404 Sechster Teil. Die Finanzverwaltung. § 95
die man ebenfalls in Finanz= und Verwaltungsschulden einteilen kann.
Die ersteren begründen nur ein zivilrechtliches, die letzteren auch ein öffentlich-rechtliches
Verhältnis zu den Gläubigern. Zur Eingehung der Finanzschulden bedarf es der
gesetzlichen Ermächtigung, während bei den Verwaltungsschulden dies nicht der Fall
ist; hier ist die Staatsverwaltung ohne weiteres zur Kontrahierung auf Grund der in
Einzelfällen besonders erteilten Ermächtigung zuständig.
II. Das Reichsland hat seine Existenz schuldenfrei begonnen. Die Notwendigkeit,
eine Anleihe aufzunehmen, zeigte sich zuerst im Jahre 1872, als es galt, die Inhaber
verkäuflicher Justizstellen zu entschädigen 2. Durch Gesetz vom 19. März 1886 (G. Bl.
S. 11) wurde alsdann nach Kündigung der 4%igen Obligationen eine 3%ige
Rentenschuld begründet Ss. Die Etatsgesetze enthalten ferner die Befugniserteilung an
die Regierung, 3 %/%ige Rentenschulden zu begründen und Schatzanweisungen aus-
zugeben". Durch Gesetz vom 19. Juni 1901 (G.Bl. S. 43) wurde sodann die Ver-
waltung der Landesschulden erschöpfend geregelt. Die Bereitstellung der außerordent-
lichen, im Wege des Kredits zu beschaffenden Geldmittel, welche in dem Landes-
haushaltsetat zur Bestreitung von Ausgaben vorgesehen sind, erfolgt auf Grund der
durch das jeweilige Etatgesetz erteilten gesetzlichen Ermächtigung bis zur Höhe der be-
willigten Summe in dem zu ihrer Beschaffung nötigen Nennbetrage durch Aufnahme
einer verzinslichen Anleihe oder durch Ausgabe von Schatzanweisungen. Das Ministerium
erläßt die näheren Anordnungen über Form, Zeit und die Beträge der Schuld-
verschreibungen, ferner über den Zinssatz, die Kündigungsbedingungen und den Ausgabe-
kurs, sofern nicht das Gesetz anderweitige Bestimmungen enthältb. Die Dauer der
Umlaufszeit der Schatzanweisungen wird regelmäßig durch die Etatsgesetze festgesetzt 6.
Die Kündigung der Anleihen erfolgt ebenfalls nur auf Grund einer gesetzlichen
Ermächtigung 7. Zur Ablösung der Renten ist Zahlung des 3 3½/ fachen Betrageszulässig“.
Die regelmäßige Tilgung erfolgt durch freihändigen Rückkauf, und zwar muß jährlich
mindestens 1 % des Nominalbetrages der Rentenschuld auf diese Weise getilgt oder einem
hierzu bestimmten Tilgungsfonds überwiesen werden ?. Die zur Verzinsung und Tilgung
der Schatzscheine und Anleihen erforderlichen Beträge müssen der Landesschuldenverwaltung
zur Verfallzeit aus den Landeseinnahmen zur Verfügung gestellt werden 10.
Was die privatrechtlichen Verhältnisse der Schuldverschreibungen und Schatz-
anweisungen anlangt, so ist auf die §§ 793—806 B. G. B. zu verweisen 11.
III. Die Verwaltung der Landesschulden erfolgt durch die Landesschulden-
verwaltung mit dem Sitz in Straßburg unter der Oberaufsicht des Ministeriums;
die fortlaufende Kontrolle obliegt der Landesschuldenkommissiont. Die
Landesschuldenverwaltung hat über die von der Landeshauptkasse geleisteten Einnahmen
und Ausgaben aus Anleihen und für Verzinsung und Tilgung der Landesschulden nebst
den entstandenen Kosten usw. jährlich Rechnung zu legen 18. Die Landesschulden-
8 95 1 Laband IV S. 365.
2 Ges. v. 10. Juni 1872 (G. Bl. S. 171), Ges. v. 29. Nov 1875 (G. Bl. S. 191) und Ges. v.
31. März 1879 (G. Bl. S 5).
2 Gelegentlich der Verbesserung der Kanäle wurde sodann durch Ges. v. 26. Mai 1892 (G. Bl.
49) eine neue Anleihe ausgenommen.
* Bei späteren Etatsgesetzen wurde in dieser Richtung repelmäßig, auf das 55 v. 24. März
1881 (G Bl. S. 15) Bezug genommen. 5 §8§ 1. 2 Gefs. v Juni 1901.
* Innerhalb der Umlaufszeit kann der Betrag der Schatzanweisungen wiederholt, jedoch nur
zur *W der in Verkehr gesetzten giilstammeisungen ausgegeben werden.
8 Ges. v. 19. März 1886 (G. Bl.
11 Ges. v. 24. März 1881 (G. Bl. rr . " 10 Ges. v. 1881.
10 v 5 Ges. v. 1901. Bezüglich der Tilgung der Anleihe aus dem Jahre 1892 (Verbesserung
der Kanäle) gilt Desonderes- Vgl. Ge 18 v. 26. Mai 1892 (G. Bl. S. 49); §§ 3, 4 Ges. v. 30. März
WWSii- 5) § 13; Ver. v pril 1896 (Centr. Bl. S. 101) und v. 31 März 1908 (Centr.=
11 Vgl. dazu Ges. v. 24. März 1881; Bek. v. 3. Juli 1881 (G. Bl. S. 38); Ges. v. 19. Juni
1901 sowie Gcsten v. 6. Juli 1901 (Centr. vi. S. 243) und Bek. d. Min. v. I1. April 1900
(Centr. Bl. S. 149 12 Ges. v. 19. Juni 1901.
18 Die hechpungen werden geprüft durch den Rechnungshof für das Deutsche Reich. Nach
Prüfan ing werden die Mchnunzen den beiden Kammern des Landtags zur Entlastung vorgelegt. Ges.
cz. 1913 (G.Bl. S. 115) § 2.