Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

34 Zweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. 8 10 
  
Souveränität im Reiche (Art. 11 R.V.); der Kaiser ist nur ein Organ des Reiches und 
repräsentiert das eigentliche Subjekt der Reichsgewalt (die verbündeten Regierungen). 
Das deutsche Kaisertum ist untrennbar mit der Krone Preußen verbunden; der preußische 
König ist ipso jure deutscher Kaiser; deshalb enthält die R V. auch über den Erwerb der 
Kaiserkrone keinerlei Bestimmungen, maßgebend ist vielmehr das preußische Thronfolge- 
recht. Die Staatsgewalt im Reiche kommt dem Kaiser zu, soweit nicht ihre Aus- 
übung den Einzelstaaten belassen ist. Der Kaiser, und nur er allein, vertritt nach 
außen hin das Reich Dritten gegenüber; im Innern liegt ihm die Regierung (Geschäfts- 
führung) ob. Während aber im übrigen Reichsgebiet die kaiserliche Gewalt eine geteilte 
ist, hat der Kaiser in Elsaß-Lolhringen die ungeteilte Exekutive. Der Kaiser übt im 
Reichsland die dem Reiche zustehende volle Staatsgewalt aus. Durch die Einführung 
der Reichsverfassung ist in Elsaß-Lothringen nicht etwa eine von der Reichsgewalt 
verschiedene Staatsgewalt mit selbständigem Träger errichtet worden, vielmehr blieb 
das Reich Träger der Staatsgewalt 2. Der Kaiser übt daher in Elsaß-Lothringen die 
Staatsgewalt nicht als Monarch, sondern lediglich als Organ des Reiches aus; 
aller die Stellung des Kaisers umfaßt hier mehr als die „präsidialen Befugnisse“; das 
Kaisertum hat im Reichsland eine „territoriale Fundierung“ erhalten. (Laband II 233.) 
Verkehrt wäre es aber, aus diesem Umstande auf eine landesherrliche Stellung des 
Kaisers im Reichsland zu schließen 3. Einer solchen Auffassung steht nicht nur der 
Wortlaut des § 3 Abs. 1 des Reichsgesetzes vom 9. Juni 1871, wonach der Kaiser 
die Staatsgewalt in Elsaß'Lothringen ausübt (also nicht inne hat), sondern auch der 
historische Entwicklungsgang der Institution des Kaisertums entgegen. Die Staats- 
gewalt in Elsaß-Lothringen als Ausfluß der Reichsgewalt hat ihren Ursprung nicht 
in der Reichsverfassung, sondern im Frankfurter Friedensvertrag. Der Kaiser hat kein 
Recht am Reichsland im Sinne eines Titels, die kaiserliche Macht beruht vielmehr 
auf dem Reichsgesetz vom 9. Juni 1871; daran ist auch durch die spätere Gesetz- 
gebung, das Gesetz vom 4. Juli 1879 und das Verfassungsgesetz vom 31. Mai 1911, 
nichts geändert worden. Daß der Kaiser nur als Organ des Reiches die Staatsgewalt 
in Elsaß-Lothringen ausübt, ergibt sich besonders deutlich aus dem Umstand, daß die 
Anordnungen des Kaisers vom Reichskanzler, also dem Reichsminister gegenzuzeichnen 
sind (§ 4 Gesetz vom 9. Juni 1871). Vollzieht der Kaiser staatliche Akte in Ausübung 
der Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen, so geschieht dies „im Namen des Reichs“. 
Auch nach dem Verfassungsgesetz vom 31. Mai 1911 §. 1 übt der Kaiser, wie 
bereits hervorgehoben, die Staatsgewalt in Elsaß= Lothringen aus. In den Motiven 
des Gesetzentwurfs (S. 9) wird die Unverändertheit des staatsrechtlichen Zustandes 
mit folgenden Worten verdeutlicht: „Die Bestimmungen über die staatsrechtliche Stellung 
des] Kaisers, des Statthalters und des Staatssekretärs für Elsaß-Lothringen entsprechen 
dem bisherigen Recht. Sie sind in den vorliegenden Entwurf aufgenommen worden, 
Standesbeamte § 54; Verf. d. Min. v 12. März 1902 (Sammlg. 27 S. 33):; Kisch, Eljah lothr. 
Landesprivatrecht, S. 795, u. Bruck I S. 76. 4H nger Abkommen zur Regelung des Geltungs- 
bereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschließung v. 12. Juni 1902 (N.G.Bl. 1904 S. 221). 
(F 10) 1 Laband, Neichsstaaterecht, 1 S. 211 f. u. die dort Zit.; Leoni S. 47; Bruck I S. 77; 
Heim, Komm. S. 26; Schutze, Komm. zu § 1 V. G. 
O Laband, Die geschichtliche Entwicklung der R.V., im Jahrb. d. öff. Rechts I S. 9 
* So die Theorie Leonis, die beute wohl als erledigt gelten klann. Gegen diese Theorie 
haben sich gewandt vor allem Laband II S. 233; Stoeber, Arch f. öff. Recht Bd. 1 S. 658: 
G. Mayer, in Lbiths Annal. 1896 S. 260 f.; Rosenberg, Staatsrechtliche Stellung E.-L.8, 
24: Bruck 1 S. 72; Heim S. 27: Hamburger, Die staatsrechtlichen Besonderheiten des 
Keichelandes, S. 15 u. a. m. Leoni (S. 48) muß selber zugeben, daß die Stellung des Kaisers 
als „Landesherr“ sich wesentlich von der Stellung der anderen deutschen Fürsten unterscheidet, da 
diese Inhaber der Staatsgewalt kraft eigenen Rechts find, die Staatsgewalt des Kaisers in E.-L. 
jedoch eine abgeleitete ist. 
* Der §* 1 des Verf.Ges. sollte einem Kommissionsantrag zufolge den ausdrücklichen Zusatz 
„im Namen des Reiches“ erhalten. Der diesbezügliche Antrag wurde jedoch abgelehnt mit der 
Motivierung, daß dieser Zusatz auch im Gesetz v. 9. Juni 1871 § 3 fehle, und eine Veränderung 
der rechtlichen Stellung des Kaisers nict erfolgen sollte. Komm. Ber., Drucks. 1909/11 Nr. 1032. 
So auch Bassermann bei den Verh. d. Reichstags, 12. Legislaturper. 2. Sesss. (Bericht 13.—31. Mai 
1911). Sten. Ber. S. 7043.
	        
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