Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

5 13 Der Staatssekretär und das Ministerium für Elsaß-Lothringen. 55 
deutschen Mittelstaaten Ministern zukommt, und die Stellung des Ministerialdirektors 
entspricht materiell derjenigen eines Unterstaatssekretärs. 
V. An dieser Stelle ist nochmals auf die Frage zurückzukommen, ob der Statt- 
halter gegenüber dem Ministerium eine übergeordnete Instanz bildet. Diese 
Frage läßt sich nicht einheitlich beantworten. Nach § 3 des Gesetzes vom 1. Juli 
1879 ist das Ministerium „zur Wahrung der von dem Reichskanzleramt für Elsaß= 
Lothringen und dem Reichsjustizamt in der Verwaltung des Reichslandes sowie der 
von dem Oberpräsidenten bisher geübten Obliegenheiten errichtet". Im Ministerium 
(den Oberschulrat einbegriffen) ist sonach die gesamte Landesverwaltung zentralisiert. 
Damit ist aber nicht gesagt, daß das Ministerium auch der eigentliche Träger der 
vor dem Jahre 1879 in der Hand des Chefs des Reichskanzleramts, des Reichsjustiz- 
amts und des Oberpräsidenten vereinigten Befugnisse ist; denn ebenso wie vor dem 
genannten Zeitpunkt der Reichskanzler den Reichsämtern und dem Oberpräsidenten 
gegenüber der wirkliche verantwortliche Regierungsleiter gewesen war, so ist es auch 
jetzt duoad jus der Statthalter bzw. sein gesetzlicher Stellvertreter als der Rechts- 
nachfolger des Reichskanzlers geblieben. Dem Ministerium sind jene Rechte lediglich 
der Ausübung nach übertragen, und der Statthalter kann daher nicht nur dem 
Ministerium allgemeine Anweisungen für die Geschäftsführung erteilen, sondern er kann 
auch grundsätzlich jede Amtshandlung selbst vornehmen und, soweit es sich nicht um 
eine der Rechtskraft unterliegende Entscheidung des Ministeriums handelt, dieselbe auf- 
heben. Hieraus ist zu entnehmen, daß der Statthalter, obwohl dem Ministerium vor- 
gesetzt, doch nicht eine übergeordnete Instanz denselben gegenüber bildet. 
Diesen grundsätzlichen Ausführungen gegenüber müssen jedoch gewisse Ein- 
schränkungen gemacht werden 6. 
1. In gewissen Fällen war ein förmlicher Rekurs von dem Oberpräsidenten an 
den Reichskanzler gesetzlich vorgesehen; es sind dies solche behördlichen Entscheidungen, 
die geeignet sind, Privatrechte der Untertanen in Mitleidenschaft zu ziehen, wie z. B. 
in Sachen des Berg= und Forstwesens 76. Hier ist, weil das Gegenteil nicht im Sinne 
des Gesetzgebers gelegen haben kann, der Statthalter oberste Berg= und oberste Forst- 
behörde geblieben. Der Statthalter kann also hier nicht unter Umgehung des Ministeriums 
(Oberbergbehörde) direkt, sondern nur auf Grund Rekurses gegen die Entscheidung des 
Ministeriums erkennen. 
2. Soweit durch Gesetz oder kaiserliche Verordnung ausdrücklich das Ministerium 
mit gewissen Funktionen betraut ist, ist der Statthalter, unbeschadet seines allgemeinen 
Aufsichtsrechts, nicht befugt, die fraglichen Handlungen selbst vorzunehmen. Ein häufiger 
hierher gehöriger Fall ist der, daß das Ministerium die Ausführungsverordnungen zu 
einem Gesetze zu erlassen hat 7. 
n. Weiterhin ist nur der Staatssekretär und die Abteilungsvorstände des 
Ministeriums zur Anstellung, Versetzung, Beurlaubung und Abberufung gewisser Be- 
amtenklassen und zu Disziplinarbestrafungen befugt “. 
4. Ebenso ist bei der Verwaltung der Universität ein Instanzenzug vom Kurator 
an den Statthalter gegeben. 
Mit vorstehenden Ausführungen ist die Theorie abgelehnt 15, welche bezüglich der- 
jenigen Befugnisse, die das Ministerium als Nachfolger des Oberpräsidenten übernommen 
hat, dasselbe als besondere Behörde dem Statthalter gegenüberstellt, und zwar einerlei, 
15 Leoni S. 92. 
16% Val. Ges. v. 16 Dez. 1878 (G. Bl. S. 397) §§ 164, 167, 168 und Ges. v. 30. Dez. 1871 
(G. Bl. 1872 S. 57) § 1 
17 Der Statthalter ist in solchen Fällen nicht befugt, solche Ausführungsverordnungen an 
Stelle des Ministeriums geelblt zu erlassen. 
* § 21 Ges. v. 30. Dez. 1871 zus. mit §§ 12 u. 13 Ver. v. 23. Juli 1879 und Ver. v. 
29. Jui 1881; Ges. v. 30. Juli 1880 (G. Bl. S. 128). Leoni S. . 
15 . wird vertreten von O. Mayer in v. Stengels Wörterb. (1. A.) II S. 781; Bruck 
I1 S. 132; Schulze S. 58; Heim S. 38; vom theoretischen Standpunkte aus auch von 
Laband irk S. 2
	        
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