422 Sechster Teil. Die Finanzverwaltung. 8 109
Bundesstaaten und Elsaß-Lothringen in mehr oder weniger weitgehendem Umfang bereits
eine Erbschaftssteuer erhoben hatten, gewährte ihnen das Reich neben der Möglichkeit
der Erhebung von Zuschlägen zur Reichserbschaftssteuer (§ 58) und der Besteuerung
der von der Reichserbschaftssteuer verschonten Personen (§ 59) noch einen Anteil am
Rohertrag der bei ihren Steuerbehörden eingehenden Steuer. Der Anteil wurde im
&*# 2 des Mantelgesetzes vom 3. Juni 1906 auf ein Drittel bemessen, durch das Gesetz,
betreffend Anderungen im Finanzwesen, vom 15. Juli 1909 (R.G. Bl. S. 714) Art. 4
& 5 Absatz 1 aber auf ein Viertel herabgesetzt.
Das Landeserbschaftssteuergesetz vom 29. Juni 1907 (G. Bl. S. 71)*
hat von der ihm durch das Reichsgesetz überlassenen Möglichkeit Gebrauch gemacht
und erhebt Steuern von reichssteuerfreien Anfällen und ferner Zuschläge zur Reichs-
erbschaftssteuer.
I. Die Steuer von reichssteuerfreien Anfällen wird erhoben bei Er-
werb von Todes wegen: 1. allgemein, wenn derselbe anfällt: a) ehelichen Kindern und
solchen Kindern, welchen die rechtliche Stellung ehelicher Kinder zukommt, b) un-
ehelichen Kindern aus dem Vermögen der Mutter oder der mütterlichen Voreltern,
c) Abkömmlingen der zu a. b bezeichneten Kinder, d) Ehegatten; 2. falls der Erwerb
den Betrag von 10 000 Mk. nicht übersteigt, wenn er anfällt: a) leiblichen Eltern,
b) Großeltern und entfernteren Voreltern, c, unehelichen von dem Vater anerkannten
Kindern und deren Abkömmlingen, d) an Kindes Statt angenommenen Personen und
deren Abkömmlingen, soweit sich auf diese die Wirkungen der Annahme an Kindes Statt
erstrecken.
II. Als Erwerb von Todes wegen gilt außer demjenigen, was durch Erbfolge,
Vermächtnis oder Pflichtteil erworben wird: 1. ein Erwerb, auf welchen die für
Vermächtnisse geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden,
sowie dasjenige, was durch eine nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches
als Verfügung von Todes wegen zu beurteilende Schenkung erworben wird; 2. ferner
ein Erwerb, welcher infolge der Vollziehung einer durch Verfügung von Todes wegen
angeordneten Auflage oder infolge der Bewirkung einer Leistung, von welcher der Erb-
lasser einen Erwerb von Todes wegen abhängig gemacht hat, oder, sofern der Erwerb
der Genehmigung einer Behörde bedarf, infolge der Vollziehung einer Anordnung dieser
Behörde, erlangt wird (R.E. St. G. § 1 Abs. 2).
III. Als Erwerb von Todes wegen ist außerdem anzusehen: 1. was durch
Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet wird, daß es auf den
Pflichtteil angerechnet werden soll; 2. was als Abfindung" für einen Erbverzicht oder
für Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses gewährt wird (8§8 2 zit.) 5.
IV. Gegenstand des Landeserbschaftssteuer sind des weiteren 1. Schenkungen
unter Lebenden zugunsten der im Art. 2 Abs. 1 Ziff. 1 — soweit § 11 Nr. 4e des
Erbschaftssteuergesetzes Anwendung findet — und zugunsten der im Art. 2 Abs. 1
Ziff. 2 des Landeserbschaftssteuergesetzes bezeichneten Personen, unbeschadet der An-
wendung des Art. 10 mit der Maßgabe, daß an Stelle der Verhältnisse des Erb-
lassers und Erwerbers die Verhältnisse des Schenkers und Beschenkten berücksichtigt
werden (Art. 7 1).
2. Die Landeserbschaftssteuer“ wird ferner erhoben von denjenigen An-
fällen zugunsten der im Art. 2 Abs. 1, 2 bezeichneten Personen, für welche gemäß 33 des
Reichserbschaftssteuergesetzes Elsaß-Lothringen zur Erhebung der Reichserbschaftssteuer
: Ausführungsbest. d. Min. v. 29. Juni 1907 sowie Vorschriften über die Erhebung der
Reichserbschaftssteuer v. 29. Juni 1907 (Centr. Bl. S. 123, 127), ergänzt durch Min. Verf. v. 21. Jan.
1909 (Centr. Bl. S. 15). Die Bestimmungen des Landeserbschaftssteuergesetzes find irrevifibel. N.G.
v. 19. Jan. 1912, Elf.-l. Z. 37 S. 264.
7 17 Ausnahme der Adoptivkinder sowie der eingekindschafteten Kinder.
* Uber den Begriff der absindung v#gl. O. L.G. Colmar v. 28. Febr. 1911, Els.-I. Z. 1911 S. 472.
6 eitere Fälle siehe zu §8 3, 4 Reichserbschaftsst. G.; vgl. Art. 2 Abs. 2 Landee#rbschaftsst. G.
4* Uber die Erhebung der Steuer von ausländischem Mobiliarnachlaß val. O. L.G. Colmar v.
27. Juni 1911, Elf.-I. 1912 S. 361, und über Landeserbschaftssteuerstrafsachen O. L.G. Colmar
v. gl. Tage, ebenda S. 364.