenn dieses Eigentum sich außerhalb der Mauern der Ortschaft
und in der für Kirchhöfe vorgeschriebenen Entfernung von derselben befindet é. Die
Anlegung von Privatfriedhöfen (Familienfriedhof) ist dagegen unzulässig?. Dieser
Grundsatz gilt an sich auch für religiöse Genossenschaften s und überhaupt für
é tablissements publics'. Für Privatvereine ist eine Gestattung zur Anlage eines
Friedhofs nie erfolgt und gesetzlich unzulässig.
II. Die konfessionelle Einteilung der Friedhöfe ist durch Art. 15
Dekret vom 23. Prair. XII für gewisse Fälle vorgesehen 10; es wird nämlich nach der
zitierten Bestimmung erfordert eine Gemeinde, „u on prokesse plusieurs cultes“;
die Voraussetzungen des „professer“ sind nur da gegeben, wo in einer Gemeinde
mehrere anerkannte Kulte öffentlich ausgeübt werden 11. Indessen ist es nicht un-
bedingte Gesetzesvorschrift, daß in den Gemeinden, wo diese Voraussetzung tatsächlich
zutrifft, auch eine konfessionelle Einteilung des Friedhofs stattzufinden hat; es ist dies
vielmehr in das pflichtmäßige Ermessen der Staats= und Gemeindebehörden gestellt.
In den Fällen, in welchen es an dem Erfordernis des Art. 15 Prairial-
Dekretes fehlt, ist nach der jetzigen elsaß-lothringischen Verwaltungspraxis die
konfessionelle Einteilung der Friedhöfe nicht unbedingt ausgeschlossen; maßgebend ist
ebenso wie für die Gemeinschaftlichkeit, so auch für die Trennung nach Konfessionen
4 Die rechtliche Begründung für die tatsächlich zugunsten der Ifraeliten erfolgte Ausdehnung
des Gebietes der Kultusangelegenheiten liegt in der durch Ord. v. 25. Mai 1844 den zlraeltischen
Hegirkskonsistorien übertragenen Befugnis, nicht nur den Erlaß der Vorschriften über die religiösen
Gebräuche bei Begräbnissen und bei der Ausü ung des Kults in den Tempeln (Art. 20 IV), sondern
auch außerhalb der Bethäuser usw. zu bewirken (Art. 19).
5 Min. Zirk v. 1859; Dursy I S. 371; Dalloz, Rép. culte, S. 784; Suppl. S. 914;
Gaudry II Nr. 744. Uber das Eigentum der Zivilgemeinden an den Friedhöfen vgl. Kass. v.
13. Juni 1903 D.P. 1905. 1. 507 und R.G. v. 12. Jan. 1906, Puch.Z. 37 S. 145. «
CDiefraglichcGeietzesbestimmungwithinbekftanzösienRechtiprechungundBerwaltun-
ptaissehrstreng(åla rigueIUZ auselLVgLDufoutIS.625;AndköIIS.174,15;
Koff. v. 14. April 1889 bei Dufour VII S. 625 und Kass. v. 11. Juli 1856, Dalloz 63. 5. 344;
Min. Erl. v. 1860; Dursy II S. 581.
7 Min. Erl. v. 1856; Dursy II S. 580; Staatsrat v. 27. Dez. 1860; bei Dufour a. a. O.
Jedenfalls darf die Genehmigung des Bürgermeisters nicht im voraus für die Familie (Errichtung
eines Familiengrabes) erteilt werden. Staatsrat v. 12. März 1846; Geigel S. 206 ½.
s Rousset, Code de la Igisl. conc. les éGglises etc., S. 161; Ravelet, Code des
lois civ. eccl., S. 278; André, Cours, II S. 174, 175. Mit Rückficht auf die strenge Klausur
der Klöster läßt die elsaß-lothringische Verwaltungspraxis zu, daß mit jedesmaliger Erlaubnis
einzelne Beerdigungen innerhalb der Klöster gestattet werden.
*Zirk. v. 1864; Dursy I S. 371; Dufour VII S. 626. Nach dem Staatsratgutachten
v. 4. Juli 1832 (André II S. 166) kann jedoch dem ét. publ. die Anlegung eines besonderen
riedhofes Fstattet werden, aber nur qu'aprês avoir autorisée par le gouvernement. Geigel
349 11 (Genehmigung des Staatsoberhauptes).
10 Im Interesse eines einheitlichen Verfahrens hat das Ministerium am 5. Dez. 1905 ein-
heitliche Vorschriften erlassen. Diese Grundsätze finden auf alle Fälle Anwendung, in denen die
konfessionelle Einteilung der Friedhöfe in Frage kommt, einerlei, ob der bezügliche Antrag auf das
Dekr. v. 23. prair. XII gestützt wird oder nicht.
11 Auf diesem Standpunkt stand schon der Erlaß des Oberpräfs. v. 19. Jan. 1877 und der
Kais. Rat v. 15. April 1905 Nr. 406 (Fall Fameck). Nicht die Rücksicht auf die Kirche, sondern
das Interesse der Ordnung, die Vermeidung von Streitigkeiten aus dem Zusammentreffen der ver-
schiedenen Konfessionen auf dem gemeinschaftlichen Friedhof hat den Art. 15 zit. veranlaßt. Die
öffentliche Ausübung des israelitischen Kultus kommt für die Frage der Mehrheit von Kulten im
Sinne des Art. 15 prair. Dekr. nicht in Betracht. Kais. Rat v. 20. April 1907 Nr. 471.