8 97 Die Kafsen- und Rechnungsführung. Rechnungskontrolle.
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Die von dem Rechnungshof geprüften Rechnungen nebst den Bemerkungen sind
den gesetzgebenden Körperschaften vorzulegen. Diese prüfen die Rechnungen und erteilen
die Entlastung, auf welche die Regierung einen Anspruch hat. Eine Möglichkeit, die
Regierung bei Unstimmigkeiten zur Verantwortung zu ziehen, besteht in Elsaß-Lothringen
nicht, weil ein Staatsgerichtshof zur Aburteilung der verantwortlichen Minister nicht
geschaffen ist.
III. Die Staatsdepositenverwaltungö ist die als besondere Behörde
geschaffene, unter der Oberaufsicht des Ministeriums stehende staatliche Hinterlegungs-
stelle. Ihr Sitz ist in Straßburg; an ihrer Spitze stehen ein vom Kaiser zu ernennender
Vorsitzender und zwei Mitglieder, von denen eines die Befähigung zum Richteramt
haben muß. Durch Gesetz vom 1. November 1899 (G. Bl. S. 143) ist der Geschäfts-
kreis der Staatsdepositenverwaltung erheblich erweitert worden 0S. Die Kasse der
Staatsdepositenverwaltung ist Hinterlegungsstelle für Geld, Wertpapiere, sonstige Ur-
kunden und Kostbarkeiten. Das hinterlegte Geld geht in das Eigentum der Staats-
depositenverwaltung über7. Die Kontrolle über alle der Staatsdepositenverwaltung
obliegenden Geschäfte übt eine Kommission aus, die aus einem vom Statthalter zu er-
nennenden Vorsitzenden und fünf Mitgliedern besteht, von denen zwei der Statthalter
beruft, und eines durch die erste und zwei durch die zweite Kammer des Landtags
gewählt werden (Gesetz vom 4. April 1893 § 7 .)5.
Zweiter Abschnitt. Die Finanzwirtschaft.
I. Nur Staaten haben das Recht der Besteuerung (die Finanzgewalt), denn sie
ist eine Außerung der Herrschergewalt. Elsaß-Lothringen ist dem Staatsbegriff durch
die ihm verliehene Steuergewalt erheblich angenähert; es hat in dieser Beziehung die
gleiche Stellung wie die deutschen Bundesstaaten. Kraft seiner Steuergewalt verschafft
sich der elsaß-lothringische Landesfiskus außer den Nutzungen seines Finanzvermögens
Einnahmen hauptsächlich aus den Steuern 1. Steuern sind öffentliche Abgaben, die der
Staat den Bürgern nach den Grundsätzen der Gleichheit und Allgemeinheit auferlegt 7.
Ein bedeutsamer Unterschied ist derjenige zwischen direkter und indirekter Steuer 3.
Die direkte Steuer stuft die geschuldeten Beträge nach der Leistungsfähigkeit des Bürgers
— —
zur Niederichlagung von Kassendefekten und fiskalischen Forderungen. uständig zum Erlaß dieser
Gnadenakte im Gebiete der Verwaltung ist der Statthalter (Ver. v. 23. Nov. 1907, R.G.Bl. S. 759
i * Auch die justif. Kab. müssen die stenergesetzlichen Bestimmungen beachten. Laband
5 Ges. v. 4. April 1893 in der Fassusg der Bek. v. 6. April 1893 (G. Bl. S. 39). Die
Geschäftsanweisung datiert v. 2. Juni 1903. er die Vertretung der Staatsdepositenverwaltung
vor Gericht vgl. Min. Ver. v. 6. Febr. 1900 (G. Bl. S. 47). Gesetz, betr das Hinterlegungswesen
und den Geschäftskreis der Staatsdepofitenverwaltung, v. 1. Nov. 1899 (G. Bl. S. 148); Verordnung,
betr. die Verzinsung, v. 19. Dez. 1899 (G. Bl. S. 251).
* Vgl. des ferneren die Min. Ver. v. 23. Dez 1899 (Centr. Bl. S. 396), v. 22. März 1905
(ebenda S. 164) und v. 23. Juni 1902 (Centr. Bl. S. 251).
Bezüglich der Verzinsung vgl. K. Ver. v. 10. April 1909 (G. Bl. 1910 S. 59). Andere
öffentliche Kassen, z. B. die öffentlichen Sparkassen, können nicht als Hinterlegungsstellen in Betracht
kommen. §s Vgl. § 3 Ges. v. 10. Dez. 1913 (G. Bl. S. 115).
1 Die Stenergewalt E.-L.8 geht bis zur Grenze der Steuergewalt des Reiches. Vgl. Art. 35 R.V.
* Von diesen Grundsätzen gibt es ainsnamen zugunsten der Diplomaten und Konfuln, der
Häupter und Mitglieder resterender Familien sowie der Militärpersonen, Unteroffiziere und Ge-
meinen, sowie für den Fall der Mobilmachung allgemein für Angehörige des aktiven Heeres.
v. Hecel,. Lehrbuch der Finanzwissenschaft. Bd. 1 1907: Stengel-Fleischmann unter „Abgabe“.
2 Dieser Unterscheidung kommt auch staatsrechtliche Bedeutung zu: das Reichsdoppelsteuergesetz
v. 22. März 1909 verbietet in § 1 lediglich eine doppelte Heranzießung einer und derselben Person
zu den direkten Staatssteuern. Nach dem Reichsbesteuerungsgesetz v. 15. April 1901 (R.G. Bl.
S. 187) § 3 kann das Reich von den Gemeinden nur zu „Lissen indirekten Steuern heran-
gezogen werden. Nach § 5 zit. kommt die Erhebung von Oktroivergütungsgeldern (Kasernierungs-
Mienbeiträge von den oktroiberechtigten Gemeinden in E.-L. spätestens mit dem 1. April 1911 in
gfall.
Von dem ungeschriebenen Grundsatz, daß das Reich sich auf die Erhebung indirekter Steuern
zu beschränken habe, macht das Reichsgesetz v. 3. Juli 1918 (R. G. Bl. S. 503) eine weitgehende Ausnahme.